Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 2, 1980

Christkindl — romantischer Weihnaohtsort an der Steyr Helmut Grassner Als der Steyrer Stadtthurnermeister Ferdi nand SertI, als solcher war er zuständig für die Kirchenmusik und die Feuerwache vom Kirchturm aus, eine private Wallfahrt in die Umgebung Steyrs begann, um Erlösung von seinem Leiden, er dürfte Epileptiker gewe sen sein, zu erflehen, wußte er sicher nicht, daß er damit den Grundstein zu einem welt bekannten Gnadenort legte. SertI war 1691 von Melk nach Steyr gezo gen, um hier bis 1725 zu leben und zu wir ken. In einer einsamen Waldgegend hart am Rand des Steilabfalles zur Steyr befestigte er an einer Fichte ein Bild der eiligen Familie - zu seiner persönlichen Verehrung und gewissermaßen als eigenes Wallfahrtsziei. Später muß er erfahren haben, daß sich im Steyrer Coelestinerinnenkloster eine wun dersame Heilung zugetragen hatte: eine Chorschwester namens Maria Elisabeth Parangin, seit Jahren gelähmt, verehrte eine kleine, zwölf Zentimeter große Wachs figur des Göttlichen Kindes, welche sie von einer verwandten Karmeliterin aus der Stei ermark erhalten hatte. Am Pfingstdienstag des Jahres 1648 geschah dann das Wun der: Maria Elisabeth konnte plötzlich gehen und gesundete völlig. Ferdinand SertI hörte von dem Ereignis und erbat sich von den ehrwürdigen Frauen aus der Steyrer Berggasse (das ehemalige Stadttheater war bis ins 18. Jahrhundert Klosterkirche der Coelestinerinnen) so ein ,,Christkindl"- und erhielt auch prompt eine Kopie dieses neuen ,,Gnadenbildes", das er in einer Höhlung des Fichtenbaumes ver barg und bei seinen frommen Gesängen verehrte. Auch der gläubige Thurnermeister wurde geheilt. Die Kunde davon dürfte sich rasch verbreitet haben, so daß ein großer Zulauf einsetzte. 1699 wurde schließlich um den Fichten baum eine Kapelle aus Holz errichtet. Als Erbauer ist ein Bauer namens Rahofer aus St. Ulrich überliefert, der die Kapelle zum Dank für die Gesundung seines auf den Tod kranken Kindes stiftete. Votiv- und Opfergaben häuften sich, so daß Abt Anselm I. Angerer von Garsten den Bau eines größeren Sakralbaues erwägen muß te. Natürlich konnte Abt Anselm nicht allein über einen Kirchenbau befinden. Ein Ansu chen an den Bischof von Passau zeitigte zu nächst jedoch nur den Erfolg, daß eine Schutzmauer um die Gnadenstätte bewilligt wurde. 1702 errichtete der Abt eine Einsiedelei ,,zur Bewachung" des vielbesuchten Ortes. In diesem Zusammenhang ließ er gleich auch einen Kirchenbau beginnen, vielleicht um Passau vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ansicht von ,,Christkindl mit Unterhimmel" nach einer Zeichnung von K. Langer in ,,Hei matkunde von Steyr Historisch-topographische Schilderung der Bezirke Steyr Stadt und Land . . ." Verfaßt u. hrsg. v. Anton Rolleder, Steyr 1894 Die Begründung der Einsiedelei wird nach Gugitz in der Legende einem protestanti schen Soldaten aus Steyr in die Schuhe ge schoben. Im Traum sei diesem mehrmals das ,,Christkindl" mit der Aufforderung er schienen, beim Heiligtum Eremit zu werden und dieses zu pflegen. Das Ordinariat rea gierte 1703, indem es den Weiterbau verbot und die Transferierung des Gnadenbildes In eine andere Kirche, wahrscheinlich in die Stiftskirche, verfügte. Sicherlich war man bestrebt, nicht noch eine Kultstätte auf kommen zu lassen. Vermutlich hätte es je doch in der Umgebung Christkindls einen Aufstand gegeben, wäre Abt Anselm dieser bischöflichen Weisung buchstabengetreu gefolgt. Eingabe folgte auf Eingabe, Unter suchungen wurden durchgeführt - bis schließlich fünf Jahre später - 1708 - die Genehmigung zum Weiterbau erteilt wurde. Abt Anselm legte persönlich den Grundstein zu der Wallfahrtskirche, um die er jahrelang einen erbitterten Kampf geführt hatte. Die erste heilige Messe konnte am Michaelstag des Jahres 1709 gefeiert werden: eine Primiz. Die Predigt hielt ein Mann, dessen Name mit Christkindl untrennbar verbunden ist: Pater Ambros Freudenpichl; sein Thema: ,,Und wahrhaftig Gott ist an diesem Ort." P. Ambros war der erste Superior Christ kindls. Die Erhebung des neuen Wallfahrts ortes zum Superiorat spiegelt den Zulauf wider, der Christkindl jahrelang zuteil ge worden ist. Dies erklärt auch die enorme Größe des heutigen Pfarrhofes, der oftmals eine stattliche Anzahl von Geistlichen, Mes selesen und Beichtvätern aufnehmen muß te. P. Ambros schuf sogar ein Mirakelbuch, wie es In anderen Wallfahrtsorten üblich war. Daraus erfahren wir manches über die ein stige Bedeutung Christkindls: so wurden 86 Heilungen verzeichnet, von 1709 bis 1712 wurden 22.499 (!) Kommunionen gespen det, und schießlich konnten 1724 24.000 Pilger verzeichnet werden. Außerdem wa ren bis 1712 bereits über tausend Votivbilder und an die 100 Silbervotivgaben gestif tet worden. in diesem Zusammenhang darf nicht über sehen werden, daß Christkindl auch eine Art Quellenkuit aufweist. Lange vor den Aktio nen Ferdinand Bertis wurde bereits eine Quelle aufgesucht, der das Volk Heilkraft zuschrieb. Nach Gugitz war die ,,Heilquel le", heute natürlich gefaßt (das Wasser fließt aus der Seitenwunde eines ,,Christkindls"), bereits um 1620 bekannt. Nun aber zum Kirchenbau! Freudenpichl überliefert in seinem Mirakel buch Johann Carlon (Giovanni Battista Carlone) bzw. ab 1708 Jakob Prandtauer, den ,,Maurermeister aus Tirol", als Baumeister. In vielen Schriften wird hingegen Carlo An tonio Carlone als Schöpfer Christkindls be zeichnet (bis 1708, seinem Todesjahr). Es kann nicht Aufgabe dieses Aufsatzes sein, den Nachweis zu führen, welcher der beiden Brüder nun der erste Baumeister Christ kindls war. Durchaus möglich, daß Giovanni Battista die Pläne verfaßt und Carlo Antonio den Bau ausgeführt hat. Als Dokument be steht jedenfalls Freudenpichls Schrift mit dem Namen des vornehmlich als Stukkateur bekannten Giovanni Battista. Andererseits schreibt Johann Sturm, daß Carlo Antonio ,,urkundlich . . . wieder anläßlich der Errich tung der Wallfahrtskirche Christkindls bei Steyr im Jahre 1702" aufscheint. Das Vorbild des kleinen Zentralbaues könnte das römische Pantheon, Santa Ma ria Rotonda, sein.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2