Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

Erinnerungen Roll die fahne ein leg die erden ab mach die trommel stumm geh fort wenn der redner die tribüne betritt sei tapfer wenn die beiden einkäufer kommen pflanz einen bäum iß die verbotene frucht In der Station der Schnellzugstrecke, die ins Gebirge und in einem langen Tunnel durch dieses nach Süden führte, brannten schon die Lichter unter dem frühen Dunkeldes Winterhimmels,als icli, ein elf jähriges Bürschchen,aufgeregtvom hohen Trittbrettsprang und über die verschneiten Gleise hin den Wagen der Lokalbahn zustolperte, die mich zu meiner Muhme bringen soUten. Der Schnee war steif ge froren und krachte unter meinen hohen schwarzen Schnürschuhen, und mein Atem fing sich an den feinen Haaren des Schals und am Rand der gestrickten Pudelhaube, die ich mir bis an die Augenbrauen hereingezogen hatte, und schlug sich in weißen Kristallen daran nie der. Die alte Lokomotive, mitihren drei Wagen hinter sich, dampfte schon gewaltig und stieß schwarze Rauchknäuel aus dem verrußten Schornstein, drohend, als wollte sie im nächsten Augenblick ohne mich auf und davon sausen, wenn ich mich nicht gleich beeilte. - Der Kondukteur im langen,schwarzen Mantel,seine Laterne in der Hand,ging durch die Waggons und zündete die kleinen Petroleum lampen an, die über den niedrigen Türen hingen. Im schwachen Schein üires gelben Lichtes sah ich jetzt, daß die hölzernen Bänke noch alle leer waren. Ein alter Mann,einen riesigen Sack aufdem Rücken,kam noch gelau fen, er winkte aufgeregt mit dem Arm,er wolle doch auch mitkom men, dann polterte er keuchend herein, und der Zugsführer setzfe sein kleines gelbes Horn aus Messing, um das ich ihn beneidete, an die Lippen und blies das Signal zur Abfahrt. Die Lokomotive warf sich in die Brust und jagte, weißen Dampfaus den Flanken zischend, wie ein Schlittenroß mit uns davon. Station und Hauptstrecke ent schwanden schnellmeinen Blicken,und vorbeian stillen Weilern und einsamen Höfen wand das Gleis sich, ständig ansteigend, dem Wald entgegen. Die Lokomotive,eben noch voll unbändiger Lust,in die wachsende Dunkelheit hineinzustürmen, mußte es bald billiger geben, schnau bend wie ein überanstrengtes Zugtier kämpfte sie sich bergan und ihre gellenden Pfiffe hallten wie Hilferufe weithin durch das tiefe Schweigen des Winterabends und die Wolken feurigen Rauchs, die ausihrem Rachen stoben,flogen als roter Glutregen an meinem Fen ster vorbei und gingen, schnell verlöschend, auf die verschneiten Waldrändernieder.Inihrem kurzenScheinsah ich schon die Umrisse des Schlosses oben mit seinen Zwiebeltürmen auftauchen und rasch wieder versinken im Dunkel. Ich hatte meinen Mantel anbehalten, ein abgetragenes Stück, aber warm und nicht umzubringen, wie die Frau meinte, deren Sohn ihn vor mir getragen hatte, und nun begann ich zu schwitzen darunter, und die dicken, grünen, rauhhaarigen Schafwollstrümpfe, gestrickt von meiner Mutter,begannenin der Wärmefürchterlich zujuckenan den Waden und in den Kniekehlen,wo die Hose aufhörte. Nichtein mal den Rucksack mit meinen Habseligkeiten hatte ich von den Schultern zu nehmen gewagt, aus Angst, nicht schnell genug aus dem Wagen zu kommen, wenn es auszusteigen an der Zeit war für mich. Einigemale mußte der Zug halten, das wußte ich. Aber dann, als der hohe Wald zu beiden Seiten sich zu lichten begann und tief un ten,woderFluß unterm Eise hinzog,die Lichteraus den Fenstern der Auhöfe heraufblickten und zur Rechten der steile Wiesenhang hinauf zur Ebene erkennbar wurde,war ich an der Reihe. Schon heulte der Pfiff der Lokomotive auf, ein Zeichen für die Reisenden, die hier aus zusteigen gedachten, und dann hielten die Wagen an vor dem höl zernen Wartehäuschen,das,schwarz und kaumzu bemerken,unter der Last des Schnees sich duckte. ,,. .. stein!" rief der Kondukteur. Die vordere Hälfte des Namens war nicht zu verstehen, aber jedermann wußte, was damit gemeint war.Kaum stand ich,einziger Fahrgast,der hier den Zug verließ,auf dem Erdboden, da blies der Zugsführer schon in sein Horn, und eh ich mich noch recht in das plötzliche Dunkel gefunden hatte, war

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