Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 2, 1980

Das Steyrtal — IMatur- und Kulturbild einer lieblichen Landschaft Carl Hans Watzinger Man nennt das Tal des Steyrflusses lieblich im Gegensatz zum Ennstal, das allgemein als herb angesehen wird. Ist es wirklich so? Es sind immer wieder die Menschen, die Landschaften gestalten, ebenso wie sie es sind, die heile und unheile Welten nach sich ziehen. Derlrugschluß, daß allein die Natur unsere Tätigkeiten lenke, hat begrenzten Spielraum. So gibt es überail liebliche und herbe Gegenden, ohne daß die Natur dazu ihren Segen gegeben hätte, wie zum Bei spiel da, wo Bergwerke und In ihrer Nähe Fabriken entstanden sind. Meist ist es auch so, daß das Liebiiche oder Herbe nur über wiegt. Das Steyrtai ist ein Nebental der Enns, wie Geografen es bezeichnen; auch das führt zum Lieblichen eines Landstriches. Neben täler sind vielfach geschlossener als Haupt täler, vor allem was den Verkehr auf ihren Wegen und Straßen anlangt. Das macht sie besonders für den Wanderer, der sie durch quert, auch stiller und daher freundlicher, in erster Linie für den Großstädter, der sonst mehr Lärm an sich heranlassen und erfah ren muß, als seinem Korpus und daher sei ner Bequemlichkeit und seinem Gemüt lieb ist. Manchmai, wie beim Steyrtai, trägt auch seine Ausdehnung in ein breiteres Land stück mit dazu bei, daß iandschaftliche Freundiichkeiten entstehen, die nicht nur das Auge, sondern auch das Gefühi auf nehmen kann. Gewisse Bauten, so Kirchen mit ihren eingeschiossenen Schätzen einer unsterblichen Kunst, zählen ebenfalls zu den Merkmalen lieblicherTäler, selbst wenn sie, etwa durch hohe Berge, eher herben Charakter haben. Aber das Wissen von der - um nur ein Beispiel aus dem Steyrtai zu erwähnen - großartigen Schutzmantel- und Rosenkranzmadonna in Frauenstein hellt In uns plötzlich ein langgezogenes Flußtal, so sehr es innerhalb der politischen Grenzen eines Landes bleibt, wie ein starkes Licht schier taghell auf. Es bedürfte also, so könnte man, wenn introvertiert an rein greif bare oder sichtbare Gegenstände herange gangen wird, mit Fug und Recht sagen, gar keiner Anstrahlung einer solchen Kirche bei Nachtbeginn, um auf künstlerische Raritä ten aufmerksam zu machen, denn sie haben ihr eigenes Licht, das man suchen gehen muß. Entdeckerfreuden warten überall, na türlich auch im Steyrtai. Der Steyrfluß entspringt im Toten-, genauer im Sengsengebirge, das mit dem Hohen Nock seinen bekannten und beliebtesten Berg hat, oder doch den bekanntesten für die Oberösterreicher, den sie bereits als Schüler bei Maiausflügen kennenlernen, der in der nunmehr tausendjährigen Stadt Steyr Heranwachsende vor anderen. Ver folgen wir einmal den Lauf dieses Steyrflus ses, dessen Wasser immer noch tiefgrün ist, eigentümlicherweise dort am stärksten, wo es gestaut ist für das Kraftwerk Klaus. Schon vor vielen Jahren ist es hier zu einem Stausee für ein Kraftwerk gekommen, der mit seinem Spiegel höher liegt als das Werk selbst, ein wundersames Wasserschauspiel nach wahren Canonbildungen der Ufer, die für Oberösterreich einmalig sind. Ein zu sätzliches Staunen erweckt die ins hohe Wasserwehr eingebaute Fischieiter mit den zur Laichzeit auf ihr sich hinausschnellen den Fischen, Forellen! Wenn dann zur Fischzeit noch die Angler in Booten ein Bild inmitten dieser seltsamen Landschaft in Mi niatur erstehen lassen, wie es Hermann Hesse in seinem Eheroman ,,Roßhalde" in geballtem dichterischem Wort gezeichnet hat, gewinnt dieses hervorstechende Stück des Steyrtales einiges an Unvergeßiichem hinzu. Längst bevor der Steyrfluß Klaus und Steyrdurchbruch, wie dieses frühe Kraftwerk heißt, erreicht, ist er an das Rund des Hinter und Vorderstodertales gelangt, an diesen Kessel, der Spitzmauer, Warscheneck, Bosruck und Großen Pyhrgas zu seinen Wächtern hat. Er durcheilt das Gebiet mit seinen alten Bauern- und Handwerkerhäu sern, die noch, besonders die letzten, ihre Namen von ihrem früheren Gewerbe herlei ten, Namen wie beispielsweise Schmied leithen. So hat aber auch der frühere Sen senschmiedehammer in Leonstein gehei ßen, dessen sogenanntes Herrenhaus mit Ziergarten noch an die hohe Wohn- und Lebenskuitur der Besitzer erinnert. Die Wäch ter des Hinter- und Vorderstoderraumes sind der Große und der Kieine Priel, die mit ihrer Höhe den eigentlichen natürlichen Wachtturm Oberösterreichs, den Traun stein, bedeutend überragen. DerTraunstein liegt allerdings so günstig in der Gegend, daß er von überallher zu sehen ist, und so kommt es, wie häufig bei den menschiichen Begriffsverwirrungen, daß ihm das Prädikat des Landeswächters zuerkannt wird, wäh rend ihn dazu in Wirkiichkeit nichts als seine Lage erhebt. Eigentlich begleiten die längste Zeit und Strecke nur höhere Berge den Steyrfluß. Im Schutz dieses Sengsengebirges nimmt es den Teichibach auf. Im Volksmund bloß Teichl genannt, weil sich der Volksmund stets mit der knappsten, wenn auch durch aus ausreichenden Bezeichnung begnügt. Der Steyrursprung im Talschluß von Hinterstoder Aufnahme: H. Pilz Der Klauser Stausee, neues Naturschauspiel Im Steyrtai Aufnahme: H. Pilz

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