Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

Volkstheater schrieb, darum auch bei den Tirolern der,,Stuck Jörg" heißt. Man spielt dort noch heute - das Theater besteht seit 1618 und wurde, ein seitsamer Paraiieiismuszu Steyr,von Eisenarbeitern begründet - einige seiner Ritterspieie, die eine nicht alltägliche Begabung für das Drama zeigen, aiierdings bei großer Unbekümmertheit des Autors um seinen Stoff. Der unermüdliche Erforscher der bairischen Landschaft - Ludwig Steub - hat ihn für die breite Öffent lichkeit entdeckt und nachträglich zum ,,Bauern-Shakespeare" ernannt, was man als Ehrung auffassen muß. Für jedes Stück bekam er 11 Gulden Honorar, diesen Zu schuß hatte er als Familienvater mit großer Kinderschar auch bitter nötig. Das protestantische Schultheater in Steyr hing aufs engste mit der evangelischen La teinschule zusammen,die im Dominikaner kloster untergebracht war und der berühm ten Linzer Lateinschule nicht nachstand. Zwei bedeutende Rektoren dieser Steyrer Lateinschule erwiesen sich auch als Drama tiker von Rang: Thomas Brunner (auch Prunner, gräzisiert Pegaeus), Discipulus Melanchthons zu Wittenberg, in Landshut geboren und von 1558 bis 1571 in Steyr an sässig, wo er auch starb, und Georg Mauri tius der Altere, sein Nachfolger, der aus Nürnberg stammte, ab 1558 an der Univer sität Wittenberg studierte, 1562 Magister wurde und es bis zum außerordentlichen Professor an der philosophischen Fakultät dieser Universität brachte. Kurz in seiner Vaterstadt Nürnberg, kam er 1572 nach Steyr und verblieb hier bis 1600. Dann ging er wieder nach Nürnberg zurück, wo er 1610 starb. War Thomas Brunner der beschauliche, so Georg Mauritius der Ältere der nach unse rem Wortgebrauch nonkonformistische Dramatiker, angreifend, dies ganz im Sinne der Zeit, die nach dem Tod Luthers(1546) schon in scharfe Auseinandersetzung von Reformation und Gegenreformation geraten war. Nach Georg Mauritius des Alteren Ab gang wurde auch in Steyr die Gegenrefor mation durchgeführt,das katholische Schul theater kam durch Rektor Wolfgang Lindner aus Weistrach a. d. Ybbs wieder zu Wort, unterstützt vom Kloster Garsten, konnte sich aber nicht halten. Die protestantische Herrschaft in Steyr war zu stark und so kam es zwischen 1608 und 1624 zu einer neuen Blüte des protestantischen Theaters. Die Strafkommission der Gegenreformation, die nun zu den schärfsten Mittein griff, setzte dem protestantischen Theater durch Aus weisung aller protestantischen Schulmei ster und Geistlichen ein Ende. Aber erst 1627 zogen die Dominikaner wieder in ihr Kloster ein, nach ihnen, im Jahre 1630, ka men die Jesuiten, die fünf Jahre danach ihr Gymnasium am Michaelerpiatz eröffneten. In all der Zeitzwischen 1569 und 1669,also hundert Jahre,führten auch die Bürger und wandernde Komödianten ihre Spiele in der Stadt auf. Darunter fällt das schon erwähnte Auftreten von Niclas Lindtwurm. Soviel überliefert ist, hielten die Steyrer Meister singer ihre Veranstaltungen in der Domini kanerkirche am Stadtplatz ab, in der heuti gen Marienkirche. Ein neuer Höhepunktfür die Literatur stellte sich in Steyr wieder in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts ein. Ais Literat, der aus der so ruhmwürdigen Eisenstadt des Landes ob der Enns kam, stellte sich in der Metropole Wien Aloys Blumauer mit seiner Travestie ,,Die Abenteuer des frommen Helden Aeneas oder: Das zweyte Buch von Virgils Aeneis" vor. Goethe sagte über den ersten Band dieser Travestie, er sei unterhaltend, aber auch von ,,grenzenloser Nüchternheit und Plattheit", Wieland äußerste sich über schwenglich über Idee und trefflichen Witz des Werkes. Aloys Blumauer wurde 1755 im Haus Enge Gasse Nr. 2 als Sohn des Eisen- und Ge schmeidehändlers Melchior Friedrich Blumauer geboren. Eine Gedenktafel weist auf dieses Ereignis hin. Mit seiner Travestie rückte er zum