Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

Personenkraftwagen aus Steyr Manfred Brandl Für die mittlere und die ältere Generation von österreictiern sind sie noch ein Begriff, die verschiedenen Typen von Automobilen mit dem markanten ,,Steyr"-Schild. Als ich selber ein Junge war,in den frühen fünfziger Jahren, gehörten sie noch zum Straßenbild von Steyr, besonders die Typen 50/55, 100/120, 200/220. An die anderen Typen kann ich mich nicht mehr so erinnern, sie lernte ich erst später kennen. Wer dachte auch in den goldenen 1950er Jahren mit ih rem rapiden Fortschreiten der Automobil technik und des Karosseriebaus, daß Steyr-Automobile einmal begehrte Oldtimer würden? Erst unlängst annoncierte eine deutsche Zeitschrift einen 1938er 220 mit Gläser-Sonderkarosserie um sage und schreibe 60.000 DM! Die Steyr-PKW, die einst Österreichs Straßenbild prägten und auch in viele andere Länder ihren Weg fan den, sollen nun kurz beschrieben werden. Geboren wurden sie in einem Werk,daszu nächst nur ein Interesse kannte, nämlich Gewehre zu fertigen. Zeitweise war die von Josef Werndl (1831 bis 1889) geschaffene Waffenfabriks-Gesellschaft die größte Ge wehrerzeugungsstätte der Welt, kämpfte aber mit ständigen Absatzschwankungen. In den 1880er und 1890er Jahren dachte man deshalb auch an die Fertigung anderer Produkte: Glühbirnen, Monoline-Setzmaschinen; seit 1894 erzeugte man Fahrräder (,,Waffenrad"). Letztere waren ja damals noch Statussymbole. 1899 lese ich in der Lokalpresse(Alpen-Bote 23. Februar 1899) erstmals vom Besuch eines Autos in Steyr und erstmals von einer Idee, vielleicht in Steyr solche zu fertigen. Es war ein De Dion-Bouton. ,,Das Automobil, von einem Vertreter der betreffenden Automobilfabrik gelenkt, fuhr in raschem Tempo die Directionsstraße hinauf, durch die Sierningerstraße bis zur Gleinkergasse und nahm diese steil ansteigende Straße sowie den bekanntlich sehr steilen Schnallenberg ganz anstandslos in flottem Tempo ... Wie uns mitgetheilt wurde, beabsichtigt die Waf fenfabrik, sich mit dem Bau solcher Automobil-Wägen zu befassen, und es sind die bezüglichen Verhandlungen im Zuge . . ." Doch dann hörte man nichts mehr von sol chen Absichten, obwohl vor dem Ersten Weltkrieg das Waffengeschäft eher flau war. Im Kriegsjahr 1916, angesichts kriegsbe dingter enormer Steigerung der Produktion und auch der Profite, beschloß der Verwal tungsrat im Mai 1916 die Errichtung einer ,,im großen Stile gehaltenen Fabrik zur Er zeugung von Lasten- und Personalautomo bilen". Im August 1916 begannen in Steyr die Vorarbeiten zum Bau der neuen Auto mobilfabrik, ,,einer der größten dieser Art überhaupt". Noch Ende August wurde der Bau an Brüder Grünwald, Wien, vergeben. Als Konstrukteur engagierte man den tüch tigen Dr. Flans Ledwinka, der 1917 nach Steyr zog. Er war verantwortlich für den er sten PKW aus Steyr, den 6-Zylinder Typ II. 1921 ging er wieder nach Koprivnice(Nes selsdorf)zu Skoda.1952,austschechischer Flaft entlassen, sollte Dr. Ledwinka wieder nach Steyr kommen,72 Jahre alt. 1968 be schloß der hiesige Gemeinderat die Benen nung einer Straße nach diesem genialen Konstrukteur, der in und nach dem Ersten Weltkrieg die Grundzüge des Steyrer Auto mobilbaues festgelegt hatte. 1920erst begann die Auslieferung des Steyr Typ II. Am 16. Oktober 1958 legte ein sol cher, von einem jugoslawischen Besitzer gesteuert, die Strecke Belgrad - Steyr in neun Stunden zurück und die Lokalpresse vermeldete, der Wagen habe 300.000 km ohne Reparatur zurückgelegt. Wenn man den Massivautobau betrachtet, der damals betrieben wurde,glaubt man es auch. Nach heutigen Begriffen war der massige Spitz kühlerwagen ein Lastautomobil. H. Schrä der, der sicherlich beste Autohistoriker zum Thema ,,Steyr" (und anderen Firmen), schreibt in seinem Buch ,,Geliebte alte Au tomobile" zu diesem Typ II: War das Auto vom Chassis her durch und durch konventionell,konnte man den Motor alsfürseine Zeit hochmodern, ja fast sensationell bezeich nen. Mit