Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 1, 1980

Abb. 7: Zwei Körpergräber, das linke mit irriger Grabnummer 573 statt 570. Ausschnitt eines Aquareliblattes aus dem Tafeiband zum Grabungsprotokoli Ramsauers für das Wiener Münz- und Antikenkabinett, 1862/63. Foto: Prähistorische Abteilung im Naturhistori schen Museum Wien Stellt, wobei der Text allerdings nicht völlig mit der ältesten Dokumentation überein stimmt; offensichtlich hat Ramsauer diesen Teil nach seinen ersten, vielieicht noch recht flüchtigen Notizen in nicht ganz geglückter Weise neu gestaltet. Wie schon 1847 über ließ er die Ausführung der Jahresberichte geübten Zeichnern und Schreibern aus dem Kreis der Salinenbeamten. Auch diese Do kumentation ist in mehreren, leider nicht vollständig erhaltenen Fassungen belegt; die erhaltenen, meist sehr qualitätvollen Il lustrationen (Abb. 6) ergeben eine kom plette Reihe, für die Jahre 1851 bis 1854 fehlt allerdings der Textteil. Noch während des letzten Jahres dieser Pe riode entschied sich Ramsauer schließlich für eine völlige Umsteliung der Dokumenta tion. Die Grabungen hatten nun weithin In teresse gefunden, und der Bergmeister brauchte repräsentative Alben als Ge schenke und für den Verkauf an Privatper sonen und Institutionen. Geschäftstüchtig war er immer schon gewesen, und gegen ehrende Auszeichnungen hatte er ebenfalls nichts einzuwenden. So entstand eine re gelrechte Werkstatt, in der die früheren Jah resberichte und die neu hinzukommenden Gräberbeschreibungen handschriftlich ver vielfältigt und die auf Großformat umgestell ten Aquarelltafeln unter Anwendung me chanischer Hilfsmittel (Nadeldurchstich) re produziert wurden. Wir dürfen uns vorstel len, daß Ramsauer selbst oder einer seiner Mitarbeiter jeweils nach ein oder zwei Gra bungskampagnen unter Heranziehung der inzwischen gewaschenen und restaurierten Fundstücke einen Auszug aus dem auf Empfehlung des Linzer Museums geführten Grabungstagebuch verfaßte, der dann mehrmals abgeschrieben wurde. Dabei kam es zu Schreibfehlern, Vertauschungen von Ziffern, Auslassungen, kleinen Eigenmäch tigkeiten der Schreiber usw. Ein Großteil der Unstimmigkeiten zwischen den einzelnen Fassungen läßt sich so erklären. Einige Fehler - leider nicht alle - hat Ramsauer In seiner unverkennbaren Handschrift korri giert. Aus den Berichten über die einzelnen Grabungsabschnitte wurde dann bei Bedarf eine vollständige Serie zusammengestellt und dem Empfänger überreicht. Ergänzun gen wurden nachgebracht, früher gelieferte Teile manchmal aus praktischen Gründen ausgewechselt. Einige dieser repräsentati ven Grabungsberichte, für die sich die Be zeichnung „Protokoile" eingebürgert hat und die noch bis vor wenigen Jahren die ein zige Quelle für die Rekonstruktion des Hallstätter Gräberfeldes darstellten, hat sich Ramsauer am Ende der Grabung kurzfristig zurückerbeten und einheitlich binden lasm '.L t / tf^\ I ' £ ... f f " 11 sen; manche sind erst nach 1863 ver schenkt beziehungsweise verkauft worden. Das von ihm seihst geschriebene Protokoll, auf das sich Kromer bei der Vorlage der Funde in erster Linie stützte, ist in manchem ausführlicher, dafür aber auch fehlerhafter als die anderen. Ramsauer dürfte es im Lin zer Ruhestand nach seinem Grabungsta gebuch neu formuliert haben. Die Tafelbände der Protokolle sind typologisch aufgebaut: sie sollen überblicksartig alle im Gräberfeld vorkommenden Bestat tungsarten (Abb. 7), Schmuckformen (Abb. 8), Waffentypen usw. zeigen. Eine Aus nahme bilden sieben Tafeln mit einer voll ständigen Dokumentation der in Anwesen heit des Kaiserpaares am 19. September 1855 und am 19. Oktober 1856 geöffneten, besonders reichen Gräber. Das allmähliche Anwachsen des Abbildungsteils auf insge samt 57 Tafeln läßt sich so wie beim Textteil gut verfolgen. Zwei Tafelbände, bei denen die Blattgröße unter Beibehaltung der Kom position wieder auf ein kleineres Format re duziert ist, sind als späte Fassungen anzu sehen. Für die Grabbeschreibungen und Illustratio nen der Protokolle bieten die älteren Be richte bis einschließlich 1854 eine gute Kontrolimöglichkeit. Sieht man von den Diver genzen bei den frühen Gräbern ab, so dürfte Ramsauer in diesen Jahren weitgehend sauber und verläßlich gearbeitet haben. Mit dem Aufhören der grabweisen Doku mentation wird die Beurteilung schwieriger. Anscheinend waren aber die ungenügende fachliche Betreuung durch das Wiener Ka binett und der zunehmende Ruhm, in dem sich Ramsauer sonnen konnte, seiner Kor rektheit auf die Dauer doch abträglich. 1855 und 1858 läßt sich das Verschenken von Funden an Private nachweisen, wobei die abgetretenen Stücke offensichtlich im Pro tokoll ausgelassen sind. Entweder hat sich Ramsauer also bei der Aufdeckung dieser Gräber nicht alle Objekte notiert und die Beigaben erst später nach den tatsächlich vorhandenen Stücken beschrieben, oder er hat das ihm offiziell nicht gestattete Ver schenken von Funden auf diese Weise zu vertuschen gesucht. Ähnliches gilt für seine Privatsammlung. Der wissenschaftliche

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