Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 3, 1979

Um die Erhaltung alten Brauchtums hat sich der österreichische Rundfunk bleibende Ver dienste erworben. Seine Reportagen ermutigen immer wieder die Brauchtumspflege. Aufnahme von einem Scheibenschießen in Bad Golsern. - Foto: W. FettInger mentüch anzuführen, die sich gänzlich im Geiste der Volksbildung zum Ziel gesetzt hatten, zu Selbsterkennung und Selbstent deckung hinzuleiten. Mit dem oberösterreichischen Landesstudio ist nun aufs innigste der Name Andreas Reischek verknüpft. Er war es, der die themati schen und methodischen Grundlagen heimat- und volkskundlicher Sendungen im österreichischen Rundfunk als erster auf gegriffen und vorgezeichnet hat. Mitunter erinnerte er daran, daß er die Heimat als Forschungsgebiet deshalb erwählt habe, weil es ihm unmöglich geworden war, den Entdeckerspuren seines Vaters zu folgen. Paradoxerweise machte er die erste Ent deckung an sich selbst; die nämlich, daß er ,,reden" könne. Ein beneidenswert profun des Allgemeinwissen begünstigte ihn als Vortragenden der Urania und schon in den ersten Jahren der RAVAG wirkt er auch dort als Sprecher und Schilderer mit. Beides, Sprache und Schilderung, bleiben sein ganzes Berufsleben seine Hauptanlie gen als auch seine Stärke. Reischek war es, der das ,,wandernde Mikrophon" einführte und seit der ersten Reportage von den Schiffsmühlen auf der Alten Donau in Wien erwiesen sich die aus Ereignis, Augenblick und Atmosphäre geprägten Sendungen bei allen Hörerschichten als überaus willkom men. Aus diesen erlebnisnahen Schilderun gen, die dem Hörer das Gefühl des Dabei seins vermittelten, entwickelte sich das Hörbild. Es ist eine funkeigene Form. Vorwiegend waren es immer wieder The men aus dem Volksleben, die sich auf diese Weise besonders plastisch gestalten ließen. Freilich, die erstaunlich zahlreichen Sen dungen Reischeks allein aus dem ober österreichischen Volksleben sind nicht durchwegs als ,,Hörbilder" im engeren Sinne anzusprechen, sondern eher als Hör berichte zu bezeichnen. Im Verlauf eines Referates im Rahmen der schon erwähnten Tagung ,.Volkskunde und Rundfunk" unterstreicht Reischek auch, daß es ,,der österreichische Rundfunk seit seinen Anfängen als eine der wichtigsten Aufgaben angesehen habe, durch leben dige Schilderungen an Ort und Stelle die Kenntnis von dem kostbaren Gut des noch lebendigen Brauches den Hörern zu vermit teln und die ihn Ausübenden anzuspornen, den Brauch weiterzupflegen." Derartige Sendungen sollten demnach niemals Selbstzweck sein, sondern eben Anreiz zur Pflege, zur Befassung mit den vielerlei Mög lichkeiten im Bereich der Volkskultur bieten. Ihre versteckte Absicht war es, Gemein schaften aufzurufen, Menschen zusam menzuführen; anders ausgedrückt; Volk zu bilden. Dem ,,wandernden Mikrophon" sind ansehn liche Erfolge beschieden gewesen. Der ,,Pfeifertag auf der Blaa Alm" (15. August 1929) - also vor genau fünfzig Jahren -, den Reischek trotz schwieriger Umstände über trug (das Bundesheer legte eine kilometer lange Leitung), eröffnet nicht nur die Reihe von Direktübertragungen aus dem Volksle ben, sondern hilft obendrein mit, ein volks tümliches Instrument, die Schwegelpfeife, bekanntzumachen und vor dem Verges senwerden zu retten. Eine Fülle anderer An lässe findet sich, um in Übertragungen von Fest und Feier, Arbeit und Brauch zu berich ten: Erntefest in Hofkirchen/M. (29. August 1929), Tanzunterhaltung im Landl (Fischlham 1. März 1930), dieGmundenerGlöckler (5. Jänner 1931), der ,,Urfahrer Jahrmarkt" (1. Oktober 1932), das ,,Volksliederwettsingen in Bad Ischl" (15. August 1934), ,,Bei den Krippen in Ebensee" (29. Dezember 1934 mit Landeshauptmann Dr. H. Gleißner), ,,Bei Schiffern und Bergleuten im Salz kammergut" (21. Dezember 1935), ,,Obermühlviertler Rauhnachtsingen" (5. Jänner 1936), ein ,,Nagelschmiedjahrtag in Losen stein" (27. September 1936), das ,,Volksliedersingen der RAVAG" auf dem Pöstlingberg (4. Oktober 1936), das ,,Antlaßsingen in Traunkirchen" (26. März 1937), ein ,,Ze chentreffen in Schärding" (27. Mai 1937). Die angeführten Übertragungen stellen le diglich eine Auswahl dar, womit nicht nur die Buntheit der Anlässe, sondern auch die Be rücksichtigung des ganzen Bundeslandes Oberösterreich belegt werden soll. Fast er schöpfen sich aber schon in den ersten bei den Rundfunkjahrzehnten alle Einsatzmög lichkeiten in diesem Bereich und es bleiben für Gegenwart und Zukunft praktisch nur noch Wiederholungen ständig auftretender Themen übrig. InderTat! Im Volkslebendes Landes sind heute kaum noch ,,Entdeckun gen" zu machen. Das entbindet den Rund funk allerdings nicht der Aufgabe, auf die immer wiederkehrenden Motive und Ereig nisse zurückzugreifen. Handlicher gewordene und verbesserte Ge räte erleichtern heute das Erfassen von Vorgängen und ermöglichen neue Perspek tiven der Berichterstattung. Geblieben ist die ursprüngliche Absicht, aus dem Volksle ben für das Volksleben zu berichten. Ge blieben ist aber auch die dem Rundfunk zu fallende Aufgabe, dank seiner Einrichtun gen Entschwindendes festzuhalten. Das Archiv des Linzer Studios hat gerade in dieser Hinsicht einen überaus wichtigen und wertvollen Bestand an Klangdokumenten zustande bringen können, dessen Ansätze gleichfalls auf den Nestor der österreichi schen ,,Volkstumssendungen", auf And reas Reischek, zurückgeht. Die Bedeutung derartiger,,Archivalien" ge genüber schriftlichen Aufzeichnungen liegt auf der Hand. Stimmporträts, gewandelte Mundart und Redewendungen, die Verän derungen bei Intonation und Tempo in der Volksmusik. Es sind auf diese Weise man cherlei Schilderungen von traditionellen handwerklichen Fertigkeiten, bäuerlichen Arbeitsweisen, sozialen Situationen usw. auf Tonträgern erhalten geblieben, die an sonsten unwiederbringlich verloren gegan gen wären. Im Almanach des österreichischen Rund funks für 1955 schreibt A. Reischek über

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