Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 2, 1980

Weltkugel bzw. einen riesigen Reichsapfel gestützt, mit der rechten seinen Segen er teilt. Hinter dem Strahlenkranz ist das Gezweig des Baumes sichtbar; selbstverständlich nicht mehr das ursprüngliche. In einem ausgesparten Raum unterhalb schwebt In einem kleinen Strahlenkranz die Heilig-Geist-Taube über dem Geschehen. Die dritte göttliche Person, Christus, befin det sich über dem Tabernakel im dritten, zierlichsten Strahlenkranz; deutlich hervor gehoben durch die mit einem Rocaillerahmen versehene Rückwand. Sie und der Gnadenschrein dürften jünger sein als der übrige Altaraufbau. Das Kindlein selbst, ganze zwölf Zentimeter groß und aus Wachs, zieht alle Blicke ma gisch an. Es scheint dem Betrachter seine Marterwerkzeuge vorzuzeigen: Kreuz und Dornenkrone. Genauso ist es auf den noch vorhandenen Votivbildern zu sehen, zum Beispiel auf ei nem, das heute noch im Bummerlhaus zu Steyr, Stadtplatz 32, gezeigt wird, unseres Wissens in der ehemaligen Hauskapelle. Es stammt aus dem Jahre 1757 und zeigt den Hof des Bummerlhauses. Aus einer Dach luke droht ein Kind herabzustürzen, zwei Frauen, vermutlich Angehörige der Familie Sommerhuber (damalige Besitzer des Hau ses), mit Rosenkränzen kniend in anbeten der Haltung. Über der Szene schwebt das Ghristkindler ,,Kindl" mit Kreuz und Dornen krone. Zurück zum Hochaltar! Über 45 Engel (vom großen bis zum Puttenkopf) umgeben und umschweben die wundertjare Szenerie. Pfarrer Konsistorialrat Alois Hart! (gestor ben 6. September 1977), dem Christkind! Lebenswerk und -aufgäbe gewesen ist, er zählte dem Verfasser einmal von einem Be sucher aus den USA, der unbedingt einen Engel (gegen gute Barzahlung) kaufen woll te, mit der Beruhigung für den Pfarrherrn, es seien dann ohnehin noch genügend da. Es braucht wohl nicht betont zu werden, daß Pfarrer Hart! dem Kaufgesuch nicht näher getreten ist. Der Tabernakel zeigt die Form einer Welt kugel, eine wahrhaft barocke Idee. Dieses Behältnis kam später (um 1756) anstatt ei nes herzförmigen Tabernakels auf den Hochaltar. Auf der vergoldeten Kupferkugel, geschaffen von dem bodenständigen Handwerker Josef Hiebler aus ünterhimmel, erkennen wir von vorne deutlich die Umrisse des ,,Schwarzen Kontinents", wem das noch nicht genügt, der kann AFRIKA sogar lesen. Auf dem Tabernakel liegt das Buch mit den Sieben Siegeln (als Ausset zungsthron), darauf das Lamm aus der Of fenbarung des Johannes. Möglicherwelse stammt die Idee zum gan zen herrlichen Altarwerk von Jakob Prandtauer selbst, zeltmäßig wäre dies ohne wei teres denkbar. Die Ausführung wird dem Florianer Bildschnitzer Leonhard Sattler, von dem das berühmte Türkenbett im Stift St. Florian (Prunkstück bei der Ausstellung ,,Groteskes Barock" im Stift Altenburg 1975) stammt, zugeschrieben. Eine Verbin dung Prandtauer-Sattler von St. Florian her ist nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher anzunehmen. Die beiden Seitenaltäre sind älter als der Hochaltar. In der rechten Apsis steht der Kreuzaltar mit einem Altarfc)latt von Karl Loth, der als Carlotto besser bekannt ist, bei dem der berühmte Garstner Stiftsmaler Jo hann Carl von Reslfeld in Venedig studiert hat. 1710 erwarb Abt Anselm dieses pracht volle Bild mit der Kreuzigungsszene. Anstelle des Tabernakels (1802 aus der aufgelassenen Steyrer Kapuzinerkirche nach Christkind! gelangt) befand sich einst eine Nachbildung des ,,Heilands an der Geißelsäule", also des Gnadenbildes von der bayerischen Wieskirche. Standfiguren des hl. Petrus und der hl. Veronika sind links und rechts vom Altarbild angeordnet. Das Bild des Marienaltares gegenüber stammt aus der Werkstatt Reslfelds. An stelle des Tabernakels befindet sich ein spätbarocker Schrein mit einer ,,Maria mit Kind". Die Standfiguren links und rechts: hll. Joachim und Anna, die Eltern Mariens. Die Tafeln wurden 1712 nach Christkind! gebracht und mit ausladenden Akanthusrahmen eingefaßt. Diese stammen aus der Garstner Werkstätte, die Plastiken von Mei ster Marian Rittinger persönlich. Nachdem sich unser Blick von der schönen, vergoldeten Kanzel (1751), deren Schall deckel der Erzengel Michael bekrönt, gelöst hat, kann auch die übrige Ausstattung mit Muße betrachtet werden. Es fällt auf, daß im Gegensatz zur prunkvol len Einrichtung die Gestaltung des Raumes fast sparsam zu nennen ist: glatte Wände, bescheidene Gesimse und zurückhaltende Pilaster. Ein Grund hiefür mag wohl in der Tatsache liegen, daß die Wände den Votivgaben und -tafeln vorbehalten waren, die heute aller dings fast ausnahmslos verschollen sind. Die Halbkuppeln der Konchen sind zart aus gemalt, das Wort Gottes auf von Engeln ge haltenen Spruchbändern ist am auffallend sten. Das Kuppelfresko, durch den ungewöhnlich hohen Tambour weit entrückt, zeigt eine seltsame Darstellungsform der Himmelfahrt Die Ortschaft Christkind! bei Steyr, wie sie ein Laienmaler des Biedermeier sah. Original im Heimathaus Steyr Aufnahme: Kranzmayr Mariens. Durch die starke Hell-Dunkel-Tönung hat man den Eindruck, als stehe der ,,Himmel" tatsächlich offen. Alt- und neutestamentliche Personen ,,blicken" von einer niedrigen Scheinbalustrade auf den Be trachter herab. Lange kann man in der Kirche verweilen, besonders um die Weihnachtszeit, wenn der zeitgemäße Schmuck (Nadelbäume, Krippe etc.) uns in eine richtige Stimmung versetzt, in der wir zum Geheimnis um die Geburt Christi ein neues Verhältnis gewinnen - ein höchst romantisch-gläubiges. In diesem Sinne begegnet man in Christkind! kaum mehr Wallfahrergruppen, sondern Einzel pilgern, die zu höchstpersönlicher Andacht in irgendeinem Anliegen die Kirche aufsu chen. Wir verlassen jetzt die Kirche, weil es ja in Christkind! noch mehr Weihnachtliches zu sehen gibt. Lenken wir unsere Schritte über die Pfarrhofstiege hinauf zur alten Schule, die längst ausgedient hat, vorbei am ,,vorsertlschen" Gnadenbrunnen, der 1720 ge faßt worden ist, zu einem neu adaptierten

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