Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 1, 1979

brachte und die lange Verbannung In Bel gien und Frankreich. Max Emanuels Ober hofbaumelster Josef Effner hat aber dafür bereits bei Boffrand gelernt, und als 1724 Frangols Cuvillles nach seinen Pariser Jah ren In München einrollt, fährt der neue Stil sozusagen Im Rücksitz mit. Der Dachauer Gärtnerssohn Josef Effner und der Wallone Frangols Cuvillles verschmelzen die Anre gungen von außen und die künstlerische Kraft des Stammes selber zu etwas ganz Ei genem - eben zum bayerischen Rokoko. Effner schafft die Pläne zum Ausbau der Prunkschlösser und Flofgärten von Nym phenburg und Schleißhelm. Cuvillles aber gehören die Flucht der,,Reichen Zimmer" In der Münchener Residenz, das silberblaue Wunder der Amalienburg Im Nymphenburger Park, die schwelgerische Dekoration des ,,Alten Residenztheaters". Vielleicht Ist es wirklich, um mit Jakob Burckhardt zu re den, ,,der herrlichste Rokoko, der auf Erden vorhanden Ist, und an Erfindung und Ele ganz sogar den Prachtzimmern von Ver sailles überlegen". Das Kirchenrokoko Freilich, heute sehen wir neben dem Hof ge rade auch das Volk: einheimische Maurer meister, Bildschnitzer, Stukkateure und Freskanten führen die Salonfröhlichkeit der Schlösser hinüber In den Jubel Ihrer Roko ko-Kirchen. Entscheidend als Anreger und Förderer bleiben dabei die wiedererstande nen alten Klöster, die Im 18. Jahrhundert Ihre Spätblüte erleben. Sie alle bauen Ihre Abteikirchen um oder neu, zieren Ihre Hauswallfahrten aus, kümmern sich um Ihre vielen,,Inkorporierten Pfarrelen", so daß die Kunstwelle hinausgeht bis zur letzten Feld kapelle. Und dieses bayerische Kirchenro koko leuchtet hinein nach Oberösterreich und In die Bergtäler Tirols, fließt vor allem breit nach Oberschwaben aus, und zwar hin bis zum Bodensee. Nurder ,,RelchsstH" des großen Wiener Kaiserbarock oder der frän kische Spätbarock eines Balthasar Neu mann bedeuten droben am Main und drun ten an der Donau die große Barriere. Das er staunlichste Phänomen aber sind die Stuk kateure von Wessobrunn. Aus den paar Bauerndörfern um das Kloster, diesem Galspoint und Haid und dem zwei Stunden entfernten Raisting, gingen an die 600 Mei ster In alle Welt, und sie stukklerten von Ver sailles bis Warschau, von Schönbrunn bis Sanssouci. Und erkannte man sie noch Im 17. Jahrhundert an Ihrem schönen Akanthuswerk, nun Im 18. Jahrhundert wechseln sie über zum bayerischen ,,Bandelwerk" und zur französischen Rocallle - bis zuletzt Die prunkvolle Barockkanzel in der Stiftskirche Reichersberg aus dem Jahre 1718, die Josef Matthlas Götz aus Passau zugeschrieben wird. Kirchenmusik wird in den Klöstern seit Jahr hunderten mit Andacht betrieben. Kleine Orgel aus 1680 im Presbyterium der Stiftskirche Reichersberg. Foto: Bundesdenkmaiamt Wien, Kirchhof nur noch Ihr erstaunliches Können dasteht, Ihr sicherer Geschmack, Ihre einmalige Bra vour. Die großen Namen Den Anfang In der ersten Meisterreihe des Kirchenrokokos machen freilich die Brüder Asam. Sie haben zwar noch In Rom gelernt, Bernini als den starken Eindruck erlebt, aber als sie um 1720 auf den Baugerüsten von Kloster Aldersbach In Niederbayern stehen, berührt sie plötzlich der Anhauch der Mün chener Hofkunst um Josef Effner und seinen Kreis. Und wenn man dann zehnmal weiß, daß Cosmas Damian Asam der große Malerarchitekt war und Egid Quirin Asam der Bildhauer und Stukkateur: die beiden Brüder arbeiten einander unvergleichlich In die Hände und bauen Ihre Räume eigentlich aus Licht und Traum. Zwar kommen auch sie bis Mannhelm am Rhein und bis Maria Einsiedeln In der Schweiz, bis Wahlstatt In Schlesien und bis Kladrau In Böhmen, aber Ihre ganz eigengeprägten Bauten bleiben doch In Bayern selber. Etwa die Abtelklrchen von Weltenburg oder Osterhofen, die Ursullnenkirche In Straubing, Ihre Hauskir che In der Sendlinger Straße In München, die auch heute noch bei den Leuten einfach die ,,Asamklrche" heißt. Neben den Asam steht, schlicht und gerade, Maurer durch und durch, Johann Michael Fischer. In Burglengenfeld In der Oberpfalz geboren, heiratete er nach Wanderjahren In Böhmen und Österreich Ins Münchener Bauhandwerk hinein. Er wurde der Meister, der In vergrübelten Grundrissen Immer wie der den Einheitsraum des Kirchenrokokos suchte - den Raum voll Innerer Spannung und gelöster Harmonie, voll klarer Schau barkelt und vergleltender Musikalität. Die ßen am Ammersee, Berg am Laim vor Mün chen, das fürstliche Ottobeuren In Schwa ben: am Ende steht die Abteikirche von Rott am Inn als das reife Spätwerk des MelstersIn Ihrer Verknüpfung von Zentralraum und Langhausbau die einzigartige Lösung des Gedankens, der Fischer sein ganzes Leben bewegt hatte. Und neben den großen Wer ken Immer wieder ganz kleine Bauernkir chen. Der Grabstein In der Münchener Frauenkirche rühmt ja, daß Fischer nicht weniger als 32 Kirchen und 20 Klöster er baut habe, ,,Gemüter aber viele hundert durch seine altteutsche und redliche Auf richtigkeit". Aus dem sogenannten ,,Lechraln", wo sich Bayerisches und Schwäbisches so unver gleichlich mischt, kam der dritte: Dominikus Zimmermann. Als Bürgermeister von Landsberg am Lech saß er zeitlebens weitab vom großen Strom, und sein Werk Ist allerrelnste volksmäßige Kunst In Ihrer

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