Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

brachte einen kleinen kupfernen Kessel mit Weihwasser und ein grü nes Zweiglein herbei, und ich kam gerade zurecht, ihr diese Dinge aus der Hand zu nehmen und mich dem Vetter auf dem Gang durch Haus und Hof, durch alle Kammern, Ställe und Scheunen anzu schließen. Er räucherte die bösen Geister aus und sprengte das ge weihte Wasser, um ihre Wiederkehr zu verhindern. Wolken von Weüirauchduft durchzogen das ganze Gehöft. Als wir in die Stube zurückkamen, stand die Magd vor dem Spiegel und probierte die neue Schürze. Sie hatte auch ein Paar Schuhe und ein Hemd bekom men.Das waren keine Weihnachtsgeschenke,sondern Dinge,dieihr nach altem Herkommen zustanden. Christbaum und Geschenke wa ren unbekannt im Hause der Muhme. Und bis Mitternacht galt der HeUige Abend als strenger Fasttag. Gehstdu jetzt mitdem Vetter hinaus? fragte sie mich.Ich wußtezwar nicht, wohin der Vetter gehen mußte,aber ich bejahte. Darm kriegst auch du einen Krapfen mit. Sie hatte im Rohr einige der am Nachmit tag gebackenen,tellergroßen Bauernkrapfen heißgestellt,jetztreichte sie dem Vetter einen, und ich fuhr schnell in Schuhe und Mantel, setzte die Pudelhaube auf, denn draußen blies ein scharfer Ostwind, wir hattenesim Hofeschon gemerkt,wie er an die Scheunentore pol terte,imd dann gab dieMuhmeauch mir einen goldbraunen Krapfen, von dem mir das Schmalz in die Hand tropfte, und sie reichte mir auch die Laterne und sagte, ich dürfe dem Vetter leuchten. Die Nacht war rabenschwarz, der Vetter ging voran, er fand jeden Weg auch im Stockfinsteren, weil er daran gewöhnt war, von den Wegen zu den Mädchen. Er ging durch den Baumgarten hinaus auf den Feldweg, und wo die junge Saat des Weizens unterm Schnee grünte, begann er, den heißen Krapfen langsam zu verzehren, und ich biß auch in den meinen,damit die künftige Ernte doppeltgutaus fiele. Wir stapften aber nur um das eine Getreidefeld, der Vetter nahm die Sache nicht mehr so ernst, und dann kehrten wir, vorbei an dem schwarzen Gehölz,das sich vom Schotterbruch heraufschob,zurück zum Hof. Als wir an dem Gehölz vorbeikamen, blieb ich hinter dem Vetterstehen,wandte mich um und flüsterte:Kommtherauf,ich reite mit euch, wenn ihr mich kriegt! Das war natürlich eine Herausforderung, die ich mir leisten konnte, weil ich sie selber nicht ganz ernst nahm; aber als darm hinter uns plötzlich ein heftiger Wirbelwind anhub und uns in eine Wolke von kristallhartem Schnee hüllte, die uns trieb und uns zugleich auch die Sicht raubte, da glaubte ich zwar auch nicht an eine Antwort aus dem Schotterbruch, aber ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Aufdem Tisch in derStubelagen jetztein großer,dunkelbrauner Laib Kletzenbrot und ein heller, goldbrauner Laib Weizenbrot. Störibrot, sagte die Magd.Der Vetter füllteim Keller den irdenen Krug mit Ap felmost, er holte die Hasche mit dem hausgebrannten Zwetschken schnaps aus der Kammer und die Schwester brachte die Gläser dazu und die Magd mußte eine Schüssel mit den duftenden Krapfen auf tragen. Die Muhme saß aufder Ofenbank,den müden Rücken an die warmen Kacheln gelehnt,und wachte darüber,daß ich vom Schnaps nur eine Kostprobe bekam, nicht mehr als ein Schnabelwetzen aus dem halbvollen Gläschen. Und sie wachte auch über die Magd,und als es spät wurde,als ans Fenster geklopft wurde und Burschen und Mädchenausden Nachbarhöfenzueinem Trunkkamen,oderum das Kletzenbrotzu kosten,weil sie ja neun verschiedenezusammenbrin gen mußten, da schickte die Muhme die Magd ins Bett und befahl auch mir,hinaufin dieKammerzu gehen und mich schlafenzulegen. Wir aber wollten in die Mette mitkommen,und der Vetter sagte ja, er wolleden Fuchseinspannen und mitdem Schlittenzum Münsterfah ren und wir dürften mit ihm fahren. Darauf erwiderte die Muhme nichts, aber sie empfahl sich bald und zog sich in ihre Schlafkammer zurück. Die Schwester des Vetters ging mit den Mädchen aus der Nachbar schaftin die nahe Dorfkirche,die Magd und ich fuhren mitdem Vet ter ins Stift. Wir saßen hinter ihm,zugedeckt mit schweren Pferde decken, den Platz neben sich hatte er frei gehalten, und es stellte sich bald heraus,für wen.Im Schein derLaternesahen wir den dampfen den Atem desPferdes wehen und das Läuten der silbernen Schellen sprang vor uns her, und das gleichmäßige Schleifen des Schlittens im Schnee war unter ims. Von der Dorfkirche strahlten die hohen Fen ster hellherab,und aufhalbem Wegehörten wirschon das Große Ge läute aus dem Münster das Fest verkünden. In der Kirche gab es ge waltiges Gepränge, der Duft von Weihrauch und Wachskerzen stieg zum bemalten Gewölbe auf, die Stimme der Orgel und die Gesänge der Priester und Gläubigen erfüllten das hohe Schiff. Auf der Heimfahrt torkelten die ersten Betrunkenen über den Stifts platz, und neben dem Vetter saß wieder das fremde Mädchen. Als wir dasHausbetraten,schlug es uns den Duft von heißem Braten entge gen. Die Schwester des Vetters hatte, weil ja der neue Tag schon an gebrochen war, schnell Fleisch von dem zum Feste geschlachteten Schwein gebraten,so war es der Brauch,und es schmeckte uns ganz vorzüglich. Wir tranken Most dazu, und jetzt erwischte ich auch ein volles Glas von demZwetschkenen,der mir das Wasserin die Augen trieb und mich reif machte für das Bett. Die Kammer war eisig, das Bett gut und der Schlaf tief und herrlich. Am Morgen, als ich erwachte, blühten an den Fensterscheiben die Fisblumenim starkenLichtderjungen Sonne.Ich sah mein Leben als einen einzigen strahlenden, ewig langen Tag vor mir ausgebreitet, und es war in mir das Gefühl eines großen Glückes. Das kam daher, daß ich so jung war.

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