Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

Kunst der Gegenwart Die Stahischnittkunst in Steyr Hans Köttenstorfer Steyr-an den Flüssen Enns und Steyr ent standen,deren Wasserläufe eine natürlictie Verbindung bilden, Im Süden zum stelrlschen Erzberg hin, im Norden, also flußab wärts, zum Donaustrom führend - ist die Stadt, die schicksalhaft früh Stätte einer re gen Handwerkstätigkeit wurde. Schon Illyrer, Kelten und Römer haben das steirlsche Erz geschürft und verarbeitet. So fand man Spuren einer Schwertfege der Römer in der Nähe des heutigen Ortes ,,Neuzeug" am Steyrfiuß; den Zusammen hang von Fundstätte und Verarbeitungsmögiichkeit des Materials durch Zuhilfe nahme der vorhandenen Wasserkräfte be legend. Diese Voraussetzungen ermöglichten auch das Aufblühen des Handwerks der Messer erzeugung im Räume Steyr,denn nicht nur, daß die Kleinbetriebe für ihre Erzeugung die natürlichen Bedingungen vorfanden,es war durch den Ennsfluß, als Verbindung zum Donaustrom, dem Handwerk ein Tor zur weiten Welt geöffnet. Steyr war schon im 9. Jahrhundert n. Chr. Niederlassung einer Messererzeugung,seit dem 13. Jahrhundert Sitz einer Gilde der Ei senhändler und Klingenschmiede. Imfrühen Mittelalter erlangte die Stadt durch ihre handwerklichen Erzeugnisse europäischen Ruf. Mit Beginn der Neuzeit konnte sie sogar Weltruf erringen. Die hohe und rege Arbeitsgesinnung des Mittelalters führte auch dazu,die handwerk lich hergestellten Gegenstände über ihre Werksgüte hinaus zu verschönern und mit Zierat auszugestalten. In Anwendung der verschiedenen bekannten Techniken der Metallgestaltung - sei es Gravieren, Mei ßeln, Metalltrelben, Ätzen oder Tauschieren - wurden auf diese Art und Weise Meister werke geschaffen. Man denke an die Türund Torbeschläge der Gotik, an die reich verzierten Truhen- und Kastenschlösser, Schlüssel, Siegelstöcke, Rüstungen und auch an Klingen- und Messergriffe und der gleichen mehr. Der Gedanke und die Mög lichkeit, Gebrauchsgegenstände künstle risch auszugestalten, diese vom Motiv und von der Persönlichkeit herzu formen,wurde zur schönen Aufgabe und auch zum Anreiz des Handwerkers,sein ganzes Können ein zusetzen, um dem Werkstück besonderen Wert zu verleihen. Erfindungsgeist, hand werkliches Können, Fleiß, Ausdauer und Liebe zur Arbeit waren doch stets der Hin tergrund aller künstlerischen Betätigung. So sind im Räume Steyr erste Arbeiten auf dem Gebiet des Eisenschnitts bereits im 17. Jahrhundert entstanden. Eine Bestecksammlung der Grafen Lamberg zeugt von früher Meisterschaft und Eil!' Michael Blümelhuber bei der Anfertigung eines Jagdmessers, am Fensterbrett die Rohform des Linzer Domschlüssels, Bleistiftzeichnung von Ludwig Koch im Heimathaus Steyr. Foto: A. C. Kranzmayr Kunstfertigkeit auf diesem speziellen Ge biet. Wertvolle Stücke dieser Sammlung sind der Stadt erhalten geblieben, darunter auch schon ein Messer mit durchbrochen gearbeitetem Handgriff. Erste Namen und Werkszeichen scheinen auf, so der Name ,,Altenberger" und ,,Englahner". Mit zunehmender Industrialisierung des auslaufenden 19. Jahrhunderts, aber auch durch ausländische Konkurrenzware verlor die Stadt ihre ursprüngliche Vormachtstel lung am Weltmarkt. Dem Rufder Zeit gehorchend und um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, erfolgte