hältnis daheim auf Jahre hinaus eine elende Fretterei und Notdurft ein. ,,Fueßfallente" Bittschriften und bescheidene Widmungs blätter sind seine ersten Münchener Zeug nisse. Nachdem er konvertiert hatte, hörten die tauben Obrigkeiten wenigstens auf ei nem Ohr. Ganz langsam, beginnend mit der Ausbes serung alter Platten, gingen Aufträge ein: Ti telkupfer für Druckschriften, reiigiöse Ge brauchsgraphik. Ebenso langsam und all mählich machte sich Michaei Wening einen Namen, wuchs er zu der Künstierpersönlichkeit auf, die dann für gut zwei Jahrzehnte auf der Woge kurfürstlicher Gunst emporge tragen wurde zu Erfoig und Verdienst, bis die Unbilden der Zeitläufe, die unselige poli tische Entwicklung auch den unpolitischen, kunstbeflissenen, nunmehr treusorgenden Famiiienvater vom Höhepunkt seines Schaffens und Wirkens in das tiefste Eiend rissen. Von den mühsamen Anfängen in München bis zur Krönung des Wening'schen Le benswerks durch die vierbändige Topogra phie vergingen rund drei Jahrzehnte. Sie waren angefüllt mit ebenso unermüdiicher wie breitgefächerter Arbeit: Widmungsblät ter, Buchausstattung, Andachtsbilder, Gna denstätten, Schlachtenkupfer, Porträtsti che, Festschriften, Städteprospekte, Fiugblätter, Tagesereignisse - der Kupferste cher des siebzehnten Jahrhunderts war auch ein Journalist mit dem Grabstichel. Ausschlaggebend für die Aufmerksamkeit in höfischen Kreisen und einflußreiche Empfehiungen war aiierdings weniger Wenings Vielseitigkeit als der unerläßliche Übertritt des reichsstädtischen Protestanten zum ka tholischen Glauben, der Staatsreligion im Kurfürstentum Bayern. ,,. . . daß ich, crafft derem, weillen ich all das meinige, so ich noch zu Hauß zu finden gehabt, umb des aileinseligmachenden Glaubens willen ver lassen ..." - so die selbstvergessene For mulierung des Bittstellers: der Nachweis der Konversion hatte in der Tat mehr Gewicht als ein Meisterbrief.,,Damit er also nit mehr ursach habe, in ermangelung der nit haben den lebensmiti sich wieder nach hauß zu begeben und zu der vorigen Sect zu threten", deshalb wurde ihm zunächst von der Konvertitenkasse ,,wöchentlich ain gewis ses verraicht", dann ein Hofamt in Aussicht gestellt und ein geringes ,,Wartgeld" darauf gezahlt, schließlich die ,,lnwohnung", die Aufenthaltsgenehmigung in München er teilt, ohne daß er das Bürgerrecht erkauft hätte. Er wurde unter Hofschutz genommen und durfte den Titel ,,Hof"kupferstecher füh ren, ohne allerdings Anspruch auf Beschäf tigung oder gar festes Gehalt zu haben. Und er wurde vom Hofbaurat Langenmantel, der die zitierte schicksalhafte Bemer kung in ein Gutachten einfließen ließ, in dem er ansonsten bedauernd zugab, daß im Hof bauamt ein Kupferstecher ,,nit vonnöthen" sei, immerhin den ortsansässigen Drucke reien und Verlagen empfohlen und in Hof kreisen herumgereicht. So konnte er die kurfürstlichen Leibärzte porträtieren, ^ des einen, Franz Thiermayrs ,,Geschichte des G'sundbads Mariabrunn" mit einem für uns volkskundlich hochinteressanten Titelkup fer illustrieren, diverse Ordensschriften ausstatten, Jubiiäumsblätter, Andachts und Gnadenbilder stechen, die Stamm bäume der gräflichen Familien von Montfort und von Ortenburg in barocker Ausladung, mit puttenbewegter Staffage auf Kupferpiatten bannen. Diese beiden, aus mehreren Platten zu sammengesetzten überdimensionalen Blät ter fanden sich erst vor kurzem in der Kupferstichsammiung des Stiftes Göttweig. Niemais war ein Angehöriger dieser Fami lien dort Konventuaie; die dekorativen Sti che wurden seinerzeit ihrer Bildwirkung we gen angekauft! Man darf also annehmen, daß solche Aufträge für den Stecher ein recht einträgliches Geschäft waren. Österreichs Stifte, die nicht im gleichen Ausmaß wie die bayerischen Opfer der