Laienspiel in Schiierbach P. Nivard Frey Das „Spielen" Hegt dem Österreicher Im Blut. Seien es volkstümliche, maskierte Umzüge, Streitlieder im Wettgesang, figu renreiche Volkstänze oder sei es das ei gentliche Theaterspiei in Kurzszenen oder im großen Volksstück: immer ist es die Spielfreudigkeit, die den Österreicher zu all dem treibt. So kenne ich kein Bundesland, In dem nicht eine jahrhundertiange Tradition dieses Spiel in allen Formen lebendig hält oder immer neu entwickelt. Um diese Tatsache zu belegen, brauchen wir gar nicht das ganze österreichische Land zu durchschweifen. Bleiben wir in der engeren Heimat des Kremstales. Hier ha ben wir z. B. den ,,Dilettanten-Theaterver ein 1812 Kremsmünster", dessen Name uns schon sagt, daß er auf eine Überlieferung von mehr als 160 Jahren zurückblicken kann. In Schlierbach hat sich in den letzten Jahr zehnten eine neue Theatergruppe ent wickelt, von der ich hier berichten will. Die Anregung zu dieser Gruppe gab der dama lige Prior von Schlierbach, F. Eberhard Hoizinger. Bei einer Weihnachtsfeier für Ju gendliche am Stephanstag 1946 wies er auf so manche herumziehende Truppe hin, die in künstlerischer wie auch moralischer Hin sicht viel zu wünschen übrig ließe. Er meinte damals, man solle dem etwas Bodenständi ges und In jeder Beziehung ördentiiches entgegensteilen und so das Minderwärtige durch das Bessere überwinden. Der Schreiber dieser Zeilen nahm diese An regung sogleich auf. Er setzte sich mit drei älteren Spielern aus der Zeit vor dem Krieg ins Einvernehmen und ließ am Dreikönigs tag 1947 verkünden: Wer in Schlierbach beim Theaterspielen mittun wolle, möge sich am Abend bei ihm im Stift einfinden. Ich erwartete miretwa? bIsB Interessenten und wäre damit für den Anfang zufrieden gewe sen. Zu meiner großen Überraschung ka men aber 36 junge Leute, Burschen wie Mädchen, die alle spielen wollten. Also mußte ein Stück mit vielen, wenn auch klei nen Rollen gefunden werden, und das war ,,Lumpazivagabundus". In den schon er wähnten drei älteren Spielern hatte ich ein ideales Kleeblatt; schon im Fasching 1947 ging die Aufführung mit großem Erfolg über die Bühne. Zwirn, Leim und Knieriem erwiesen sich als routinierte Spieler. Das Publikum war nach den Schreckensjahren des Krieges spiel hungrig und dankbarer denn je. Der Start war geglückt: die Schiierbacher Spielschar existierte. Der Eifer war stürmisch, daß noch in der gleichen Fastenzeit ein weiteres Stück her auskam: ,,Der Schlemmer und der Tod" - ein Spiel vom Sterben des reichen Mannes, bearbeitet nach Johannes Stricker: ,,Der deutsche Schlemmer" 1584. Auf dem Spielzettel stand: Kleidung nach Gemälden von Hans Hoibein d. J., entwor fen und angefertigt von Rosa Meran. - Das war ein weiterer Glücksfall, den unsere Spielgruppe für sich buchen konnte. In Fräulein Meran fanden wir eine so begabte und kunstsinnige Kostümbildnerin, wie man sie sich nur wünschen kann. Mehr als drei ßig Jahre lang hat sie die Kostüme unserer Spielschar geschaffen und betreut. Umso empfindlicher drückte uns eine an dere Not: der Spielort = die Bühne. Was uns zur Verfügung stand, war ein alter Saal in einem Gasthaus gleich unter dem Stift. War der Saal nur drei Meter hoch, so die Bühne nur 2,50. Die Tiefe etwa 4 Meter. Rechts von den Kulissen war überhaupt kein Platz, links ein Gang von einem Meter. An gemalten Kulissen war ein Waid vorhanden und eine Bauernstube. Von der Bühne ging links seitlich eine Tür ins Freie, und über eine sehr hohe und steile Holzstiege konnte man in den Wirtschafts hof des Gasthauses hinabsteigen. Möbel oder Versatzstücke mußten auf diesem be schwerlichen Weg hinauf und herunter ge schafft werden. Es war manchmal sehr um ständlich; unseren Spieleifer konnte es aber nicht lähmen. Freilich, wenn Ich in der Rück