Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

Landeskunde Josef Werndl ein Lebensbild heute gesehen Carl Hans Watzinger Vor einigen Jahren erschien in einem be deutenden Verlag der Bundesrepublik Deutschiand das Buch „Da tat sich der Himmel auf", aus der Feder des Nasa-Inge nieurs J. F. Blumrich, eines Steyrers. Inzwi schen ist dieses Werk in zehn Sprachen übersetzt worden, darunter in Bengali und Hindi. Der Titei geht auf das prophetische Buch ,,Hesekier der Bibel (Altes Testa ment)zurück,das mit den Aufträgen Gottes an diesen Propheten zu tun hat. Ist es au ßergewöhnlich, den Verfasser in Zusam menhang mit einem der berühmtesten Steyrer, Josef Werndl, zu sehen? Oder sollte man nicht eher sagen, Blumrich sei im Ge gensatz zu Werndl zu nennen? Josef Werndl ist vor rund neunzig Jahren gestorben. Er lebt noch immer in der mündli chen Überlieferung als ein Mann fort, der vorausblickend eine bereits auf automati sche Verarbeitung des steirischen Eisens eingestellte Waffen-(Gewehr)erzeugung nach amerikanischem Muster begonnen und mit neuen Verbesserungen durchge führt hat. Das geschah vor allem im Sinne einer sozialen Einstellung zugunsten des Arbeiters, wie Werndl in seiner Jugend selbst einer gewesen ist. J. F. Blumrich hat von seiner Aufgabe her, die nicht die eines Managers, sondern eines Konstrukteurs war, den anderen Schritt getan; er hat eine religiöse Beziehung, so kann man anneh men,zur Arbeitgesucht und sie bei Hesekiel gefunden, bei einem Mann, der Werndl be stimmt fremd war, denn er gehörte nicht zu den Lesern der Bibel. Werndl und Blumrich in einem Atemzug zu nennen, soll nur ver deutlichen, daß Steyr als Reservoir für schöpferische Kräfte auf dem Gebiet der Technik noch immer interessant ist. Es sei hier auch an den verstorbenen Ernst Werndl und sein Faust-Drama,,Mensch und Wider sacher" erinnert. Tradition ist Vorausset zung für Vererbung. Daß eine überragende Leistung, die immer auch etwas Geistiges an sich hat, plötzlich aus dem Nichts entste hen könnte, ist eine Fehlmeinung oder doch so selten,daß man dies ausschließen kann. Bei Josef Werndl liegt Tradition, begründet in der Eisenverarbeitung,seit Generationen vor. Die Beziehungen sind in dieser Hinsicht besonders offenbar. Der Name Werndl taucht schon in den Annaies Styrenses des Valentin Preuenhueber auf. Da wird ein Heinrich Werndl aus dem Jahre 1527 in Nürnberg genannt. Die Werndl sind dann über Augsburg und Passau näher an Öster reich herangerückt, 1658 heiratete ein Se bastian Werndl die Magdalena Aichberger in der Steyrer Stadtpfarrkirche. Es ist jedoch nicht sicher, ob es sich bei diesen Werndlischen um Vorfahren des Waffenkönigs JoPorträt Josef Werndls (1831-1889), Heimathaus Steyr. Foto: A. C. Kranzmayr sef Werndl, wie er oft genannt wurde, han delt.(Auch ,,Kaiser von Steyr" hat er gehei ßen, da er das Gemeinwesen der alten Ei senstadt wie kein anderer vor und nach ihm beherrscht hat.) Nachgewiesen ist der 1702 in Steyr geborene Matheus Werndl als Vor fahre und alle anderen in seiner Ahnentafel bis herauf in unser Jahrhundert. Diese Werndl beziehen sich natürlich auch auf die Nachkommen der Töchter Werndls, der Gräfin Anna Lamberg und der Baronin Karo line von Imhof. Der einzige Sohn,Josef Karl, starb 1883, 27 Jahre alt, in Heluan (Ägyp ten), wohin er zur Ausheilung eines Lungen leidens von