Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

Sein Lebenslauf! Im Hause Steyr,WIeserfeldplatz Nr.37,kam Josef Werndl als zweiter Sohn des Armatu renfabrikanten und Realitätenbesitzers Leopold Werndl und seiner Ehefrau Josepha,geborene Müllerin aus Frankenfels(die 1867an allgemeiner Wassersuchtstarb,wie Im Totenbuch der Vorstadtpfarre Steyr zu lesen Ist), zur Welt. Das erste Kind aus die ser Ehe,Leopold mitTaufnamen,starb 1858 als Doktor beider Rechte Im Alter von 29 Jahren. Daß Josef nicht der Erstgeborene war, ist bis auf den heutigen Tag noch nicht von allen Biographen des Waffenkönigs be achtet worden. Vater Leopold hatte schon 1830 begonnen, Gewehrbestandteile zu er zeugen und nutzte hiezu die Wasserkraft des Steyrflusses In Letten aus, wo er meist 400 bis 450 Arbeiter beschäftigte. Josef be suchte In Steyr die Normalschule. Er war ein körperlich kräftiges Kind und zeigte bald In teresse an der Eisenverarbeitung. Daher schickte Ihn der Vater nach dem Schulbe such In die Wiener Gewehrfabrik Fruhwirth, die Abnehmerin der Waffenbestandteile aus der Werndlschen Fabrik In Letten war. Der Wiener Aufenthalt taugte Josef so sehr, daß er nach dieser Lehre gar nicht erst nach Hause kam und sich beim Wiener Chevaulegers-Reglmentzum Militärdienst meldete. Das ging dem Vater gegen den Strich, er machte den Eintritt des Sohnes beim Militär rückgängig, das heißt, er kaufte Josef vom Militär frei und beorderte Ihn Ins Vaterhaus. Dieser Befehl förderte das Verständnis des Sohnes für die Ziele seines Vaters hinsicht lich seiner Zukunft keineswegs. Aber Josef lernte nun Im väterlichen Betrieb die Fellenhauerel. Dann ging er auf die ,,Walz", wie man die Wanderjahre der Handwerksgesel len seinerzeit nannte. Er arbeitete In Kärnten bei einem Büchsenmacher und zog von dort nach Thüringen,wodieses Handwerk In hoher Blüte stand. Nach seiner Rückkehr nach Steyr gründete er eine eigene Schlei ferei, eine sogenannte Schleife, wie man diese Werkstätten bezeichnete und be schäftigte gleich zwölf Arbeiter. Der völlige Bruch mit dem Vater war die Folge. 1855 starb Leopold Werndl an der Cholera, die zu dieser Zelt In der Gegend um Steyr wütete. Den Todeskeim hatte er sich auf ei ner Fahrt nach Letten geholt. Mit dem Sohn versöhnte er sich knapp vor seinem Tod. Sofort stand Josef Werndl seiner Mutter bei und führte den väterlichen Betrieb bis 1862 gemeinsam mit Ihr fort. Unterdes war In Nordamerika der Sezes sionskrieg ausgebrochen. Josef Werndl sah darin seine große Chance. Er fuhr zunächst nach England und besuchte hier die großen Gewehrfabriken. Ein amerikanischer Agent, der nach Europa gekommen war, um Waf fen einzukaufen, ermunterte Ihn, mit Ihm nach Amerika zu fahren. Josef Werndl Ist sofort bereit. In Hartfort arbeitet er bei Colt, In Illinois In der Remingtonschen Gewehrfabrlk. Er bestellt die neuesten Maschinen für sein Steyrer Unternehmen. Nach dem Tod der Mutter geht er mit seinen Brüdern Franz und Ludwig eine Gemeinschaft In der Füh rung der väterlichen Fabrik ein und wandelt diese brüderliche Gesellschaft 1869,ermu tigt durch seine Erfolge, In die österreichi sche Waffenfabriks AG um. Die Fabrik baut er In fünfzehn Gebäuden(Objekten)auf die Steyrflußlnseln am Wehrgrabenkanal und macht sie mit den Jahren zu einer der größ ten Gewehrerzeugungsstätten Europas, ja der Welt.So wird erzum Waffenkönig Euro pas, zum ,,Kaiser von Steyr". Als In einer Wirtschaftsflaute Steyrer Bürgervertreter bei Kaiser Franz Joseph In Wien mit der un tertänigsten Bitte um Hilfe vorsprachen, sagte der Monarch angeblich zu Ihnen: ,,Was wollen Sie von mir, meine Herren? Sie haben doch den Werndl In Steyr." Das Organisationstalent Werndls hat die Österreichische Waffenfabriks AG groß ge macht. Das Werndl-Gewehr, wie der erste iSl™ iiii" ' i-c/i(.Xjiyr/fkiÜ /ky^rMic(/ hrJf'ac^^^/fcoiy 'yfr/in/'i t/i fA'i;/ • Links: Das ehemalige Steyrer ,,Industrie zentrum" mit den Objekten der Werndlschen Waffenfabrik Im Wehrgraben,zeitgenössische Darstellung im Heimathaus Steyr. Foto: A. C. Kranzmayr Oben: ,,Ansicht von den zur Stadt Steyer in der Vorstadt Gsang befindlichen Techni schen Gewerken", lavierte Federzeichnung von Joseph Löw im Heimathaus Steyr. Foto: A. 0. Kranzmayr

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