Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 2, 1980

geben über dieses Studium Aufschluß. Die Hauptvertreter dieses Sgraffito-Dekorationssystems sind Andrea di Cosimo Feltrini (Palazzo Lanfredini 1515, P. Sertini 1515-1520, P. Bartolini-Salimbeni 1520-1530) und Cristofano Gherardi (Pa lazzo Vitelli alla Cannoniera in Gitta di Castello 1534). Den letzten Höhepunkt setzten schließlich die gewaltigen, allegorischen Sgraffitoprogramme Giorgo Vasaris (Ent wurf für P. Sforza Alimeni 1553; Paiazzo dei Cavalieri in Pisa 1562-1566). Die monu mentalste Sgraffitodekoration des allegori schen Stils, der Palazzo Piero dal Borgo mit der Darstellung der Geschichte Davids, wird Bernardino Poccetti zugeschrieben und um 1580 datiert. Dieser kurze Abriß über die Entstehung des Sgraffito in Italien, d. h. in Florenz, ist durchaus auch für die Betrachtung einer re gionalen Verbreitung dieser Technik von Bedeutung, weil dadurch Ansicht und Beur teilung auf festerem Grund stehen. Zusam menfassend kann gesagt werden, daß die Wurzein des Sgraffito, wenn man von den allgemeinen Traditionen der Ritztechniken absieht, ins 13. Jhdt. zurückreichen. Im 15. Jhdt. ist bereits eine erste Höhe erreicht, im 16. Jhdt. sind alle Möglichkeiten ausge schöpft. In formaler Hinsicht dominiert in der Frühzeit die streng tektonische Giiederung, von einfacher Quaderung angefangen über die Einfassung von Fenster- und Türöffnun gen, bis zu geometrischen Friesen. In der 2. Hälfte des Quattrocento erweitert sich der Formkanon durch Einbeziehung flacher, dekorativer Elemente: Girlanden, Paimettenfriese, Putten, Flammentöpfe, Füllhörner mit Rosen, mit Rosetten oder Muschein be setzte Quadros, Rankenwerk, Gittermuster, aber auch Tierdarstellungen und Fabelwe sen. In der 1. Hälfte des Cinquecento domi niert die Groteske: Blattmasken, Korbblüten mit eingeroiltem Stil und langem Stempel, Sphingen, Delphine, Vögel, Fische, Einhör ner, alles verkettet und ineinander ver schlungen durch vegetabile Verstrickungen. In der 2. Hälfte des 16. Jhdts. erfährt das Sgraffito in seiner Anwendung bei der Aus gestaltung der großen allegorischen Szene rien der monumentalen Palastfassaden seine größte Entfaltung. Auf dieser Stufe sind alle formalen Möglichkeiten vereinigt: Tektonik, Groteske und Figurenprogramm. Eine wesentliche Fragestellung im Hinblick auf jede und auch die konkrete regionale Eingrenzung ist nun, wie das Sgraffito vom Florentiner Raum aus seine Verbreitung über nahezu ganz Europa nahm? Dazu nur einige Anmerkungen: In Italien selbst hat das Sgraffito neben Florenz und der Tos kana nur noch in Rom Bedeutung erlangt. Im Florentiner Raum sind 65 Sgraffitodekorationen erhalten und authentisch gesichert, in Rom etwa 30, die im wesentlichen den Zeitraum von 1450 bis 1520 einnehmen. Die römischen Sgraffiti haben eine eigene Tra dition und schließen formal enger an die rö mische Antike an: Bildnis, Medaillons, Tro phäen, Greifen, Löwen, Stiere, Nereiden, Faune, Satyrn gehören maßgeblich zum Formenschatz. In der Lombardei hat das Sgraffito noch Verbreitung gefunden, im Veneto aber ist es unbekannt. Dies ist in unserem Zusammenhang insoferne von Bedeutung, da man annehmen könnte, daß in der Vermittlung der Vene dig-Handel der Steyrer Kaufteute eine Rolle spielte. Die Frage, wie das Sgraffito nach Steyr kam, wird man aber anders beantwor ten müssen. Zeitlich und räumlich darf man folgende Verbreitungswege annehmen: Schon Ende des 15. Jhdts. dürfte das Sgraf fito die Schweiz erobert haben, vornehmlich den Tessin. 