Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 3, 1979

mend wie ein Lebendes, voll männlichen Ernstes, stolzer Demut, alt und jung zugleich, himmlisch und irdisch, zu jeder Stunde Offenba rung, Glück, Verheißung, zu jeder Stunde Rätsel, Bedrängnis, Frage. Es kamen Tage, an denen wir die Kathedrale ließen, nicht, weil wir uns sattgesehen hätten daran, nur, weil wir Abstand gewinnen woll ten, Besinnung, Erklärung. Wir flüchteten vor ihr und wanderten aus der Stadt hinaus, bis auch die letzten, halb verfallenen Lehmhäuser hinter uns blieben und die Felder sich breiteten. Und du, einsames Wegkreuz, wo das Asphaltband weiterlief nach Süden, die Bauernge fährte aber rechts und links sich wandten nach Barjouville und Vauparafonds, du schenktest uns das zweite Wunder dieser Landschaft: ihren Flimmel! Wir hatten ihn bisher nur stückweise gesehen, zerrissen, in Fetzen geschnitten durch Mauern und Dächer, hier wölbte er sich in unfaß barer Weite, lag wie eine Glocke der Unendlichkeit über dem flachen Lande, ließ sich in Gnaden tragen durch ferne Wälder, verebbendes Bauernland, duldete noch in Großmut, daß Pappelreihen am Ende der Welt sich in seine Unermeßlichkeit drängten. Wir standen in Wahrheit überwältigt vor diesem Himmel, hatten noch nie seinesgleichen gesehen, nicht in der heimatlichen Mitte, nicht in den Ebenen des Ostens, am nördlichen und südlichen Meer, auch in diesem Lande nicht, das uns in allen Teilen erschlossen war. Ach, es war nicht allein die Weite, sie hätte starr sein können, öde, entseelt, aber dieser Himmel lebte! Tag um Tag hättest du schauen mögen und wärest nicht satt geworden der Farben und Formen, die wieder und wieder, in unaufhörlichem Fluß, wechselten, eins das andere gebaren, eins das andere verzehrten, Tod und Leben in ei nem, und beide voll der blühendsten Kraft. Dieser Himmel konnte spielen wie ein Kind, mit krausem Pinsel Stri che drehen und Kreise ziehen, zarter als Flaum und leichter als eine Feder, im makellosen Weiß des Schwans und dem heimlichen Rot des Flamingos, ein Blattwerk seltsamer, doch berückender Art, ein Blu menbeet des verlorenen Paradieses. Dieser Himmel konnte jubeln wie ein Jüngling, mit leuchtenden Burgen und schimmernden Schlössern, mit Bergen von Glanz und Gebirgen aus Glast, in dunkle, ferne Bläue gestellt, er konnte träumen wie eine stille Frau, mit lan gen, zerflatternden Fahnen der Sehnsucht, mit müden Schleiern des Herzleids, in letzter Dämmerstunde gewoben. Dieser Himmel konnte zürnen wie ein Mann, Wände der Drohung bauen, aufreißen die Ab gründe der Vernichtung, Feuer über die Erde schicken, brennen und sengen im schwefligen Gelb und selbst ein Ende finden im grauen Schiefer des Todes. Doch eines Tages - was an diesem Tage geschah, vermöchte keine Feder zu beschreiben, und hätte ein Pinsel versucht, es festzuhalten, es wäre doch immer wieder nur ein Teü gewesen, sein Liebliches, die Hoffnung, die Gewalt, das Brausen. Ein Musiker vielleicht, soferne er gesegnet, er hätte Ähnliches schaffen können, im leisen Singen der Geigen, ihrem rauschenden Anstieg, im Schürfen und Graben der Bässe zur Tiefe, dem Vogelflirren der Flöte, der Harmonie der Hör ner, im Schlachtruf der Posaunen und dem Gehämmer der Pauken, im Aufschrei des geschlagenen Beckens; im allgewaltigen Zusammenklang der Himmel und Hölle erfassenden Symphonie. Denn eine Symphonie war der Himmel der Beauce an diesem Tage, war Seide nun und scheues Zittern, edler Malachit