Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

See der Deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg hat Lettenmair Erfahrungen auf den Meeren gesammelt und manche Welt gegend kennengelernt, auch Dalmatien. So hat er die Dalmatiner in ihrer Urwüchsigkeit in seine Erzählungen einbezogen, in denen er, was Aussagekraft und Schönheit der Sprache anbelangt, nicht hinter den Erzäh lungen des Nobelpreisträgers Ivo Andric nachsteht. Daß sich Josef Günther Letten mair in den letzten Jahren fast nur mit Immer neuen Auflagen seines ,,Orientteppich-Bu ches",das in 42Ländern erschienen ist, be schäftigt hat, muß lobend anerkannt wer den, der Erzähler Lettenmair kommt seither jedoch zu kurz. Es sei in diesem Zusam menhang sein Roman ,,Mirko und Alke" er wähnt, vor allem aber seine Erzählung ,,Aska weint", die als echte Dichtung ange sprochen werden muß. Wie steht es nun mit Dora Dunk!, die aus Würzburg stammt und durch Heirat nach Steyr gekommen ist? Sie hat sich in den letzten Jahren In Gedicht und Prosa profi liert, meidet die Mode, wenngleich sie durchaus zeitnah ist. Daß sie seit einigen Jahren vielfach antike Themen aufgreift, hängt wahrscheinlich mit ihren früheren Studien (Kunstgeschichte), aber auch mit ihrer Ehe miteinem Architekten aus bekann ter Steyrer Familie zusammen, den sie erst vor kurzem durch Tod nach langer schwerer Krankheit verloren hat. Othmar Capelimann, aus Mähren zuge wandert, Ist mit seinem Festhalten an klas sischen Gedichtformen, die er mit neuen Gedanken erfüllt, in Steyr zur Reife gelangt, sowohl die Steine, als die Landschaft ringsum haben zu ihm gesprochen. Gleich zeitig hat er sich als Herausgeber verschie dener, meist lyrischer Anthologien als Lite rat mit einem beachtlichen Wissen in der deutschen Literatur weiten Kreisen bekannt gemacht. Roman Romay, ein Großraminger, der be tagt in Innsbruck lebt, ist mit Gedichten und Laienspielen, darunter einem ÖsterreichSpiel, und Hörspielen für Kinder, auf die ihn gewiß sein bürgerlicher BerufeinesSchuldi rektors hingeführt hat, hervorgetreten. Auch mit Grillparzer hat er sich eingehend be schäftigt. Von den anderen ,,Außenseitern", die mit Steyr in Berührung gelangt sind und allen falls von dieser Stadt etwas angenommen haben, sei zuerst Carl TInhofer angeführt, der einige Jahre in Steyr lebte und durch seine Romane als Arbeiterdichter im Sinne christlicher Gewerkschaften aufgefallen Ist, sich dann aber - leiderl - ausschließlich der Tagesjournalistik(Sonntagspost, Wörgl/Tirol, deren Chefredakteur er zuletzt war) er geben hat und dabei als Schaffender unter gegangen ist. Er starb 1970 im Alter von 65 Jahren und ist in Kundl begraben. Er hätte durchaus die Qualifikation eines Alfons Petzold erreichen können. Umgekehrt verhältes sich m\tErich Zdenek. Er, der heute Siebzigjährige, hat am Real gymnasium in Steyr maturiert und war nach seinem Universitätsstudium an den Gymna sien in Gmunden und Klagenfurt Professor für Deutsch und Englisch. 1978 hat er mit dem Fernsehspiel ,,Praxis" Im österreichi schen Fernsehen debütiert. Er hatte einen Stoff aus seiner Laufbahn gewählt, die ihm viele Einsichten brachte. Gegenwärtig ar beitet er an einem ähnlichen Stück. Erich Zdenek ist ein sehr fortschrittlicher Pädago ge, in seiner literarischen Tätigkeit insofern tolerant, als er In seiner Fernsehmitarbeit diesem Prinzip huldigt oder es doch so sieht: ,,Es ist Sache der Lehrer, mit welchen der dargestellten Typen sie sich identifizieren." Er will sich also In seinem Ruhestand in der Rückschau auf Erlebtes besonders an seine Kollegen wenden. Das Ist ein klares Vorha ben, das sich so mancher arrivierte Autor des Fernsehenszum Vorbild nehmen sollte. Der Elsenwurzen mit ihrem Hauptort Steyr gehört auch Mundl Schöngruber an, ein Bauer aus Pichl bei Windischgarsten, leider schon Nebenerwerbsbauer,ein