Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 1, 1980

Historische Kunst Meister Asti als Persönlichkeit und als kunsthistorisches Problem Ekkart Sauser Im Jahre 1846 besuchte Matthias Koch of fenbar auch die Hallstätter Pfarrkirche, be trachtete genau den im rechten Chor ste henden spätgotischen Flügeiaitar und be merkte darüber in seiner ,,Reise in Ober österreich und Salzburg, auf der Route von Linz nach Salzburg, Fusch, Gastein und Ischl: Genaue Besichtigung und Durchfor schung des ganzen Werkes führte uns zur Entdeckung des bisher unbekannten Na mens des Künstlers. Unter zahlreichen kur zen Bibelsprüchen, welche meist im Falten wurf der Gewänder sehr flach eingeschnitzt sind, erscheint eben dort bei der Vorstellung der Beschneidung der Name Leonhard Astl. Die österreichische Kunstgeschichte wird Ursache haben, sich mit diesem Namen zu bereichern. Jahreszahl findet sich keine, aber das ganze Erzeugnis trägt das Merk mai der Entstehung in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts." Wenn auch der Taufname des Astl falsch gelesen wurde und die Datierung seines Hauptwerkes sicher viel zu früh ist-als Ent stehungszeit des plastischen Teiles ist der Zeitraum zwischen 1519-1521 anzunehmen^ -, so ist es doch Koch gewesen, der zum ersten Mai diesen Altar mit einem Künstlernamen verbunden hat und darüber hinaus den Kunsthistorikern bis in unsere Tage hinein die Möglichkeit bot, eine große Anzahl von Werken ähnlicher Gestaltungs art mehr oder weniger eng mit einem Perso nennamen in Verbindung zu bringen. Er hat mit seinem Hinweis auf diesen Namen gleichsam eine Art von Namensheimat ge schaffen, bei deren Nennung Kunsthistori ker aus österreichischen Landen sofort an ganz bestimmte stilistische Merkmaie den ken, wie etwa energisch ausgebildete Kinn laden, eingefallene Wangen, starke Bakkenknochen, Nase, Labiaifalten, schwer überliderte Augen, niedrige Stirne, Korkzie herlocken und knapp herangenommene Arme^. Eine intensivere Auseinandersetzung mit Astl und seinen vielen Werken, vor allem durch Vergleich mit dem Hallstätter Marien altar, erfolgte aber erst In den dreißiger Jah ren, vor allem seit 1938. Gelehrte, wie H. Decker, K. Garzarolli-Thurniackh, K. Holter, F. Kieslinger, G. Kodolitsch und F. Morton haben sich hier große Mühe gegeben^. In meiner kunsthistorischen Doktorarbeit an der philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck konnte ich 1956 vielfach auf die sen Forschungsergebnissen aufbauen, ohne daß dadurch das „Asti-Probiem" in der Weise gelöst werden konnte, daß nun ganz klar wurde, wer also dieser ,,Asti" vom Beschneidungsreiief des Hallstätter Altares wirklich war. - Daher hat sich Benno Ulm zusammen mit Otfried Kastner 1958 in ei nem sehr lesenswerten Buch: ,,Mitteiaiterliche Bildwerke im oberösterreichischen Landesmuseum" erneut mit dieser Frage beschäftigt. Fazit: ,,Lienhart Asti ist keine kunsthistorische Persönlichkeit, sondern ein Problem. Seit 1938 wurde unter diesem Namen ohne Rücksicht auf Stil, Qualität und Technik ein großes Werksverzeichnis ge sammelt. Das Typische der Physiognomie, immer wiederkehrende Eigenarten der Pro portionen, des Gesichtsschnittes, der Hän de, der Draperien (besonders der Ärmel), der Haarbildung usw. genügten als Grund lage der Zuweisung an einen Namen, der bei kritischer Untersuchung selbst proble matisch ist"." Diese Problematik erläutert Ulm durch einen Vergleich der Hauptfiguren Maria mit Christuskind, Katharina, Barbara im Schrein des Hallstätter Aitares mit den Gesprengefigu ren, den Schreinwächtern und den Fiügelreliefs. In der Tat: Man muß qualitativ und stiimäßig die Schreinfiguren von den Fiügeireiiefs unterscheiden; dies betrifft den zwer genhaften Charakter in Körpergröße und den Ausdruck der Gesichter, durch den die Figuren sehr wohl sich von den Schreinpla stiken unterscheiden. Auch die Formen der Gewänder und der einzelnen