Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

Das tausendjährige Steyr - Rückblick und Ausblick Hans Koepf Stadtgründungen des Mittelalters sind natüriich und organisch gewachsene Gebilde. Wichtige Handelsstraßen,für die Sicherheit unbedingt notwendige und von der Natur vorgezeichnete Befestigungsmöglichkeiten bildeten bei der Stadtgründung wichtige Voraussetzungen. Dort wo diese Voraus setzungen nicht ganz ausreichend waren, verkümmerten die Neugründungen später, oftmals sanken Städte wieder zu dörflichen Gebilden herab oder gingen ganz unter. Die organisch gewachsene Stadt hat also Le bens-Bedingungen nötig, um wie jeder le bendige Organismus Überlebenschancen zu haben. Bei der Stadtgründung von Steyr wirkten Straße,Strom und Berg eng zusammen.Am Zusammenfluß von Steyr und Enns erhebt sich ein vorspringender Bergsporn als gün stiger Burgberg, am anderen Ufer schob sich als Pendant ein weiterer Beobach tungsposten, der ,,Tabor", vor. Vorausset zung für die Entwicklung der Stadt war au ßerdem,daß zwischen Strom und Burgberg noch eine Piattform am Flußufer für die Stadtgründung übrigblieb. Wie in Salzburg, Murau oder Burghausen an der Salzach war dies in Steyr eine für die Stadtgründung ge radezu klassische Situation. Der Burger (,,Bürger") nannte sich nach der schützen den Burg, die Stadt aber nannte sich häufig (wie Ybbs, Enns, Krems) nach dem Strom. Bei einer derartig pointierten Stadt-Situa tion waren auch die Brücken von entschei dender Bedeutung und mit den Brücken zu deren Sicherung auch die Brückenköpfe. Der Schwerpunkt wurde so der Zusammen fluß von Enns und Steyr unterhalb der hoch ragenden Burg, der dann ganz signifikant ,,Zwischenbrücken" genannt wurde. Wäh rend der östliche Brückenkopf(Ennsdorf)in historischer Zeit relativ bescheiden biieb, weitete sich derzweite Brückenkopfjenseits der Steyr zu beachtlicher Größe aus. Steyrdorf, ganz natürlich vom Stamm der Kir chengasse ausgehend,die sich dann in den beiden Asten Sierninger Straße und Gleinker Gasse gabelt, wurde nicht ein Gegen-, so doch ein Neben-Steyr. War Zwischenbrücken der eigentliche Kopf und Schwerpunkt der Stadt,der aber infolge seiner hochwassergefährdeten Lage und nichtimmer baulich glücklichen Entwicklung zwischen den beiden Brücken architekto nisch etwas zurückblieb, so wurde das am Südende der Stadt in wehrhaft strenger Re naissance aufgebaute Neutor in Verbin dung mitdem innerberger Stadei, dem ge waltigen Lagerhaus der sogenannten ,,In nerberger Hauptgewerkschaft", zu einem markanten Bollwerk, das auch für den Hochwasserschutz von nicht geringer Be deutung war. Oberhalb des Neutors bildet die Pfarrkirche einen weiteren-dem Schloß vergleichbaren - Höhepunkt im StadtgefügeDas fischblasenförmige Stadtareai an der Enns ist vöilig organisch in drei Teile geglie dert. Die Folge beginnt in dem sehr geschlossen-wirkenden Platzraum zwischen Neutor bzw. Innerberger Stadei und führt über den sich ailmählich ausweitenden Straßenraum des Grünmarkts zum Stadtpiatz. An der Zäsur führt die Pfarrgasse hin auf zur Pfarrkirche, während gegenüber diesem Abzweig die Ausweitung von der Dominikanerkirche liegt, die von zwei klei nen Kapellennischen flankiert und abge schlossen wird. Der Stadtplatz weitet sich in der Mitte, wo auch das Rathaus mit dem triumphalen Aus rufzeichen seines Turmes steht. Bei der Einmündung der Unteren Kaigasse verengt sich der Stadtplatz wieder beträchtlich zu einem Nadeiöhr, das den bezeichnenden Namen„Enge Gasse" trägt. Am Nordende der Engen Gasse weitetsich der Blick plötz lich. Am Brückenkopf erscheint als Brükkenkopfbau am jenseitigen Ufer die profa nierte Spitaikirche mit dem Bürgerspitai. Die Schau hat hier aber ohne Zweifel die hochgelegene Prachtfront der 1631 von den Jesuiten errichteten Michaeiskirche als Siegesdenkmal der