Hans von Hammerstein-Equord — Beamter, Politiker, Dichter Harry Slapnicka Was in früheren Jahrhunderten nicht ungewöhniich und oft seibstverständiich war, daß nahe Verwandte unterschiediichen Herren und in verschiedenen Ländern dienten, er schien den letzten Generationen unge wöhnlich, oft genug unerwünscht und für die Betroffenen, die nur allzuieicht ins Zwielicht gerieten, nicht ungefährlich. Wir erlebten es nach 1918 in Oberösterreich nur zweimal: einmal, als der Bruder des oberösterreichi schen Landtagsabgeordneten, Reichsrats abgeordneter und späterer Nationairatsabgeordneter Ferdinand Frankenberger, in Bayern als Abgeordneter des Zentrums wirkte; und dann vor allem bei Hans von Hammerstein-Equord, der in der kritisch sten Phase österreichischer Politik zwi schen 1934 und 1938 eine nicht unwesent liche Rolle spielte - während zwei nahe Verwandte im Weimarer und im nationalso zialistischen Deutschland eine noch bedeutsamere Rolle spielten: sein Vetter, der deutsche Generaloberst und Chef der deutschen Heeresleitung Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord, und der katholische Priester und nachmalige Bischof und Kardi nal Clemens Augustinus Graf von Galen. Diese drei waren übrigens fast gleich alt: Graf Galen und Kurt Hammerstein-Equord waren im gleichen Jahr (1878) geboren, Hans von Hammerstein-Equord war um drei Jahre jünger. Die aus altem bergischem Uradel Stammenden hatten trotz ihrer un terschiediichen Berufe einen alles in allem erstaunlich ähnlichen Weg zurückgelegt. Kurt Freiherr von Hammerstein war im er sten Weitkrieg vornehmlich auf Generaistabsposten tätig, stellte sich nach 1918 der Weimarer Republik zur Verfügung und lehnte den Kapp-Putsch ab, obgleich dieser von seinem Schwiegervater, dessen erster Generaistabsoffizier Hammerstein war, mi litärisch geführt wurde, in der Zwischen kriegszeit stieg Kurt Hammerstein rasch auf, wurde 1929 Chef des Truppenamtes im Reichswehrministerium, schon 1930 auf Vorschlag Groeners und Schleichers als General der Infanterie Chef der deutschen Heeresleitung. Mitgewirkt könnte haben, daß Hammersteins Regimentskameraden u. a. von Schleicher und Hindenburg waren. Hammerstein verrechnete sich wie viele Mi litärs und Politiker, die sich eine,,Zähmung" der NSDAP durch eine Regierungsbeteili gung bei starker parteipolitischer Unabhän gigkeit der Reichswehr erhofften. Nach der Machtübernahme Hitlers verlor Hammer stein rasch an Einfluß, war aber so klug, rechtzeitig abzutreten. Ais 56jähriger trat er Anfang 1934, noch zum Generaloberst be fördert, zurück. Der andere Verwandte, Clemens Graf GaBildnis Hans von Hammerstein-Equord, Ölge mälde von Franz Xaver Weldinger. Beide gehörten der ,,lnnvlertler Künstlergllde" an. Mit Ihren Namen verbindet sich die Erinnerung an eine Glanzzelt dieser Künstlerverelnigung ien - durch sein Studium in Feldkirch und Innsbruck mit Österreich verbunden -, war seit 1904 seeisorglich tätig, wurde nach zwanzigjähriger Erfahrung In der Großstadtund Diasporaseeisorge in Berlin im Jahr der Machtergreifung Hitlers (1933) Bischof von Münster. Im Kampf gegen Rosenbergs Neuheidentum, gegen den Kiostersturm und die Euthanasie wurde er der prominen teste und erfolgreichste Gegner des Natio nalsozialismus in der katholischen Kirche Deutschlands, wie er nach Kriegsende ge genüber den