Körperteile sind vielfach etwas plump ausgeführt. Die Gesichtszüge verraten eine schemenhafte, unoriginelie, manchmal sogar etwas skla visch anmutende Art der Ausführung. Das Ergebnis dieser Feststellungen kann nicht anders lauten als: hier haben wir es mit Ge sellenarbeit zu tun. Was bedeutet dies aber nach Ulm für die Wertung des Namens ,,Astl" gerade inmitten von Geseiienarbeit? Die Antwort lautet: ,, Durch diese Charakte ristik wird doch ganz deutlich der Qualitäts unterschied zum Hauptmeister beschrie ben, wenn auch in manchen Detailssein An teil zu sehen ist. Vor allem aber wird die fast bedingungslose Unterordnung der Mitarbei ter in psychologischer und inkonographischer Hinsicht klar, die auch die vielen Werke unterschiedlicher Qualität im Ge samtoeuvre erkennen lassen. Dagegen ist den Gesellen eine gewisse Freiheit im Gewandstii geblieben. Für ihr Schaffen, das im wesentlichen mehr schematischer Natur war, mußte die Werkstattüberlieferung als Richtschnur gelten. . . . durch diese Unter suchung erhält die Inschrift auf dem Be schneidungsreiief einen anderen Aussagewert=." Ulm will mit diesen durchaus zu beachten den Feststeilungen wohl zum Denken in fol gende Richtung hin anregen: Wenn der Meistername auf einem Relief vorkommt, das sicher nicht Meisterarbeit darstellt, son dern Gesellenstück ist, dann wird man mit der Zuweisung von anderen Werken, die eine Ähnlichkeit mit diesen Reliefs aufwei sen, wohl sehr vorsichtig sein müssen. Dies will näherhin heißen: Es bleibt in solchen Fällen höchst fraglich, ob wir es mit einem Werk des Meisters Asti selbst zu tun haben oder ob hier nicht viel eher von der Werkstatt Astls zu sprechen ist. ich stimme daher nach vielen Jahren doch Ulm zu - und zwar im Unterschied zu meinen Ausführungen aus dem Jahre 1965®-, die da lauten: ,,Es wird also auch in Zukunft richtig sein, mit dem Namen Asti nicht einen Meister zu bezeich nen, sondern das Typische eines Ausdrucks und eines immer wieder fast sklavisch ge brauchten Formenschatzes: Den Stil einer bestimmten Werkstatt (Gampern, Haiistatt)^." Damit sind meine Darlegungen überholt: ,,Bis jetzt allerdings erscheint es nicht notwendig, von der aligemeinen An schauung abzugehen, die Inschrift Asti auf dem Beschneidungsreiief des Hallstätter Marienaltars sei der Name einer Künstierpersönlichkeit, unter deren Namen auch viel Geseiienarbeit zusammenzufassen sein dürfte®." Nun stellt sich die Frage nach einem mögli chen Werkstattsitz des Asti-Typs, nicht, wie ich früher formulierte, ,,des Meisters Asti" s. Die größte Chance für Richtigkeit kann wohl der Hinweis auf Gmunden bzw. auf das Seengebiet des Salzkammergutes für sich in Anspruch nehmen^®. Dies kann zunächst von der Namensforschung her gesagt wer den. Die Namen ,,Aster", ,,Astelwang", ,,in den Asteibag", ,,Asteimühle" sind in diesem Gebiet häufig anzutreffen. Um das Jahr 1603 wird in Znaim sogar ein Maler Leopold Astl erwähnt. Es dürfte sich bei diesem Asti wahrscheinlich um einen aus dem Salz kammergut zur Zeit der Reformation aus gewanderten Künstler handein". Daß auch in Kirchdorf, Bezirk Kitzbühei, Erzdiözese Salzburg und im Gebiet des Dekanates Brixen im Tal, Erzdiözese Salzburg, der Fami lienname Asti häufig auftritt, bedeutet nichts gegen die Beweiskraft der Tatsache des Auftretens dieses Namens im Saizkammergut, näherin um Gmunden. Denn diese Be weiskraft ergibt sich erst aus der Tatsache, daß in Gmundens Umgebung eine Anhäu fung von Werken des Asti-Typs zu registrie ren ist, daß bereits im 14. Jahrhundert für Gmunden Bildschnitzer erwähnt werden und in einem Visitationsbericht aus dem Jahre 1604 über die Stiftspfarren von Kremsmünster von Abt Alexander a lacu ein Altar in Vorchdorf erwähnt wird, dessen Meister als ,,Biltschnitzer zu Gmunden" ge nannt wird. Teile von diesem Altar finden sich noch heute in den Stiftssammiungen

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