Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 1, 1980

Hallstatt — eine Impression Rudolf Lehr ,,Hallstatt, sagte der Wirt, und er hatte recht, dreifach recht, Hallstatt ist bei jedem Wetter eine Merkwürdigkeit!" Ich weiß nicht, ob Wilhelm Baabe diesen Wirt für seine Erzählung ,,Keltische Kno chen" erfunden oder ob der Dichter diesen oder einen ähnlichen Satz wirklich gehört hat bei seinem Aufenthalt in Hallstatt. So oder so ist es eine sehr hailstätterische Ant wort, bezeichnend für die Art, in der die Hallstätter ihre Heimat sehen; Eine Merkwür digkeit - da ist nichts zu spüren vom Auf trumpfen eines Fremdenverkehrsmanagers unserer Tage. Andererseits schwingt aber auch sehr viel Selbstbewußtsein mit und in aller Bescheidenheit die Gewißheit, daß es doch etwas ganz Besonderes ist, dieses Hallstatt. Merkwürdig, In der wörtlichen Bedeutung von des Merkens würdig, ist vieies in Hall statt. Der kulturträchtige Boden, der einer ganzen Epoche der Menschheitsgeschichte den Namen gab, die Kunstschätze in Ver gangenheit und Gegenwart, der Salzberg bau, der sich von der Urgeschichte bis heute kontinuierlich verfolgen läßt. Merkwürdig ist vor allem aber auch - und nur davon soll In diesem Beitrag die Rede sein - die Land schaft. In keinem Reiseführer und keinem Lexikon fehlt der Name Hallstatt und wer Hallstatt liest oder hört, denkt an dieses Bild: Der stille Gebirgssee, dahinter der mächtige Hochwald und der über steile Felsen brau sende Wasserfall. Am Seeufer der schlanke Turm der evangelischen Kirche, hoch dar über die auf dem schmalen Felsvorsprung hockende katholische Kirche, zwischen Berg und See die aufeinandergeschachtelten Häuser. Ein unbestechlicher Zeuge bei der Wahr heitsfindung über die Merkwürdigkeit Hall statt ist der Autor dieses Beitrags freilich nicht, das gilt es nun zu bekennen. Würde die Schönheit einer Landschaft gerichtlich überprüfbar sein, müßte ich als befangen abgelehnt werden. Denn Ich bin verführt worden vom Zauber dieses Ortes, Hals über Kopf verliebt in jeden seiner Winkel, ver wandt und verschwägert mit jedem Gipfel der Berge, die Hallstatt umgeben, schließ lich sogar vorbestraft mit verschiedenen Publikationen, in denen unmißverständlich zum Ausdruck kommt, daß ich Hallstatt für das Schönste halte, was der liebe Gott ge schaffen hat. Darum, und nicht aus Bescheidenheit, möchte ich meine Ansichten über die Vision dieser Landschaft vorläufig zurückstellen und neutrale Beobachter zu Wort kommen lassen: ,,Wenn man etwas bei einer Salzkammer gutfahrt nicht versäumen darf, dann HallminI ■.?- S Isidor Eng! (1832-1918), Mitbegründer des Musealvereines Hallstatt und erster Kustos des Hallstätter Museums, hat neben seiner unermüdlichen heimatkundlichen Arbeit in einer Vielzahl von Aquarellen auch das Ortsbild des alten Salinenmarktes liebevoll festgehal ten. Vor einigen Monaten konnte dieser wert volle topographische Bestand für das Hallstät ter Museum erworben werden. Während der Hallstätter Kulturwochen vom 19. Juli bis 10. August 1980 ist über ihn eine Ausstellung geplant. Fotos: Maximilian Singer Statt. Es ist einmalig, es nimmt gefangen." (Walter-Reiseführer, 1975). ' ,,Die Geheimnisse der Geschichte, die Ro mantik der Gebirgsseelandschaft, das ge drängte mittelalterliche Bild des am Berg hang klebenden Ortes, der jahrhunderte lang nur über den See erreichbar war, und Werke der Kunst üben starke Anziehungs kraft aus." (Reclams Kunstführer, 1974). ,,Die grandiose Bergwelt (der Dachstein!), die gewaltigen Höhlen (Rieseneis- und Mammuthöhle), der malerische Ort mit sei nen Kunstdenkmälern, zwei sorgfältig auf gebaute Museen und last not least das Bergwerk machen es verständlich, daß Hallstatt Im Tourismus eine führende Rolle spielt." (Knaurs Kulturführer, 1977). ,,Der Platz zwischen Bergwand und Seeufer ist so schmal, daß, wo die Häuser am Ufer mit Pfählen einige Meter eroberten, nur ein idyllischer Miniaturmarktplatz entstehen konnte." (DuMont-Kunst-Reiseführer, 1978). ,,Auf allen Wegen im Ortsbereich von Hall statt begegnet man noch der von den Reise schriftstellern und Dichtern des vergange nen Jahrhunderts gepriesenen Romantik des alten Bergmannsortes, dessen typi sches Aussehen im wesentlichen bis in die Gegenwart erhalten blieb. Überall führen Wege und Gäßchen gleichsam in die Ver gangenheit . . ." (Salzkammergut-Führer von Karl Pilz, 1979). Stichwort Vergangenheit. Da wimmelt es nur von begeisterten Hallstatt-Besuchern: ,,Nun wird Ihre Hand ergriffen werden vom unwillkürlichen Drange, zu zeichnen. Sie werden sich für die Ewigkeit die Bilder auf bewahren wollen, die Ihre Sinne bezauber ten und Ihre Seele erfüllten." Diese Worte notierte einer der ersten Entdecker des Salzkammergutes, der Mediziner, Botaniker und Schriftsteller Joseph August Schultes bei seinen ,,Reisen durch Oberösterreich in den Jahren 1794, 1795, 1802, 1803, 1804 und 1808", wie der Titel des Buches lautet. In dem diese Sätze nachzulesen sind. ,,Mahlerische Schiiderungen des Salzkam mergutes In Oesterreich ob der Ens" oder „Die österreichische Schweiz" nannte Franz Sartori sein 1813 erschienenes Buch, in dem sich diese Beschreibung Hallstatts findet:,,So sonderbar, wie Hallstatt gelegen ist, hatte ich bisher noch keinen Ort gese hen. Die Häuser scheinen nur an dem stei len und schmalen Ufer zu kleben." Sartori schwärmte schließlich noch, daß hier in Hallstatt ,,die Natur selbst ihre Schönheiten ausstellte". Dagegen jammerte der schon erwähnte Wilhelm Baabe In Hallstatt,,Trep pen, Treppen, Treppen! Hinauf, hinunter, hinauf!" und konstatierte schließlich: „In keiner Stadt der Erde muß es so gefährlich sein, sich einen Rausch zu trinken, wie hier." Bei Wilhelm Baabe ist die Rede auch vom Wetter, das es ja im Salzkammergut nicht immer gut meint mit den Besuchern, aber wie gesagt, ,, Hallstatt ist bei jedem Wetter eine Merkwürdigkeit". In einer Live-Sendung im österreichischen Rundfunk, in der ich vor wenigen Monaten

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