1510 ist die Sgraffitofassade der Casa Somazzi in Gentilino bei Lugano datiert. In Deutschland taucht das Sgraffito früh in Sachsen auf, was durch die handelsund machtpoiitischen Zusammenhänge verständlich wird (Mitte des 16. Jhdts. wird von den italienischen Brüdern Thola das Markgrafenschloß mit Sgraffiti ausge schmückt). In Schlesien ist ebenfalls zur Mitte des 16. Jhdts. das Sgraffito bereits weit verbreitet. Ebenso im Nordosten Deutschlands, im heutigen Polen, in Danzig (Englisches Haus 1570) und Posen (Rat haus 1550). In Süddeutschland ist die Ver breitung jedoch gering. Die mit Abstand größte Dichte hat das Sgraffito in Böhmen gefunden. Die Sgraffitodekoration fand hier an allen Bauaufgaben Verwendung. Die vie len Sgraffitofassaden, die einst Pilsen, Prachatitz, Netolitz, Klattau, Prag, Budweis zierten, standen in enger Beziehung zu den Sgraffiti des Florentiner Raumes und wur den oftmals auch von italienischen Hand werkern ausgeführt. (Als repräsentatives Beispiel sei der Schwarzenberg-Palast auf dem Prager Hradschin aus der 2. Hälfte des 16. Jhdts. genannt.) Sehr früh, noch vor der Mitte des 16. Jhdts., taucht das Sgraffito in Niederösterreich auf. 1541 läßt Erasmus v. Schneckenreith die Fassaden seines Waldviertler Schlosses Breiteneich mit ornamen talen und figürlichen Sgraffiti verzieren. Die Dekoration - vegetabile Ornamente, Friese mit Fabeltieren - steht in Verbindung zu Flo rentiner Vorbildern. Bekannt sind die Sgraffitohäuser in Krems, Horn, Weitra und Eg genburg. Besonders das ,.Gemalte Haus" mit seinem allegorischen Programm in Eg genburg ist eine erstaunlich reife Schöp fung, wenn man bedenkt, daß die Entste hungszeit 1547 noch vor den Dekorationen Vasaris liegt. Den Darstellungen liegen Holzschnitte H. Burckmairs zugrunde. Zeit lich am nächsten liegen Kremser Sgraffiti um 1 550 und in Retz 1576. Das ist ganz grob die Verbreitungsge schichte des Sgraffito, wobei die übrigen eu ropäischen Länder, in denen ebenfalls noch Sgraffiti vorkommen, Rumänien (Sieben bürgen), Polen, Spanien, außer acht gelas sen werden können. Für das oberösterreichische und speziell das Steyrer Sgraffito kann aus der Darstel lung geschlossen werden, daß es in der Verbreitungsachse Florenz - Lombardei - Böhmen liegt. Legt man über diese geogra phische Achse einen zeitlichen Index, so er gibt sich das Phänomen, daß sich das Sgraf fito in der 2. Hälfte des 16. Jhdts. geradezu explosionsartig verbreitet, so daß eine zeit liche Priorität nur sehr schwer festzustellen ist. Zieht man dazu auch noch die Dichte ins Kalkül, so darf man sehr vorsichtig folgern, daß Niederösterreich und Böhmen einen kurzen zeitlichen Vorsprung vor Oberöster reich aufweisen. Die Tatsache, daß in Qberösterreich allegorische Programme fehlen, sowie das tektonische und flächendekora tive Sgraffito dominiert, darf nicht zu einer zeitlichen Festlegung verleiten, sondern ist eher durch mentale Tradition und Struktur der Auftraggeber zu erklären. Andererseits ist es ein speziell oberösterreichisches Phänomen, daß das Sgraffito eine ganz und gar volkstümliche Erscheinung geworden ist und sich bis in die 1. Hälfte des 18. Jhdts. (!) erhalten hat (St. Leonhard bei Pucking, Ka stengebäude des Bernhardmayrgutes v. 1738). Grob gesprochen kann man sagen, daß das oberösterreichische und das Stey rer Sgraffito eine Derivation des Quattrocento-Sgraffito sind, das heißt, daß die Lei stungen des itaiienischen Sgraffito des 16. Jhdts. kaum mehr nachvollzogen werden. Steyr-Sgraffito: Die Blüte der Steyrer Sgraffiti steht in unmitteibarem Zusammenhang mit dem wirt schaftlichen Aufschwung der Stadt. Schon im 2. V. d. 16. Jhdts. begann in Steyr eine große Bautätigkeit, 1538 wurde das Rat haus von Grund auf erneuert, vor den Mau ern der Stadt richteten eisenverarbeitende Handwerksbetriebe ihre Werkstätten ein. 1545 zählte man 15,1570 27 Eisenhändler. Vor allem aber begann ein schwungvoller Handel mit Italien, vornehmlich mit Venedig. Handelsgüter für Italien waren Eisen, Mes ser, Klingen, Rupfen, Färberröte, Holz, Wachs, Garn, Leder etc. Die Organisation lag in den Händen der,,venedigischen Han delsleute", die eine eigene Gilde bildeten.

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