schau darüber nachdenke, erscheint es mir fast unglaublich, was wir uns damals unter solchen Verhältnissen zu spielen getrauten. Immerhin führte es dazu, daß wir uns den Stücken entsprechend oft andere Schau plätze zum Spiel aussuchten. So spielten wir den Schlemmer im Studentenspeisesaal auf einer Tribüne von Tischen, dafür aber mit echten Renaissancemöbeln. Im Sommer des gleichen Jahres begann ich auch mit der ersten und damals einzigen Klasse des Gymnasiums zu spielen. Die er ste Aufführung waren ,,Die Bösen Buben in der Schule" von Nestroy im barocken Bernhardisaal. Anlaß dafür war die Namensgra tulation für Abt Dr. Alois Wiesinger. So ergaben sich wie von selbst zwei Thea tergruppen in Schlierbach: eine mit der Be völkerung des örtes, die andere mit den Studenten. Einfachere Stücke mit dem Volk, gehobenere Stücke mit den Studenten. Wo bei ich mir zu den Studentenstücken jeweils die nötigen Frauenrollen aus der anderen Gruppe besetzte; eine Gepflogenheit, die damals durchaus nicht üblich war und man cherlei Kritik herausforderte. Ich aber faßte dies als Grundsatz auf: Frauenrollen wer den grundsätzlich von Frauen gespielt. Heute spricht man nicht einmal mehr dar über. Der große Klosterhof vor der Kirche war da mals ein sehr beliebter Spielort. Dort ging z. B. ,,Die Jungfrau von örieans" über die Bretter, und ,,Julius Caesar" starb dort von Mörderhand. Bei diesem Stück versuchten wir uns zum erstenmal mit projiziertem Hin tergrund. Die ,,Antigone" von Sophokles spielten wir auf einer Waldwiese hinter dem Kloster mit brennenden Schalen auf hohen Pylonen. Kein anderes Stück schien mir so gründlich durchgeprobt wie dieses. Für den Chor allein verwendete ich durch sechs Wo chen täglich eineinhalb Stunden. Im Jahre 1951 schlössen sich meine beiden Theatergruppen, wie viele andere, dem Oö. Volksbildungswerk in Linz an. Inzwischen ist daraus der öö. Landesverband für Schul spiel und Amateurtheater im öö. Volksbil dungswerk entstanden. Solange es möglich war, hatten wir die volkstümlichen Stücke auf der alten, in jeder Beziehung ungenügenden Bühne gespielt. Bald wurde, wie zu erwarten, dieser Saal wegen Baufälligkeit polizeilich gesperrt. Wir richteten uns im zweiten Stock des Kollegs einen der Studiensäle zu einem Provisorium ein und spielten dort weiter. Das Gasthaus - es war die alte Stiftstaverne - wurde jetzt vom Kloster zurückgekauft. Der alte Saal, mit Hilfe der Studenten abge rissen, sollte einem Neubau Platz machen. Nun konnte ich die Bühne nach meinen Vor stellungen planen: sie wurde zehn Meter tief, fünf Meter hoch, der Bühnenausschnitt wurde sechs Meter und eine Nebenbühne brachte weitere 4 Meter. In diesen Größen verhältnissen ließ sich manches besser ge stalten. Bald nach Fertigstellung des Roh baues starb der große Förderer unseres Studententheaters Abt Alois Wiesinger. Zwei weitere Jahre des Provisoriums ver gingen, ehe der Ausbau von Saal und Bühne verwirklicht wurde. Im öktober 1956 war es endlich so weit, daß die Studenten mit dem ,,Großen Prinzen von Fes" von Calderon den neuen Saal eröffnen konnten. Noch ge schah vieles behelfsmäßig und primitiv, aber wir waren nun im ,,eigenen" Haus. Mit kahlen Wänden haben wir begonnen, uns einzurichten. Ich muß sagen: alles, was an Vorhängen, Kulissen, Beleuchtung und Fundus vorhanden ist, haben wir uns Stück für Stück in den Jahren selbst zusammengespieit. Ja, nach einigen Jahren konnte ich mir sogar eine kleine Drehbühne (Durch messer etwas mehr als 6 Meter) einbauen lassen. Diese gut eingerichtete Bühne und die freundliche Aufgeschlossenheit des Hauses führten die Laientheatergruppen immer stärker nach Schlierbach. Die vom Volksbiidungswerk im Sommer jährlich ver anstalteten Theaterseminare fanden zu-
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