bedeutendsten Dichter der Josephinischen Aufklärung auf,ein Beispiel dafür, daß Ereignisse der Gegenwart im Kleid der Vergangenheit, hier war es die Reise des Papstes Pius Vl. zu Kaiser Jo seph nach Wien, seit je eine große Leser schaft erzielen können, vor allem dann, wenn sie mit Witz durchtränkt sind. Blumau er, der frühere Jesuitennovize, war plötzlich nach mageren Jahren als Hofmeister in alier Munde,wurde aber auch von dem jüngeren Van Swieten, Vorsteher der Hofbibliothek, gefördert. Nachdem sein Theaterstück ,,Erwine von Steinheim" mit einem Preis ausgezeichnet und am Burgtheater aufge führt worden war, erhielt er noch die Stelle eines Bücherzensors, eine Aufgabe, die er, wenn auch nicht allzu streng, sachlich durchführte. Sosehr der erste Band seiner Travestie als das Buch dieser Jahre(1783 bis 1786)eingeschlagen hat, so wenig der zweite und dritte. Auch von der,,Erwine von Steinheim" blieb nur Rührseligkeit, die nicht zu überwinden war,und man wunderte sich, wie dieses Bühnenwerk einen literarischen Preis bekommen und am Burgtheater auf geführt werden konnte. Nur noch Blumauers ,,Lled von Belgrad" schlug beim Lesepubli kum ein. Er wurde dann Buchhändler,geriet in Schwierigkeiten,weil erzu viele Schulden hatte übernehmen müssen, und starb 1798 nach schwerem Lungenleiden im Haus sei ner Geliebten, der reichen Madame Katha rina Hackl. Als spiele bei ihm nochmals die Satire auf: sein Erbe war sein Bruder Wolf gang, Pfarrer in Marchtrenk bei Weis. Er verzichtete darauf,das Erbe seines Bruders in der Höhe von 106.500 Gulden Passiva (gegenüber 292 Gulden 49 Kreuzer Aktiva) zu übernehmen. Sonst wäre es dazu ge kommen, daß sich ein katholischer Priester die übergroßen Verpflichtungen hätte aufla den müssen, die einer der größten Gegner seiner Kirche zurückließ. Ein anderer Steyrer Dichter, der Lyriker Jo hann Mayrhofer, war auf seine Weise un glücklich. Es ist bekannt, daß er ein Freund Franz Schuberts war, der 47 seiner Ge dichte vertont hat. Geboren wurde er in Steyr im Jahre 1787. Seine Freunde haben ihn als einen ungemein zwiespältigen Men schen geschildert, als einen Zweifler, der Melancholie und Weltverachtung pflegte wie charakterlich ausgeglichene Bürger die Rosen in ihrem Garten. Er war ein Einsamer bis zum Extrem, den nur Schubert aufmun tern konnte. So setzte er auch 1836 seinem Leben in Wien ein Ende;er stürzte sich vom obersten Stock des Amtshauses am Lau renzerberg hinab und starb am nächsten Tag. Grillparzer hat seine Gedichte hart kri tisiert. Sicherlich ist er nur durch seine Zu sammenarbeit mit Schubert unsterblich ge worden, um ein großes Wort gelassen zu gebrauchen. Für ihn hat er auch die beiden Operntexte ,,Die Fremde von Salamanca" und ,,Adrast" verfaßt, die den Tondichter zu einer Fülle von herrlichen Melodien ange regt haben. Hätte er nicht mehr vollbracht, so wäre dies genug. Er hat auch Schubert immer wieder bestärkt, Goethes Gedichte zu vertonen. Das sollte über das Literari sche hinaus für sein Menschliches spre chen, für seine Bescheidenheit, sich zu rückzustellen vor einem Größeren. Was diese Beratung für uns bedeutet,können wir ermessen, wenn wir diese Lieder auf uns wirken lassen. Als Bücherzensor urteilte~er härter als sein engerer Landsmann Biumauer. Sein ,,Nachgefühl an Franz Schubert" vom 19. November 1828 spricht noch heute für ihn. Aber nun war er allein; der Freund, mit dem er zeitweise zusammengewohnt hatte, war für immer gegangen. Nach acht Jahren schied auch er. Ais ob durch die Besuche der Schubertianer mit ihrem Anführer, dem Hofopernsänger Johann Michael Vogl, Sohn eines Steyrer Schiffmeisters, die Gegend um die Stadt für alle anderen Wiener Kreise erschlossen worden sei, tauchten neue Gäste auf und schwärmten in die Täler ringsum und auf die Berge aus wie vorher Erzherzog Johann im

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