Gegenreformation in ei ner Stadt, in der selbst die Pfarrkirche im 16. Jahrhundert protestantisch war.Das weithin sichtbare Fassadenfresko hat deshalb auch das sehr beziehungsreiche Thema ,,Mi chael stürzt die gefallenen Engel" zum In halt. Architektonisch folgt diese Kirche wie die wenig später entstandene Dominikaner kirche dem Schema der Wandpfeilerkirche mit Seitenemporen zwischen den Pfeilern. Die beiden Fassaden sind einander ähnlich: Diejenige der Jesuiten ruhmrediger, die der Dominikaner architektonisch qualitätsvoller. Vom Brückenkopf gelangt man westlich über die etwas ansteigende Kirchengasse in die Sierninger Straße mit der unscheinbaren spätgotischen Bruderhauskapelie und über die Gleinkergasse zum Schnallentor, in dessen Nähe als einzige Ausweitung von Steyrdorf der Wieserfeidpiatz liegt, der von einer Pestsäule (Messererkreuz) ge schmückt und von eher unscheinbaren Bau ten aus der Biedermeierzeit gerahmt wird. Während das Schiaß in seinem derzeitigen Zustand hauptsächlich auf eine Umgestal tung des 18. Jahrhunderts zurückgeht, au ßer dem Portalbau und dem Uhrturm kaum beachtenswerte bauliche Höhepunkte be sitzt, ist die Stadtpfarrkirche als ein kleine res Derivat des Wiener Stephansdomes ein äußerst kostbares Bauwerk,dessen charak teristische Züge auch der Brand von 1522 kaum auszulöschen vermocht hat. In dem dreipolygonalen Hallenchor sind von der ehemaligen Ausstattung wenigstens noch ein interessantes Sakramentshaus und die gegenüberiiegende Sessionsnische erhal ten geblieben, von denen auch noch Pianrisse des Meisters Hans Puchsbaum für Steyr voriiegen. Ein Kabinettstück der Spätgotik ist auch der sehr kunstvolie Dachreiter der neben der Pfarrkirche liegenden Margaretenkapelie. Der bauliche Charakter von Steyr wird aber weder vom Schloß noch von den Kirchen, sondern von der Masse seiner in der Grund anlage meist aus der Zeit des frühen 16. Jahrhunderts stammenden Bürgerhäuser bestimmt. Diese Häuser gehörten Hand werkern, die das auf der Eisenstraße trans portierte Material zu Hufeisen, Feiien, Mes sern und Waffen verarbeiteten, und vor aliem den Handelsieuten, die diese Erzeug nisse der Handwerkskunst in ferne Länder weitervertrieben. Da jeder Bürger möglichst einen Platzam Hauptstraßenzug Grünmarkt - Stadtplatz - Enge Gasse haben wollte, sind die Parzellen hier an der Straßenseite relativ schmai, in der Tiefe aber äußerst ge streckt, so daß ,,handtuchartige" Grund risse entstehen. Ungünstig ist zudem noch,daß die Parzelien vom Stadtplatz nach Westen zur Berggasse stark ansteigen, nach Osten zum Ennskai aber ziemlich ab fallen. Diese schmalen Parzelien mußten deshalb durch Zwischenschaltung von ei nem oder mehreren Höfen aufgelockert werden,doch war die Breite der Höfe derart gering, daß sie an der Langseite oft nur durch einen schmalen Baukörper oder Gang flankiert werden konnte, der eine Verbin dung vom Vorder- zum Hinterhaus herstell te, in dem die Werkstätten oder Lager unter gebracht waren. Ein mit Arkaden versehe ner Vierflügelhof war hier nirgends realisier bar,der obere Laubengang lag im Hofoft nur über stark auskragenden Konsolen. Die Fassaden des spätgotischen Steyrer Hauses zeigen fast immer denselben Anla getyp: Uber dem Erdgeschoß tragen - oft noch durch Wandpfeiler unterstützte-Kon solen einen vorspringenden ,,Breiterker", der die ganze Breite des Obergeschosses einnimmt. Darüber folgt vor dem Giebel ein Fußwalm,so daß der untere Teii des Giebels also wieder in der Erdgeschoßflucht liegt. Den oberen Abschluß bildet ein Schopf- (Krüppel-)Walm. Bei besonders reichen Beispieien - wie bei dem berühmten ,,Bummerlhaus" - war die Brüstung des Hauptgeschosses noch durch ein Blend maßwerkband gegliedert. Ein ähnliches spätgotisches Maßwerkband zeichnet das

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