Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 4, 1979

DasStadtbild von Steyr in alten Ansichten Volker Lutz Steyr begeistert noch heute aufmerksame Einheimische und interessierte Gäste. Vor allem die Altstadt, die in früheren Jahrhun derten den eigentlichen städtischen Bereich darstellte, lockt durch kostbare architekto nische und historische Baudenkmale viele Besucher an. Steyr hat In vielen literarischen Schöpfun gen seine Beschreibung, Darstellung und sein Lob gefunden. Man denke nur an die mittelhochdeutschen Epen von ,,König Laurin" und ,,Biterolf und Dietlelb", an Heinrich von Ofterdingen,an den Meistergesang,der in der Elsenstadt zwar nur kurz blühte, aber bleibende Werke hinterließ, an Adalbert Stifter, Enrica von Handel-Mazzettl sowie an die Historiker Wolfgang Lindner, Valentin Preuenhueber, Franz Xaver Pritz, die uns die geschichtlichen Ereignisse überliefer ten. Fast die gleiche Motivation ließ Zeichner, Kupferstecher und Maler zu Ihrem Werk zeug greifen, um das Stadtbild Ihrer Zelt festzuhalten oder einzelne Objekte bildne risch zu schildern. Der Umraum,in dem sich die Stadt entwikkeln konnte, war durch die Natur vorgege ben. Zwei tief eingegrabene Flußtäler tref fen sich unter einem aufragenden Berg, der bereits in historisch noch nicht erhellter Zeit die Styraburg trug,deren erste Nennung vor rund eintausend Jahren den Beginn der kontinuierlich überschaubaren Stadtge schichte darstellt. Im Anschluß an diese Burg entstand eine Siedlung,die sich später auch auf das tiefer gelegene,daher von Hochwässern stets ge fährdete linke Ufer der Enns ausdehnte und dort Ihre bauliche Ausprägung fand. Augenfällige sakrale und profane Bauten sind Zeugen der reichen Stadtgeschichte, Beweise des Selbstbewußtseins, des Flei ßes und der Eigenständigkeit der Stadt bewohner. Doch haben auch widrige wirt schaftliche und politische Ereignisse, wie Kriegsjahre und Notzeiten, Katastrophen, Brände und Überschwemmungen,Im Laufe der Jahrhunderte die Ansichten der Stadt Steyr verändert und stark beeinflußt. Diese Ereignisse sowie die Gründung und Errich tung von Bauten erleichtern die Datierung von Stadtansichten. Die erste Ansicht, welche die Stadt Steyr zum Thema hatte, entstand als Holzschnitt um 1470 in Nürnberg,ein Werk,das 1493in die ,,Weltchronik" von Hartmann Schedel aufgenommen wurde. Erst in den fünfziger Jahren unseres Jahr hunderts konnte die Darstellung der alten Eisenstadt Steyr zugeschrieben werden. Für dieses Erkennen waren vor allem die Darstellung der Steyrer Stadtpfarrkirche und die richtige Deutung der Auffahrt zur Styraburg ausschlaggebend. Dagegen sind alle anderen Einzelheiten topographisch sehr ungenau gehalten. Der Verfasser der damals überaus berühm ten ,,Weltchronik" war der Humanist und Stadtarzt zu Nürnberg Hartmann Schedel (1440 bis 1514). Mit Michael Wolgemut(1434 bis 1519)hatte der Holzschnitt einen sehr begabten Künst ler als Urheber.Wolgemut hatte in Nürnberg durch die Heirat mit der Witwe des 1472 ver storbenen Malers Hans Pleydenwurff auch dessen Werkstatt übernommen. Von 1486 bis 1490 war er Lehrer des bedeutendsten Künstlers dieser Epoche, Albrecht Dürer. Die Stichhältigkeit dieser Zuschreibung be weistauch die Schedelsche Einordnung des Holzschnittes unter die Überschrift ,,Von Österreich" und die Verwendung dieses Bil des zur Illustration des Abschnittes ,,Von Steyr, einer Gegend Deutschlands". Dar über hinaus sind in einem Teil des Bildes die Buchstaben RIA erkennbar, die vermutlich den zweiten Teil des Wortes ,,Styria" dar stellen. Der erste Teil ist durch Schraffur nicht erkennbar. Die Aufnahme des Bildes von Steyr in eine Nürnberger Buchausgabe läßt sich durch die engen Verbindungen zwischen den beiden Handelsstädten im 15. Jahrhundert