Besatzungsmächten mutig für die schutzlose Bevölkerung und die Kriegs gefangenen eintrat, in seinem Sterbejahr (1946) erhielt der 68jährige Bischof als außerordentliche und ungewöhnliche Aus zeichnung die Kardinaiswürde verliehen. Der dritte der Vettern, Hans von Hammer stein-Equord, Sohn eines deutschen Vaters und einer deutschen Mutter, wurde nicht nur in Österreich geboren, er war durch Erzie hung und Leben in diesem Land längst zum Österreicher geworden, und vor allem in der Stunde höchster Bedrängnis, am 12. März 1938, war er einer jener wenigen Österrei cher, der nicht nur die sich anbahnende Tra gödie beider Brudervölker erkannte, son dern in fast seherischer Art die weitere Ent wicklung vorausahnte. Erst in den Napoieonischen Kriegen hatte es einen Hammerstein, William von Hammer stein-Equord, nach Österreich verschlagen. Ais dieser kinderlos blieb, holte er einen der vier Söhne seines Bruders, des Generals Hans Georg von Hammerstein, Helge von Hammerstein-Equord, zu sich auf sein Schloß Sitzenthai bei Melk. Hans Hammer stein war ein Kind aus der zweiten Ehe sei nes Vaters mit Sophie Gräfin zu StoibergStoiberg. Hans von Hammerstein und seine drei Geschwister (zwei Brüder und eine Schwester) waren also die ersten ihres Ge schlechts, die in Österreich geboren wur den. Der Wohlstand der Familie - der Vater war Rittmeister a. D. und Gutsbesitzer-war bescheiden, erst recht nach dem Tod des Vaters und nachdem das Gut Sitzenthai noch während des Studiums von Hans Hammerstein verkauft werden mußte, in der von der Mutter gegründeten Privatsöhuie, einer Mädchenschule, wurde der erste Un terricht erteilt; es folgten Hauslehrer und Hofmeister, die Mittelschule in Wien, bei den Jesuiten in Mariaschein in Nordwestböh men und in Brixen; und damit ein erster Ein druck von der Weite der Monarchie, der er noch dreizehn Jahre als Beamter und öffizier dienen sollte. Hans hatte nicht, wie usprüngiich vorgesehen, Priester, aber auch nicht Berufsoffizier werden wollen. Er wurde Jurist und konnte in Marburg an der Lahn, München und Wien studieren. Jetzt, nach Ende seines Studiums, begannen die Beziehungen zu öberösterreich, jetzt wurde er öberösterreicher. Er trat in die Dienste der Statthalterel Österreichs ob der Enns und verblieb bis zuletzt in den Diensten der Landesverwaltung, unterbrochen nur durch Kriegsdienst und Konzentrationsiagerhaft. Ab 1907 arbeitete er an den Bezirkshaupt mannschaften Weis und Eferding. Zwischen 1908 und 1910 war er im Präsidium der Statthalterel beschäftigt, kam 1910 als Statthaltereikonziplent nach Kirchdorf, wo er mit Kriegsunterbrechung dreizehn Jahre ver blieb. Kirchdorf wurde seine eigentliche Heimat, hier wurde das kleine Besitztum Pernlehen in der Pfarre Heiiigenkreuz ge kauft, das ursprünglich als Sommersitz ge dacht war, dann aber eigentlicher Wohnsitz wurde. im ersten Weitkrieg kämpfte Hans von Hammerstein-Equord als österreichischer öffizier in einem Dragonerregiment in Po len, Rußland und an der italienischen Front. Zurückgekehrt, wurde der 37jährige Be zirkskommissar, anschließend Statthalte rel- bzw. Landesregierungssekretär, kam 1923 als Landesregierungsrat nach Braun au am Inn, wo er provisorischer Amtsieiter der Bezirkshauptmannschaft und später Bezirkshauptmann wurde.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2