Sä kularisation wurden, erwiesen sich über haupt als Fundgrube bisher unbekannter Wening-Arbeiten. Der Archivar in Seiten stetten überraschte mich mit einer ikonographisch hochinteressanten Verkündi gung: Maria als Braut des Heiligen Geistes mit dem Jesuskind im Herzen, über ihr die Taube, die einen Ring im Schnabel trägt; daneben kniend Gabriel. Außerdem fand sich dort eine,,Geistliche Creuzigung, Darin begriffen ist der ganze Geistliche Lebens Lauft, und dessen endtliche Belohnung", ein zeittypisches, allegorisches Lehr- und Lernmittel zur moralischen Aufrüstung. Letzteres gab Michaei Wening im eigenen Verlag heraus. Mitte der siebziger Jahre fing er an, gele gentlich das Verlagsrisiko einzugehen. Der Versuch muß geglückt sein, denn von 1677 an gab er mindestens ein Jahrzehnt lang jährlich einen ,,Historien-Kalender" heraus, einen Marktschlager- worauf der schlechte Abdruck des Titelblattes von der offenbar abgenützten Titelplatte schließen läßt. Die ser Kalender enthielt außer den Monatsfol gen Heiligengeschichten, astrologische Hinweise, wetterkundliche Prognosen, Ho roskope und unter dem Titel ,,Merckwürdige Beschreibung" Ortschroniken, die ,,mit schönen Kupfferstücken geziret" waren und einen Vorgeschmack auf die große Landes beschreibung vermitteln. 1680, dem Jahr, in dem Max Emanuel, voll jährig geworden, die Regierung übernahm, wurde dem Kupferstecher, der all die Jahre nicht müde geworden war, die Hofkammer deswegen zu bedrängen, endlich das in Aussicht gestellte Hofamt verliehen. Ais Rit terstubenportier hatte er fortan bei beson deren Anlässen in Galauniform die Gäste in den Festsaal zu komplimentieren. Die Ent lohnung für die Gelegenheitsarbeit, einen geradezu idealen Job für einen freischaf fenden Kunsthandwerker, konnte die fünf köpfige Familie zwar nicht ernähren, si cherte aber immerhin ein gewisses Exi stenzminimum, gewissermaßen den So zialhilfesatz. Michael Wening, der 1671 die Jägerstochter Anna Möri geheiratet hatte, zog drei eheli che Kinder auf: Maria Barbara, die den Hof musiker Schuechpaur heiratete und mit ihm so zahlreichen Nachwuchs zeugte, daß es heute, wenn auch immer wieder über die weibliche Linie, doch noch echte Wenings gibt. Die Ehe des Sohnes Johann Balthasar, eines begabten Kupferstechers und ge treuen Gehilfen seines Vaters, war kinder los. Maria Apollonia, die ledig blieb, half ebenfalls in der Stecherwerkstatt mit und begleitete ihren Vater häufig auf seinen Rei sen zur Landesaufnahme, nachdem er, mit dem Segen des Kurfürsten und im Auftrag der Landschaft, mit der Arbeit an der großen Landesbeschreibung begonnen hatte. Doch vorerst war der Stecher ausgelastet mit an derem Stoff. Die nächsten zehn, zwölf Jahre erschienen, teils im Eigenverlag, teils im Auftrag des Hofes, eine Reihe zeitge schichtlicher Reportagen. 1683 etwa sollte der türkische Großwesir Kara Mustapha Bassa mit seinen Truppen Wien erobern. Sie gingen aber, sieggewohnt, etwas lässig dabei zu Werk und wurden prompt durch Max Emanuel von den kaiserlichen Stadt mauern vertrieben. Daraufhin ließ der zu diesem Zeitpunkt gegen Niederlagen noch äußerst empfindliche Vorgesetzte Pascha Ibrahim in Ofen den Kommandanten mit samt fünfzig Offizieren von vier Henkers knechten erdrossein. Diesen Nervenkitzel bot Wening der sensationslüsternen Menge schwarz auf weiß auf einem Flugblatt - eine barocke Bildzeitung. 1684 entstanden auf Geheiß Max Emanuels, der in diesen Jahren auf den ungari schen Schlachtfeldern den Ehrentitel des Blauen Kurfürsten errang, vier Ansichten von Ofen aus den vier Himmelsrichtungen und der Grundriß der Festung und Stadt. Die Vorlagen lieferte der Generaiquartiermeister Ludwig Nikolaus d'Hallart, der Max
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2