Erzähltalent, dessen sich nach Romanveröffentlichun gen in Zeitungen erst 1976 ein heimischer Verlag angenommen hat, indem er seinen neuen Roman ,,Die veruntreute Erde" her ausbrachte. Es handelt sich darin um ein Problem, das von den Städtern gar nicht oder selten erkannt wird, um die Aussied lung von Bauern einer ganzen Berggegend zugunsten eines Wasserkraftwerkes mit ei nem Stausee, in dem die weitgestreute Siedlung verschwinden soll. Da reißt die Lahn das aus Geldgier abgeholzte Gelände mit den Häusern vorzeitig weg. Der Hund, das Tier schlechthin,die unverbildete Krea tur, hat die Katastrophe in ihrer Nähe ge spürt, nicht der Mensch,außer der eine,der Luser, der aber umsonst dagegen aufgetre ten ist. Ein Thema für einen neuen Rosegger! ,,Mensch und Vieh bangen um ihr Le ben, doch nur der Mensch macht sich Ge danken um Tod und Untergang,das Tier lebt im Augenblick", heißt esam Schluß.Schön gruber schreibt nicht so volkstümlich wie der steirische Volksdichter, er hat ein sehr knappes,dynamitgeladenes Deutsch in sei ner Feder, oft zu verdichtet, um gleich ver standen zu werden. Wir erwarten von dem jetzt rund fünfzig Jahre alten Autor bald ein ähnliches Buch.Es könnte,so muß man an nehmen, im Wort lockerer sein. Die Fabel stimmt. Hier hat einer gesprochen, der die Bergbauern besser kennt als mancher Poli tiker, der sie vertritt. Wie Dora Dunkl ist Marien Haushofer durch Heirat Steyrerin geworden. Geboren wurde sie 1920 als Marie Helene Frauendorfer In Frauenstein bei Mölln,im Steyrtal also, wo in der Kirche die Schutzmantel- und Rosen kranzmadonna des Gregor Erhart steht. Als sei sie ihr Schützling gewesen, so entwikkelte sich ihr dichterisches Werk, angefan gen von dem Roman ,,Eine Handvoll Leben" über ,,Tapetentür", ,,Die Wand", ,,Der Himmel, der nirgendwo endet" bis zum Er zählband ,,Schreckliche Treue" und dem Roman ,,Dle Mansarde",eine sehr reale,in trovertierte Schau des Reifens eines Mäd chens aus kleinem Dorfzur Frau,die im Rin gen um frauliche Emanzipation doch immer wieder in die Geburtsheimat,so sehr sie ihr entwachsen ist,zurückfindet und allem We sen treu bleibt, das ihr Nächstes ist, auch zu den Menschen,die sie einmal als Freun de ausgewählt hat,eben In dieser,,schreck liche Treue" der Titelerzählung ihres Ge schichtenbandes. Selbstbiografisches ist in alle ihre Bücher hineingeflossen, wird auf gehellt von allgemeinen Erlebnissen, die aus dem Freundeskreis herbeigeholt und miterlebt sein mögen, Dichtung und Wahr heit, die schöpferische Leistung einer Frau unserer Epoche,die sich in unserer Zeit und ihrer scheinbaren Ausweglosigkeit umge sehen hat. Schon ihre Gedanken zur frauli chen Emanzipation sind originell. Sie zeigen zum Unterschied von blindwütigen Emanzen einen gangbaren Weg für die Frau von heute, ein eigenes Leben zu leben und nicht etwa ein Matriarchat, in dem alles, was bis her die Männer gemacht haben, nun auf die Frauen übergeht. Daß Marlen Haushofer 1970 nicht ganz fünfzigjährig plötzlich ge storben ist, mag unter dem Schütze der Frauensteiner Madonna geschehen sein, denn wen der Himmel Hebt, den nimmt er früh zu sich. Andererseits ist mit dieser Frau viel zu bald eine Dichterin von uns gegan gen, die in poetischer, dabei aber durchaus realer Sprache ihr eigenes Leben in ihr Werk getragen hat. Noch einen ,.Außenseiter" in der neuen Steyrer Literatur gilt es vorzustellen, W. J. M. Wippersberg, der in Losenstein wohnt und Kinderbücher mit neuen Ideen, einige Problemdramen, die frei von Effekt hascherei sind, und Fernseh-Features her ausgebracht hat, einer, der nichts überha stet, wie es scheint, und alles reifen läßt, also ein ernstzunehmender junger Schrift steller. Einer,der Steyr nur gestreift hat und mitsei nem Hauptwerk,daser nicht vollendete, be rühmt geworden ist, sei außerhalb jeder

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