Schon hier trafen sich in der Rivalität um den Posten eines Bezirkshauptmannes von Braunau zwei Männer, deren Wege sich später, vor allem im poiitischen Bereich, noch öfter kreuzen sollten. Der nunmehr 42jährige Hammerstein-Equord hatte im 38jährigen Landesbeamten Odo Neustäd ter-Stürmer einen Mitbewerber, der in sei nen Bewerbungen an das Präsidium der Landesregierung seine Erfahrung zur Füh rung eines selbständigen ieitenden Postens stark hervorhob. War Hammerstein in Nie derösterreich geboren, so NeustädterStürmer, der nachmaiige Nationalrat und Bundesminister, im adriatischen Küsten land. Er trug ursprünglich den Titel eines Marquis von Gonzaga, hatte aber bei Kriegsende im Zusammenhang mit der nicht gerade italienfreundlichen Stimmung den Familiennamen seiner Mutter angenom men. Neustädter-Stürmer war übrigens 1921 bei den Anschlußbestrebungen der drei Innviertier Bezirke Ried, Braunau und Schärding ais ,.Anschlußkommissar" vor gesehen. Im Kampf um den ersehnten Po sten eines Bezirkshauptmannes von Brau nau siegte der ältere Hammerstein - sehr zum Vorteii des Bezirkes, ja des ganzen Innviertier Raumes, denn Hammerstein, der hier elf Jahre (bis 1934) verblieb, war nicht nur ein ambitionierter Beamter; er entfaltete auch ganz außerordentliche kulturelle Initia tiven, insbesondere im Zusammenhang mit der seit 1923 in raschem Aufbau befindli chen ,,Innviertier Künstlergilde". Diese kulturellen Initiativen waren nicht zu fällig, denn längst schon hatte sich Hans von Hammerstein-Equord als Dichter einen gu ten Namen erworben, war bei ihm die be kannte Doppelbegabung österreichischer Beamter sichtbar geworden. Auch hier spielt die Abstammung Hammer steins, mit der er sich selbst intensiv befaßte und die ihn faszinierte, eine nicht unwesent liche Rolle. Mütterlicherseits war Hammer stein ein Urenkel von Friedrich Leopold Graf Stolberg. Von Stolberg-Stolberg dürfte der Urenkel die Naturbegeisterung, aber auch den ,,Tyrannenhaß" mitbekommen haben. Der Großvater, Hans Georg von Hammer stein, machte die Mythen der Edda erstmals aus Kopenhagener Urtexten in deutscher Sprache bekannt und beteiligte sich am Sammeleifer der Brüder Grimm. Auch bei ihm die merkwürdige Mischung: General und Sagenforscherl So wurde Hans von Hammerstein ein der Romantik verhafteter Dichter, ein Erzähler von starker Eigenart und schöpferischer Sprachgewalt, ein durchaus selbständiger Lyriker und Epiker. Schon als Student hatte er zu dichten be gonnen, wobei der Schwerpunkt seines dichterischen Schaffens in die Zeit fiel, da er ais junger Beamter wirkte, also etwa in die Jahre 1912 bis 1932. Hammerstein schätzte die Droste, Stifter, Keiler, Raabe, Liliencron und Eichendorff, unter den Zeitgenos sen vor allem seinen Dichterfreund Paul Thun-Hohenstein, aber auch Richard Biilinger. Die Moderne, die Wiener ästhetische Schule, die von der Tiefenpsychologie be einflußte Dichtung, lag ihm fern. Das musi sche Erbe war übrigens auch beim Bruder Hans Hammersteins, Joseph, sichtbar, der Schüler von Professor Bieeker und ein be gabter Bildhauer war. Vor allem In die Braunauer Zeit fiel aber auch Hammersteins kulturpolitisches Wir ken, dem er sich ja unmittelbar vor dem ,.Anschluß" - nunmehr hauptberuflich - widmete. In einem heute noch sehr instruk tiven Beitrag über die Gründung der ,,lnnviertler Künstlergilde", deren verdienter Vorsitzenderstellvertreter, Ehrenpräsident und Präsident er später werden sollte, schil derte er deren Gründung im Jahre 1923, ba sierend auf der ,,Osternberger Künstler kolonie" der neunziger Jahre des vergan genen Jahrhunderts, auf deren Initiative die Münchner Sezession gegründet worden war. Ein Rückzug vieler Künstler aus den Großstädten Wien und München in das ländliche Innviertel gegen Ende des ersten Weltkriegs hatte neuerlich die Vorausset