Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

Eines der interessantesten Gebäude der an tiistorischen Objekten reictien Eisenstadt Steyr ist der Innerberger Stadel am Grün markt. Er wird als eines der bedeutendsten Wirtschiaftsgebäude der Renaissance be zeichnet und wirkt mit den Grabendächern, seinem Sgraffittoschmuck und Rustikapor tal wie ein monumentales Bauernhaus. Die Entstehungszeit dieses Bauwerkes reicht in das 16. Jahrhundert zurück, als die Steyrer Stadtobrigkeit den Bau eines Ge bäudes plante,in dem Fleischbänke und ein Getreidespeicher untergebracht werden sollten. Doch erst in den ersten Jahrzehnten des folgenden Jahrhunderts kam es durch die Innerberger Hauptgewerkschaft zur Ausführung dieses Vorhabens. Die Türken kriege, der Bauernaufstand und vor allem die Gegenreformation hatten dies bis dahin verhindert. Die reichgestaltete Fassade des Innerber ger Stadels zeigt über dem Hauptportal das Fresko mitdem Getreidekauf der Brüder Jo sefs in Ägypten. Diese Darstellung beweist, daß das Gebäude nichtzur Einlagerung von Elsen,sondern als Getreidespeicher diente. Die Jahreszahl 1612 unter dem Wappen der Innerberger Hauptgewerkschaft erinnert an die Vollendung. Das Objekt ging am 8. De zember 1628 in städtischen Besitz über. In den kommenden Jahrhunderten hatte die ses Bauwerk ein wechselvolles Schicksal. Der berühmte Stahlschnittmeister Michaei Blümelhuber verhinderte die Realisierung des Planes, den Innerberger Stadel zugun sten eines Postamtes zu schleifen. Der Innerberger Stadel stellt allein schon mit der monumentalen Innenkonstruktion und der Raumaufteilung ein historisches bzw. architektonisches Museum dar. Betritt man die Halle im Erdgeschoß,wird man dann au genscheinlich mit dem ,,Eisenmuseum", dem stichhaltigen Beinamen des Heimat hauses, konfrontiert, da die meisten der darin präsentierten Objekte aus Eisen ge fertigt sind:so das riesige Blutbannschwert, drei Feldschlangen, die Reihe von Stan genwaffen, wie Lanzen, Hellebarden usw., ein eiserner Wandarm als Symbol der gro ßen Marktfreiheit,Panzer- und Rüstungstei le, wie spanische Sturmhauben, und eine Unmenge von Waffen,wie Bihänder,Säbel, Degen, Morgensterne und Roßschinder. Die Vitrinen mit Gewehren verschiedenster Bauarten weisen auf die große Tradition Steyrs in diesem Erzeugungsgebiet hin. Ein technischer Höhepunkt war die Erfindung des sogenannten ,,Tabernakel-Gewehres" von Josef Werndl und Franz Holub. Doch ist es nicht die Absicht, diesen Aufsatz als Führer durch das Heimathaus zu gestal ten,sondern,wie der Titel aussagt,die enge Bindung dieses Museumszum Eisenwesen aufzuzeigen. Die Sammlungen des Heimathauses Steyr fanden in den letzten Jahrzehnten des vori gen Jahrhunderts ihren Ursprung, als man sich gesteigert für die Geschichte der Stadt Steyr interessierte und bestrebt war, deren gegenständliche Zeugen zu erhalten, aus zustellen und der Nachwelt zu überliefern. 1894 nahm die Stadt die meisten privaten Sammlungen,vor allem die der Bürgerfamiiie Kautsch, in ihre Obhut und stellte sie zu nächstim Rathaus auf.1898kamen die Ob jekte in die neuerrichtete Industriehaile und schließlich 1913 in den Innerberger Stadel. Die Räume in den verschiedenen Stockwer ken und die späteren Zubauten geben vielen Schaustücken einen stimmungsvollen Rahmen. In der Gliederung und in den ein zelnen Bereichen ähnelt das Heimathaus Steyr vielen anderen Museen ähnlicher Größe. Die Vor- und Frühgeschichte,Stadt geschichte, Bürger- und Handwerkskultur, die Rechtsaitertümer, die Kunst der ver schiedenen Epochen, die Volkskunde in ih ren mannigfaltigen Ausdrucksformen neh men verständlicherweise großen Raum ein und finden ihre entsprechende