Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

Oberösterreich aktuell Die Krise unserer Altstadt Landeshauptmann Dr.Josef Ratzenböck In der Denkmalpflege stand zunächst der Schutz des Einzelkunstwerkes im Vorder grund. Die Entwicklung brachte es jedoch mit sich,daß in unserer Zeltimmer mehr das schützenswerte Ensemble an Bedeutung gewann. Diese Erkenntnis gilt vor allem für unsere historisch gewachsenen Städte. Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck hatseitlangem in seiner Funktion als Kultur referent der oberösterreichischen Landes regierung diese Problematik erkannt. Seine Überlegungen zur,,Krise unserer Altstadt" besitzen deshalb geradezum Stadtjubiläum von Steyr besondere Aktualität. Diese aitehrwürdige Stadtsiedlung wird mit Recht zu den schönsten Städten Österreichs gezählt. Die Erhaltung ihres mittelalterlichen und ba rocken Stadtbildes ist Verpflichtung. Die Realisierung dieser Aufgabe ist schwierig, erscheint oft unlösbar. Das Institut für Baukunst und Bauaufnah men an der Technischen Universität Wien unter Leitung von o. Professor Dr. Ing. H. Koepf widmet sich seit vielen Jahren der Aufgabe einer wissenschaftlichen Grundla genforschung über die historische Stadt baukunst in Österreich. Viele Publikationen sind bereits erschienen. Auch für Steyr wurde der ,,Prototyp eines Dokumenta tionsbandes STADTBAUKUNST STEYR" erarbeitet, der auf eine Veröffentlichung in Buchform wartet. Die Zeitschrift öberösterreich dankt dem Institut, seinem Vorstand und dessen Mitarbeitern, daß über diese wichtige Forschungsarbeit ein Kurzbericht veröffentlicht werden kann. Er besitzt für die oberösterreichische Landesregierung und die Stadtverwaltung Steyr höchste Aktuali tät.(Anmerkung d. Red.) Das beschleunigte Wachstum unserer Städte zerstört allerorten die Harmonie ihrer Bauten,die von kunstsinniger Meisterschaft der Bauherren und Baumeister zeugen. Gleichzeitig entstehen auf Grund neuer Technologien und gesellschaftlicher Verän derungen Entwicklungen, die den Verlust des traditionellen Charakters einer Stadt zur Folge haben. Dieser Wandel hat daher in vielen Fällen zu einer Krise der Altstadt ge führt. Architektur als eine der klassischen Künste gibt der Umwelt ihre historische Kontinuität, sie gibt die Kultur einer Generation jeweils der nächsten weiter. Nicht das Einzelobjekt, sondern die Vielzahl alter Bauwerke gibt größeren und kleineren Städten die Mög lichkeit, der Tendenz zur Vereinheitlichung zu widerstehen. Die damit verbundenen Probleme werden heute auf weitester Basis, zum Teil auch sehr emotioneil diskutiert. So entzündet sich der Unwille gleichermaßen an den im Verkehr erstickten Straßen und Fußgängerzonen. Man beurteilt die Restau rierung von Altstadtfassaden und Einbin dung moderner Bauten innerhalb histori scher Ensemble negativ und positiv. Stadterweiterungen hat es schon immer ge geben.Sie sind eine natürliche Entwicklung seit den Gründungsjahren. Sie wurden je doch durch Begriffe wie Stadtsoziologie und Infrastruktur neu aktualisiert und verschärft. Die auftretenden Probleme von ,,Hoch hausstädten", ,,Schlaf- und Arbeitsstäd ten",,,Shopping City's" und anderen moder nen Formen der Stadterweiterung haben sowohl auf der Ebene der Stadtplanung als auch bei den Architekten zu einem Umden ken geführt. Ein Blick in alte Stadtpläne zeigt, daß unsere alten Städte eben keine festen Größen waren, daß sie sich ständig veränderten und dennoch etwas Unver wechselbares und Unwandelbares behiel ten. Dieser Regenerationsprozeß vollzog sich jedoch über längere Zeiträume hinweg. Der rasche Wandel unserer Tage hat den steten Verlust der Identifizierung zur Folge. Be sonders die historischen örts- und Stadt bilder bieten existenzielle Humanbezüge, die in den modernen, überbesiedelten Bal lungszentren verloren gegangen sind. Aus druck dieses Suchens nach Gasen einer heilen Umwelt ist die Autoflucht an Wochen enden. Die Pflege historischer Gebäude und die Planung und Errichtung neuer Häuser gehört darum unmittelbar zusammen. Bei der Notwendigkeit, das Uberlieferte rein physisch zu erhalten, sollte nicht der Ana chronismus vorherrschen, die Stadt als Mu seum anzusehen.So kann die neue Zweck widmung des zum Abbruch bestimmten Ursulinenklosters in Linz als ein dauerhafter Beitrag zur Erhaltung des Landstraßencha rakters in unserer Landeshauptstadt ange sehen werden. Nur bei Spitzenwerken der

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