im Jahre 1874 die Gründung einer Fachschule in Steyr, einer Schule für Eisen- und Stahl verarbeitung, durch Bürgermeister Gram mer. Schon 1878 wurde diese Anstalt zur k. u. k. Vereinigten Versuchsanstalt und Lehrwerkstätte für Eisen- und Stahlbearbei tung erweitert. Überaus wegweisend und entscheidend für den Stahlschnitt wurde das Eintreten von Gustav Ritzinger als Fachabteilungsvor stand in diese Anstalt. Gustav Ritzinger, am 4. März 1856 in Wien geboren, war Sohn eines Stahlwarenhänd lers. Er besuchte unter anderem die Kunst gewerbeschule des österreichischen Mu seums für Kunst und Industrie. Sehr bald zeigte er seine außerordentliche künstleri sche Begabung. So kam er schon mit 15 Jahren in die Werkstätte des Wiener Stahl schneiders Anton Batsche. Damals war Batsche der einzige Meister,der das seltene Kunsthandwerk des Stahlschnittes noch pflegte. Ritzinger schuf als Direktor der Fachschule Steyr 1894 eine eigene Abteilung für Gra veure und Ziseleure. Diese Lehrstelle wurde mit dem verdienstvollen, künstlerisch ver anlagten Graveur Leo Zimpel besetzt. Die ser wirkte dann bis zum Jahre 1920 an die ser Schule in Steyr. Ritzinger, selbst tätig auf dem Gebiete des Stahlschnittes, wurde der Lehrer des Stahl schnittkünstlers Michael Blümelhuber,denn er erkannte Blümelhubers große Begabung. Er unterrichtete ihn freiwillig in der Kunst des Stahlschnittes. Mit Michael Blümelhuber er lebte der Stahlschnitt nun eine neue Blüte und Krönung. Michael Blümelhuber wurde am 23. Sep tember 1865 in Unterhimmel bei Steyr gebo ren. Sein Vater war Vorarbeiter in der Sä belschmiede des Wiener Hauses Bernhard von Ohligs. Früh befiel den Knaben Michael ein Kieferleiden. Nach Vollendung der Volks- und Bürgerschule trat Blümelhuber 1880 In die Versuchs- und Lehranstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung in Steyr ein. Bei Direktor Ritzinger erlernte er die Technik des Gravierens und des Ziselierens. Er be endete die Schule mit dem Jahr 1883. Er wandte sich nun dem Messerschmied- und Schwertfegerhandwerk zu. 1885 machte er sich selbständig. Seine Arbeiten in den Jahren 1890 und 1900 begründeten seinen Ruf. In seiner Werk stätte schuf er die verschiedensten Stahl schnittarbeiten: Papiermesser, Papiersche ren und Jagdmesser, diese teils schon in feiner Durchbrucharbeit. Graf Lamberg von Steyr brachte einige Werkstücke des Mei sters in seinen Besitz und bereicherte damit seine umfangreiche Bestecksammlung. Durch Graf Lamberg beim kaiserlichen Hof zu Wien eingeführt, wurden dem selbstän dig Tätigen auch von höchster Stelle viele Aufträge zuteil. Nach diesem erfolgreichen ersten Wirken und dieserfrühen Schaffens periode schickte ihn die Stadt Steyr 1889 zur Weiterbildung nach Deutschland. Von nun an beteiligte sich der Meister an diver sen Ausstellungen des Auslands: 1900 Weltausstellung In Paris, 1902 in London. 1901 verleiht ihm Kaiser Franz Joseph I. zu Wien das goldene Verdienstkreuz. Auf Grund der Bedeutung und der Erfolge des Stahlschnittmeisters für Steyr sowie auch für das Land Oberösterreich,erbauten die Stadt, das Land und der Staat zusam men mit Mitteln auch noch aus privaten Händen 1908 bis 1910 das ,,Meisteratelier für Stahlschnitt" in der Schlüsselhofgasse in Steyr.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2