erklären. So Ist auch das prächtige Marmorrelief des Nürnberger Handelsherrn Kunz Horn, das 1489 In der heutigen SIerninger Straße errichtet wurde, als augenfälliges Denkmal dieser Bezie hungen zu werten. Auch die Sakristeitür der Steyrer Pfarrkirche stellt ein Geschenk der Stadt Nürnberg dar. Der Künstler Wolgemut scheint den Holz schnitt anläßlich einer Durchreise in Steyr angefertigt zu haben, als er seinen in Krems an der Donau lebenden Sohn besuchte. ,,Es ist mehr eine Komposition, eine Zu sammenstellung von einzelnen Beobach tungen von typischem unpersönlichem Ge präge, ein aphoristisches Zusammendrän gen der als wesentlich erkannten Glieder ei ner Stadt, der wichtigsten Merkmale, wie Kirchen, öffentliche Gebäude, Türme und Stadtmauern. Das Konglomerat von Gie beln und Dächern tritt demgegenüber zu rück, aufs Notwendigste gekürzt und be schränkt, also nicht auf ein getreues Abbild der Stadt von einem bestimmten Blickpunkt aus kommt es an, sondern auf die Sichtbar machung der ausschlaggebenden Merk male ohne Rücksicht auf Maße und Größen verhältnisse auf Kosten des weniger wichti gen"(M. Scheffolt). Die linke Hälfte des Bildes beherrscht die Pfarrkirche, östlich des Turmes erkennt man das von Baumeister Hans Puchsbaum gotisch gestaltete dreischifflge Chorhaupt, das ab 1443 errichtet, aber erst nach dem Tod des Meister 1455 vollendet worden ist und noch heute besteht. Der Westtrakt so wie der Turm zeigen noch Formen der Spät romanik. Der Turm in seiner gotischen Form stand erst In den siebziger Jahren vor seiner Vollendung. Der rechte Teil des Bildes zeigt den Schloß berg, die Auffahrt zur Styraburg. Das in die ehemalige Hofgasse überleitende Tor stand bis zum Jahre 1838. Das unmittelbar an schließende Gebäude gehört entweder zur Burg selbstoderzu den Häusern in der heu tigen Berggasse. Der Aufgang ist gegen die Stadt durch zwei Mauern gesichert. Die durch vier Tore verstärkte stadtseltige Befe stigung wird durch ein Gebäude abge schlossen, das an das ehemalige Ennstor erinnert; doch soll nach Preuenhueber die ses Stadttor erst um 1480 errichtet worden sein. Im gleichen Jahrzehnt der Entdeckung der Wolgemut-Schedelschen Ansicht der Stadt Steyr wurde die 1554 datierte Radierung des Hans Heinrich Lautensack gefunden. Bis dahin galt der Kupferstich des Gold schmiedes Wolfgang Hauser aus dem Jahre 1611 als die älteste Ansicht der Stadt Steyr. Erst durch die Ausstellung ,,Kulturdoku mente Österreichs aus dem Germanischen Nationalmuseum In Nürnberg" vom 29. Au gust bis 28. September 1958 in der Neuen Galerie der Stadt Linz und durch eine Veröf fentlichung über Lautensack In den ,,Nürn berger Forschungen" wurde man in Steyr auf die noch ältere Ansicht aus dem Jahre 1554 aufmerksam. Annegrit Schmitt, die Autorin dieses Aufsat zes, befaßte sich eingehend mit den Arbei ten Lautensacks und erkannte an Hand der Stiche von Wolfgang Hauser und Matthäus Merlan in der überdies seitenverkehrten Radierung eine Ansicht der Stadt Steyr. Bis dahin war diese Vedute als eine der bei Lau tensack oft anzutreffenden phantastischen Landschaftsdarstellungen angesehen wor den. Hans Heinrich Lautensack wählte als Standpunkt für seine Gestaltung wie spä tere Maler die Stelle des ehemaligen Wachtturmes und des jetzigen Restaurants am Tabor.So Ist auf dem Bild rechts im Vorder grund nur ein kleines Gebietder am Fuß des Tabors gelegenen Vorstadt ört mit dem ehemaligen örtitor in der Schlüsselhof gasse zu sehen. Dieses Tor am linksseitigen Steyrufer wurde im Jahre 1891 abgebro chen. Die einstige Spitalmühle und die Bürgerspitalsklrche sind nicht dargestellt. Ähn lich wie bei Wolgemut werden nur die wich tigsten Gebäude hervorgehoben, so die

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