einer Bohrung von 80 mm und einem Hub von 110 mm war er ziemlich langhubig, und seine sechs Zylinder brachten einen Hubraum von 3,325 Liter. Auch die ursprüngliche Leistung von 40PS bei 2400 U/min waren nichts Aufregendes. Die Konstruktion botjedoch, wenn man ins Detail ging, etliche interessante Dinge und war so ro bust ausgelegt, daß sie innerhalb von wenigen Jahren eine Leistungssteigerung um fast das Vierfache zuließ. Die Kurbelwelle hatte Ledwinka dreifach unterteilt und an breiten Flanschen zu sammengeschraubt, die in drei großen Kugella gern mit 200 mm Außendurchmesser liefen. Diese aufwendige Konstruktion erwies sich als sehr verwindungssteif und drehzahlfest. Der Zylinderbiock saß auf einem hochgezogenen, tunneiartigen Kurbelgehäuse aus Leichtmetall und war zusammen mit dem Zylinderkopf in einem Stück gegossen. Die im Winkel von 48 Grad schräg in den Verbrennungsraum hängenden Ventile waren in leicht demontierbaren Körben in den Zylinderkopf eingesetzt und wurden über Kipphebel von einer obeniiegenden Nockenweile betätigt. Magnet und Lichtmaschine saßen oben auf dem Motorgehäuse. Alles in allem war der er ste Steyr-Automobilmotor ein glattes, voll gekap seltes, aufgeräumtes Stück Maschinenbau .. . Von 1920 bis 1924 wurden 2150 Stück des Typ II gebaut. Man stellte sie nicht in Mas senproduktion amerikanischen Stils her, sondern mehr oder weniger in handwerkli cher Einzelarbeit und so schufsich der Typ II auch rasch einen sehr guten Qualitätsruf. Nach dem Typ II erschien bald der leichtere Typ IV mit einem 1814 ccm großen seiten gesteuerten 4-Zylinder-Motor, von dem bis 1925 950 Stück gebaut wurden. Das war nicht sehr viel. Das große, kapazitätsstarke Werk, wohl mit der ganzen Monarchie im Kopf konzipiert, war von Anfang an für das kleine, ausgeblutete Osterreich eine Schuhnummer zu groß. Spektakulär waren demnach auch diverse Streiks und Entlas sungen wie die von 500 Arbeitern im Jänner 1922 und Aussperrungen von etwa4000 Ar beitern Ende September 1925,die erst nach zwei Monaten beendet wurden. Allzuviele Steyrer waren es ohnehin nicht, die sich ein Automobil leisten konnten, und der 70-PSTyp-XVI(1928/29)reichte nach einer Liste, die mir einmal unterkam, preislich im Deut schen Reich in Bereiche, wo bereits Bugatti angesiedelt war; mancher amerikanische Luxuswagen war billiger. Edel, stark und schnell für ihre Zeit waren der Typ VI Sport und VI Klausen mit 90 PS bzw.145 PS,erfolgreiche Sport- und Renn wägen zwischen 1923 und 1928. Von bei den wurden nur 145 Exemplare erzeugt und fast jeder war anders karossiert. 1924/25 wurde in 1850 Stück der Typ V(6 Zylinder, 40PS)gebaut,1925 bis 1929 in 2150Stück der Typ VII(6 Zylinder, 50 PS). Bekannt und verbreitet wurde der Typ XII, ein 6-Zylinder mit 1,56 I Hubraum und 30 PS. Er galt bei seinem Erscheinen 1926 als Sensation. ,,Ein relativ kleiner Wagen, technisch jedoch ebenso interessant wie vom Preis her;in Wartung und Handhabung kein Chauffeurwagen mehr, sondern ein ,,Selbstfahrer"! Als er 1926 auf der Londo ner Olympia-Show debütierte, bedachte ihn die Zeitschrift ,,L'Auto" mit dem Prädikat ,,Das Chassis des Jahres". Er hatte eine Schwingachse! Geschäftlich war er ein Er folg: von 1926 bis 1929 wurden 11.124 Stück gebaut. Wer in einem Zwölfer drinnengesessen ist, freute sich über das enorme Platzangebot des kantigen Gefährts. Bürgermeister Sichlrader von Steyr sorgte im September 1929 für eine kleine Sensation, als er mit einem Typ XII verunglückte. Annoncen bezeichne ten den Wagen, der als Double-Phaeton Ende 1929 8980 S und als Innenlenker 11.280 S kostete, als ,,bewährten und billi gen Gebrauchswagen für Jeden". Typisch für Steyr war die Vorliebe zum 6-Zylinder-Motor. Anläßlich der Internat. Auto mobil- und Motorrad-Ausstellung auf der Wiener Frühjahrsmesse 1928 meinte die Lokalpresse,in den USA bevorzuge man für kleinere Typen den 4-Zylinder und reser viere die höhere Zylinderzahl für Luxusmo-

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