Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

Die Wertschätzung alter Stadtbilder setzte nicht so sehr aus romantischen (oder wie es heute so „schön" heißt: „nostalgischen") Regungen herausein,sondern war viel eher durch existenzielle Bedürfnisse motiviert: Durch die totale Trostlosigkeit ,,moderner" Wohnquartiere, die von Südafrika bis Nord norwegen etwa gieich sind - von dem er schreckenden Gegenbeispiei der nordame rikanischen ,,Profitopolis" ganz zu schwei gen!Doch muß dabei natürlich auch berück sichtigt werden, daß die Voraussetzungen sozialer und gesellschaftlicher Art, die zur X'M Entstehung einer Stadt wie Steyr geführt haben, heute nicht mehr gegeben sind, so daß man überspitzt formulieren könnte, die vorhandene Bausubstanz sei heute eine Form ohne Inhalt. Die Revitalisierung einer Altstadt wie Steyr ist heute in der Tat ein Problem,denn es gilt ja hier nicht allein Fassaden zu erhalten, sondern die Gesamtstruktur zu revitalisieren, d. h. wieder mit neuem Leben zu erfül len. Die Erhaltung der Flauptbauten an den Straßen- und Platzfronten ist relativ unpro blematisch. Falls eine weitestgehende Ver kehrsentlastung erreichbar ist, werden diese Fläuser für die Zukunft wieder attrak tive Wohnquartiere werden, wenn die Be wohner gewilltsind,einen äquivalenten Bei trag zu einem gehobenen Wohnkomfort zu leisten wie die Bewohner früherer Zeiten: Das heißt Verzichtaufdie Uriaubsreise nach Grado und Mallorca,aufden nicht unbedingt notwendigen Luxuswagen und auch man che Dinge, die heute irrtümlich als Status symbole angesprochen werden. Das beste Statussymbol \ ist übrigens eine schöne Wohnung oder ein gediegenes Haus. h Bautechnische Aufnahme des Hau ses Stadtplatz 39Madlsederhaus- mit seinem bekannten Renaissancehof 1579. eine sozialromantische und letztlich utopi sche Regung,daß Bund,Länder oder Kom munen, d. h. im Grunde alle Steuerzahler, für die enormen Kosten zur Revitalisierung der abgewohnten Altstadtquartiere aufzu kommen hätten, damit dann alle früheren Mieter zu Monatsmieten, die etwa den Ko sten eines durchschnittlichen Mittagsmahls entsprechen, später wieder hier einziehen können. Dies wäre letztlich eine Belohnung asozialen Verhaltens. Wenn aber Leute mit derartigen Vorstellungen vom Wert einer Wohnung in die revitalisierten Wohngebiete zurückkehren, so wird der circulus vitiosus nach einer Generation von neuem einsetzen und der enorme Aufwand umsonst sein. Die Wohnung, das Haus und die Stadt sind keine Sozialvergünstigungen oder Ge schenke, sondern gesellschaftliche Aufga ben für den mündigen Bürger,die-will man sie menschenwürdig lösen - viel Geld, ja Opfer kosten. Falls sich diese Erkenntnis nicht durchsetzt, sind alle Revitaiisierungsbestrebungen vergeblich. Die rein ,,denkmalpflegerische" Kompo nente des Problems ist demgegenüber zweitrangig, wenn auch technisch schwer lösbar. Man hatzwarauch in früheren Zeiten mehrere engbrüstige Parzeilen zu einer Einheit zusammengelegt, wie dies z. B. in Steyr das Objekt Enge Gasse16 beweist,zu dem drei alte Häuserzusammengefaßt wur den. In Wolfsberg gibt es ein Ratsdekret von 1536,nach dem,,Richter,Räte und die Vier telmeister aus vielbeweglichen Ursachen sich endlich entschlossen ... niemals zwei Höfe oder Häuser, die nebeneinandergeiegen, in eines Bürgers Hand durch Kauf ge langen" sollten. Bei der Sanierung des Stadtteils ,,ln der Grieben" in Burghausen an der Salzach hat man vor wenigen Jahren unter Belassung der Fassaden an der Straßen- und Flußfront tatsächlich versucht, je zwei Parzellen zu einer Einheit zusammenzufassen. Das Endergebnis ist ganz unbefriedigend. In Steyr würde dies zudem noch einer Preis gabe der baulich sehr wertvollen Innenhöfe gleichkommen. Dagegen wäre es in Steyr wohl denkbar,ei nige der zu lang geratenen Parzellen zu tei len und vor allem zwischen Stadtplatz und Ennskai getrennte Wohneinheiten zu schaf fen, wobei der Hofzu dem platzseitigen Teil gehören würde. Hingegen könnte man an stelle der zu stark verbauten Substanz Im rückwärtigen Teil etwas Luft schaffen, wie man ja auch verwilderte Gärten ausholzt. Jede alte Mauer zu erhalten, kann die Denkmalpflege nicht verlangen, da ja auch alte Häuser, vor allem aber die darin woh nenden Menschen atmen und leben wollen.

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