und gleißendes Gold, wabernde und fressende Flamme zum dritten, Gift und Dolch und Strick, war heulender Schatten und flirrendes Licht, Geburt in Schmerz und Erlösung in Jubel, war mehr als eine Symphonie, war Revolution, Weltuntergang, Weltaufgang . . . doch was sollen alle Worte! Wir standen, und wären wir jünger gewesen, hätten wir uns an den Händen gefaßt. Und wäfirend die Augenblicke vorübergingen wie der Schlag der Herzen und die Stunden sich rundeten, ward uns denn an diesem großen Tage auch das Geheimnis der Kathedrale kund: vor diesem Himmel konnte ein Mann nur Bauer sein, Krieger oder Künstler. Er konnte nur niederknien und beten und der Gnade warten oder der Verderbnis, die ihm gesandt ward, oder er mußte flüchten und in Lärm und Trubel sein Vergessen finden. War da aber einer, der das Feuer des Schöpfers im Blute trug, der mußte lachen und weinen des Tages, der mußte nachts aus seinen Träumen geris sen werden und durfte keinen Schlaf mehr finden, der mußte gequält werden und gepeinigt von diesem Himmel so lange, bis er aufstand und die Arme emporreckte in heiligem Zorn und schwor, den Gewal tigen zu überwältigen. Und er mußte anheben mit seinem Werk im Glauben und mußte es fortführen in der Inbrunst, allezeit Funken schlagen aus seiner Kraft und sich selbst ganz aufgeben, er durfte nichts mehr kennen als seinen Kampf. Es hätte ein Epos werden kön nen oder ein Musikwerk, gleichviel, sein Ruhm wäre über das Land gegangen und hätte noch in fremde Räume geleuchtet; es war ein Bauwerk geworden, und diesem war nicht anders widerfahren. Zum Abschluß aber möge bemerkt werden, daß dem heutigen Be schauer es scheint, und er mag aus irgendeiner der Himmelsrichtun gen kommen, es stünde die Kirche allüberall im Mittelpunkt und trü gen ihre Türme den Himmel! Ein Zeugnis denn auch, ob der Meister seine Erlösung gefunden habe oder nicht. August Karl Stöger ist im gesamtdeutschen Sprachraum, weniger in Österreich, auch als Jugendbuchautor sehr bekannt geworden. Ais altem Pädagogen bereitet ihm diese Literaturgattung sichtliches Vergnügen. Er greift gerne Themen aus der Entdecker- und Aben teuerweit auf, betreibt gewissenhafte Grundlagenforschung und ge staltet aus dem historischen Material spannend lesbare Bücher, die der Jugend nicht nur Unterhaltung, sondern auch wertvolles Wissen vermitteln. Als Beispiel für einige sei auf den Titel des Hoch-Verla ges in Düsseldorf,, Wüste in Flammen, Lawrence von Arabien-wei ßer Bruder der Beduinen" hingewiesen. Beschrieben wird die aben teuerliche Lebensgeschichte des legendären Engländers Thomas Edward Lawrence, der Archäologe, Soldat und Freiheitskämpfer war. Im Ersten Weltkrieg hatte er entscheidenden Anteil an der Be freiung der arabischen Völker aus türkischer Zwangsherrschaft. Den Absturz in neue Despotie der Weltmächte konnte er nicht ver hindern. Für sich persönlich zog er aus dieser bitteren Lebenserfah rung die Konsequenz, legte seinen Offiziersrang nieder und gab sämtliche Kriegsdekorationen zurück. Sein Kampf für ein freies Arabien und seine Niederlage im Frieden erklärt auch erwachsenen Lesern die heutige Situation im Nahen Osten. August Karl Stöger schildert die Ereignissemit Anteilnahme und An schaulichkeit. Er zeigt hier Venwandtschaft mit Karl May, dem es ja auch gegeben war, sich in der Geborgenheit eines europäischen Daheims intensiv in fremde Menschen und Welten hineinzudenken.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2