den Ärzten geschickt worden war. Die Krankheit, damals in den selten sten Fällen heilbar, war bereits zu weit fort geschritten. Der Tod machte auch vor dem Sohn des reich und mächtig gewordenen Josef Werndl nicht halt. Josef Karl hat ihn wohl mitverschuidet. Der Vater hat diesen frühen Heimgang seines Sohnes nie über wunden, so robust er sich auch nachher gab. Wahrscheinlich hat er es bereut, den Sohn zum Dragoner-Regiment Nr.8einrükken zu lassen, zu einer Waffengattung, wo im aligemeinen nur Adelige dienten. Man wollte dem Vater diesen Wunsch nicht ab schlagen. Josef Karl stieg rasch zum Leut nant der Reserve auf und hat zweifellos auch das flotte Leben im Offizierskorps mit gemacht, das seine Krankheit nur ver schlechterte. Anfällig für sie dürfte erjedoch schon von der Familie her gewesen zu sein. Der Hüne Josef Werndl, 2,06 Meter groß, bewahrte sich sein ganzes 58jähriges Le ben lang bei allen Strapazen, die er durch machte, eine ausgezeichnete Gesundheit. Man weiß jedoch,daß bei den Werndlischen eine gewisse Anfälligkeit für Lungentuber kulose, man nannte sie damals Schwind sucht, vorhanden war. Mit der Todesursa che Josef Werndls hat das allerdings nichts zu tun. Der Waffenkönig starb nach dreitä giger schwerer Lungenentzündung vermut lich an Herzversagen; er hatte sich diese akute Erkrankung in Letten an der Steyr ge holt, wo er, im Hochwasser des Flusses ste hend, einen Baumstamm, der bedrohlich gegen eine Fabriksobjektwand schlug, aus seiner Verkiemmung zu heben versuchte. Niemand hatte erwartet, daß er diese Erkäl tung nicht überstehen würde. Werndl war sein ganzes,eher kurzes Leben lang eisern wie das Material, das er zuerst eigenhändig bearbeitet hat und dann durch seine Arbeiter,die sich stolz Werndier nann ten,aufbereiten ließ. Er hat seine geplanten Projekte gegen alle Widerstände durchge zogen, dies begann schon mit dem Aufbe gehren gegen seinen Vater. Schließlich hat er Gewehre nicht nur für europäische Staa ten und Mächte,sondern auch für die ande ren Kontinente - die Vereinigten Staaten von Amerika ausgenommen - erzeugt. In den USA hatte er gelernt, wie man ein weit beherrschendes Industriewerk aufbauen muß, um wie ein Fürst in seiner Region frei schalten und walten zu können. Dabei hater sich vielfach patriarchalisch bewegt. Er hat Geld und Häuser verschenkt, nach dem Grundsatz: Leben und leben lassen. Ihm selbst war das Leben nicht immer leicht. Seine Gattin, sein geliebtes Linerl, hat er schon 1879 verloren, nachdem sie in ihren letzten Lebensjahren in eine Manie verfallen war,sie müsse für sein oft über die Stränge schlagendes Verhalten, das nur die Äuße rung eines kaum zu bändigenden Freiheits durstes war, mit einer verstärkten Hingabe an Gott büssen. Man könnte vielleicht von religiösem Wahn sprechen. Ihr hat er durch die Benennung der von ihm erbauten Arbeiterwohnsiediung Karoiinentai ein Denkmal gesetzt. Diese Siedlung ist eine der ersten sozialen Wohnbausiedlungen in Österreich, ähnlich der 1519 in Augsburg errichteten Fuggerei, die auch heute noch, wie die Werndlsche in Steyr, bewohnt wird. Der zweite Schlag für ihn war der schon er wähnte Tod seines einzigen Sohnes. Werndls Einsteilung zu seinen Arbeitern be tont ein ehrlicher Bericht eines ,,Werndiers", der in den zwanziger Jahren unseres

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