zung für eine ,,landschaftliche Vereinigung" - Voraussetzung der Mitgliedschaft: Geburt oder Wohnsitz im Innviertei - geschaffen, ohne daß man die Mitglieder auf irgendeine Kunstrichtung festlegen wollte. Hammer stein verwies ais Aufgabe der Künstlergiide aber auch auf sehr weitgehende weitere Ziele, auf den Landschaftsschutz, auf die ,,Pflege und Erhaltung heimatlicher Kunst denkmale". So bedeutsame Mitglieder wie Wilhelm Dachauer oder Maximilian Lieben wein, Herbert Dimmei und Alfred Kubin, der Komponist Wilhelm Kienzl, dazu die Dichter Biiiinger, Hammerstein und Thun-Hohen stein gaben der neuen Vereinigung von An beginn an Gewicht. Ihr Motor aber wurde Hammerstein, von dem ein ausgezeichne tes Ölbild eines der Gildenmitglieder, von Franz Xaver Weidinger, erhalten geblieben ist. Aber auch als Verwaltungsfachmann hatte sich Hammerstein inzwischen profiliert. Aus der Zeit unmittelbar vor seiner Ernennung zum Bezirkshauptmann besitzen wir einen umfassenden Bericht über den österrei chisch-preußischen Beamtenaustausch je ner Jahre. Nach Friedensvertrag und mehrmals wiederholtem Anschlußverbot wollte man durch eine möglichst weit gehende Gesetzesvereinheitlichung, aber auch durch eine Zusammenarbeit im Be reich der Verwaltung einen De-facto-Anschluß vorbereiten, wozu auch ein Be amtenaustausch mithelfen sollte. Naturge mäß war für eine solche Aufgabe Hammer stein auf Grund seiner Abstammung, aber auch wegen seiner verwandtschaftlichen Beziehungen besonders geeignet. Der er halten gebliebene Bericht Hammersteins, ein reiner Fachbericht über die preußische Verwaltung, ist durchaus preußenfreundlich gehalten und verweist lolDend auf die ,,aus gedehnte kommunale Selbstverwaltung bei starker Staatsverwaltung". Aus den in Preußen gewonnenen Erfahrungen schlägt er etwa zur Entlastung des Verwaltungs gerichtshofes die Errichtung einer Verwal tungsgerichtsinstanz bei den Landesregie rungen bzw. Landtagen vor. Auf die An schlußproblematik geht Hammerstein nicht ein, doch scheint er die ,,Zusammenschluß"-These von Landeshauptmann Hauser befürwortet zu haben; bezeichnend ist eine der Kapitelüberschriften, ,,Angleichung im Geiste wichtiger als in der Form". Einen breiten Raum nehmen im Hammer stein-Bericht die Grenzbereiche zwischen Verwaltung und Politik ein. Gerade mit die sem Gebiet scheint er sich angesichts sei ner späteren Arbeit als Politiker besonders intensiv befaßt zu haben. So verweist er in seinem Bericht etwa darauf, ,,daß die Politi sierung der Beamtenschaft" - fünf Jahre vor der Machtübernahme Hitlers - ..sehr viel weiter fortgeschritten ist als in Österreich". Und er schreibt weiter: ,,Es ist doch jetzt in Preußen die Regel, daß man von einem Be amten weiß, welcher politischen Parteirich tung er angehört. Alle Beamten in leitender Stellung waren schließlich genötigt, minde stens gelegentlich in irgendeiner Form zu erklären, welcher Partei sie angehören oder weicher sie, wie der Ausdruck lautet, nahe stehen." Er charakterisiert übrigens auch die deutschen politischen Parteien, verweist darauf, daß die deutschen Sozialdemokra ten viel bürgerlicher als die österreichischen seien. Merkwürdigerweise werden 1929 die Nationalsozialisten überhaupt nicht er wähnt. In dem Bericht meint aber auch der österreichische Beamte aus alter deutscher Adelsfamilie nicht ohne Stolz: ,,Von der österreichischen Verwaltung, ihrer großen historischen Tradition, ihrer einfachen örganisation und ihren Leistungen wurde stets mit Anerkennung gesprochen." 1934 begann so eigentlich Hammersteins große Karriere, mag sie auch vielfach in ei nem Bereich erfolgen, der ihm nicht allzu sehr lag und behagte. Der 53jährige wurde Sicherheitsdirektor von Oberösterreich und noch im selben Jahr Staatssekretär für Si-
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2