museale Darbietung. Leider Ist wertvolles, in Depots gelagertes Kultur- und Ausstellungsgut durch den Raummangel dem Besucher nicht zugänglich. Die Eisenstadt Steyr kann nunmehr auf eine eintausend Jahre lange kontinuierliche und überschaubare Geschichte zurückblicken. Steyr war durch seine Lage an einem wichti gen Handelsweg, bevorzugt durch die Gunst der Landesfürsten und durch eigenen Fleiß,Immer einer der wichtigsten Handels orte im österreichischen Raum. Vor allem die Nähe des Erzberges und die vorhande nen Wasserkräfte waren für die Entwicklung desstädtischen Gemeinwesens und dessen Wohlhabenheit von entscheidender Wich tigkeit. Diese schicksalhafte Verbundenheit mit dem ,,schwarzen Metall", die noch in unse rer Zeit Bedeutung besitzt, findet in einigen Sammlungen des Heimathauses sichtbaren Ausdruck. So ist die Bezeichnung ,,Eisenmuseum"für das Heimathaus Steyr zutreffend, denn es ist ohne Zweifei und ohne Einschränkung als Spezialmuseum auf dem Gebiete des Eisenwesens anzusprechen, zeigt es doch den Sensenhammer, die Nagelschmiede, die Bauernschmiede, die Petermandlsche Messersammlung, die Lambergsche Be stecksammlung und darüber hinaus domi niert das Eisen in den anderen Beständen, wie bei den Waffen, Rechtsaltertümern, Grabkreuzen, Gegenständen des täglichen Gebrauches, Fenstergittern, Wirtshaus schildern usw. Die augenfälligste von den genannten Sammlungen ist der Sensenhammer. Der notwendige Zubau,in dem die Bestände der Sensenschmiede aufgestellt wurden, ist eine fachgerechte Nachbildung einer alten Werkstätte. Die Erzeugung von Sensen und Sicheln war bis in dasspäte Mittelalter mühevolle Hand arbeit. Ab dem 14. Jahrhundert wurde die Wasserkraft zu Hilfe genommen und wur den Hämmer errichtet. Die in unserem Ge biet erzeugten Sensen erlangten ,,Weltruf" und wurden in verschiedenen Modellen in alle Länder der damals bekannten Welt ge liefert. Sogar russische Kaufieute kamen wegen der qualitätsvollen Erzeugnisse nach Steyr. Im späten 16. Jahrhundert entwickelte sich die Erzeugung dieses ,,Bauernkleinodes" zur Industrie. So konnten manche Betriebe auf ein ,,Tagwerk" von achtzig bis zweihun dert Sensen verweisen. Der Sensenhammer im Heimathaus Steyr zeigt den technischen Stand zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia. Anschaulich wer den dem Besucher die Herstellung des Stahles,die Erzeugung und der Versand der Sensen sowie die sonstige Tätigkeit der Sensenschmiede nahegebracht. Dem Sensenhammer ist die notwendige ,,Kram", der Sortier- und Verpackungs raum, angeschlossen, wo die Erzeugnisse vom Meister begutachtet und schließlich in eigenen Fässern raumsparend zu je fünf hundert oder eintausend Stück verpackt wurden. Im Schauraum dominiert der Breithammer, an dem der Eßmeister arbeitete. Eine Remi niszenz an die Türkenzeit sind die Eisenku geln auf dem Traggerüst dieses Hammers. Auch die Sensenschmiede waren gegen die Eindringlinge aus dem Osten aufgeboten worden und schlugen sich überaus tapfer. Als Anerkennung durften sie erbeutete tür kische Kanonenkugein daheim zur Schau stehen. Die andauernden Hammerschläge erschütterten die Kugein, so daß diese durch die Bewegung stets blankgescheuert wurden und von einem guten Geschäfts gang zeugten. Im Zuge des Ausbaues des Eisenmuseums wurde im Jahre 1968 an den Innerberger Stadel eine Nagelschmiede angeschlossen. Neben dem Sensenhammer sollte in der Nagelschmiede ein sehr alter, mit Eisen verbundener Handwerkszweig seine mu seale Darstellung finden und spätere Gene rationen an den einst überaus wichtigen Be ruf erinnern, der nach dem Zweiten Welt krieg kaum mehr ausgeübt wurde.

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