Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 1, 1979

Historische Kunst Michael Wening — der bayerische Merian des Barock Gertrud Stetter Im Jahr 1779, dem denkwürdigen Jahr des Anschlusses des bayerischen innvierteis an Österreich, erschien in Wien eine ansehnli che Schrift: ,,Topographie oder kurze Be schreibung desjenigen Distrikts der bayeri schen Lande, welchen das durchlauchtigste Erzhaus Österreich Kraft der mit Kurpfalz zu Teschen geschlossenen Konvention in Be sitz genommen hat. Mit XXi Kupferstichen und einer Karte versehen." in der Vorrede stößt man auf das Eingeständnis, daß man ,,sehrviele Nachrichten ausderzu München im Jahre 1701 bis 1726 in vier Bänden in Fo lio mit sehr vielen Kupferstichen im Drucke erschienenen und von Michael Wening ver fertigten Topographie von ober und nieder Bayern entnommen" habe. Auch die 21 Kupferstiche sind samt und sonders verklei nerte Nachstiche von Ortsansichten im zweiten Band dieser Landesbeschreibung. Der Öriginaiband von Michael Wening - er beschreibt das kurbayerische Rentamt Burghausen - enthält allerdings 63 solcher Ansichten aus dem heutigen öberösterreich. 22 weitere Orte sind zwar nicht biidiich dargestellt, aber In einem eigenen Textkapi tel porträtiert. Zusätzliche 40 Orte werden In den Ortsbeschreibungen erwähnt - so daß die aktuelle und offizielle österreichische Topographie des Distrikts südlich der Do nau und östlich des Inn nur die Andeutung einer wirklichen Landesbeschreibung ist, während die barocke bayerische Topogra phie einen umfassenden Überblick gibt. Die Ortsansichten wurden um 1700 von Michael Wening an Ort und Stelle aufgenommen; Im Druck vorlegen konnten diesen zweiten, und die zwei weiteren Bände, zwanzig Jahre später allerdings erst seine Erben. Michael Wening wurde am Ende seines ar beitsreichen Lebens ein Opfer des Osterrei chischen Erbfolgekriegs, der nach der baye rischen Niederlage bei Höchstädt Bayern dem Kaiser auslieferte und für elf Jahre ei ner österreichischen Besatzungsmacht. Deren Verwaitungsstab wahrte begeiflicherweise andere Interessen als die ideelle und materielle Unterstützung des einstigen Staatsauftrags einer Landesbeschreibung an den Münchener Kupferstecher und Rit terstubenportier Michael Wening. Nicht einmal die 90 Gulden Jahresgehait für den Hofdienst bekam er mehr, das dazugehö rige Naturaiiendeputat von täglich zwei Maß Bier und zwei Laiben Brot ebensowenig. Mitteis demütiger Bittschriften und fußfälli ger Vorsprachen erreichte er nach Jahren bitterster Not die Gewährung einer Pension von 75 Gulden im Jahr. Ausschlaggebend für die Entscheidung zu seinen Gunsten war die Erinnerung an Wenings Fourierdienste, die auch dem Herrn Vater des jetzigen Kaifernem. A>ck. der | pfetjfet- ft-uf t ZurHochz.ett, kir^^^^^eihitmdk.iivieK. .41 i! X a. K •'1 '1^4 r.^,. A jMichcel Wenmß.fecit.tSßs'. Titelblatt von Michael Wenings Frühwerk ,,Mancher Figuren: Ungarn, Türcken, Hußarn, Heyducken, Wallachen vnd Armänier, 1665" sers sowie seiner Frau Schwester, der ver storbenen bayerischen Kurfürstin, Max Emanuels erster Gemahlin, zugutegekom men waren. Wegen seines bewährten Or ganisationstalents hatte man den Kupfer stecher, ohne besondere Besoldung, bei Gelegenheit eines Staatsbesuchs oder ei ner kurfürstlichen Reise als Quartiermacher engagiert. Das Gutachten zu seinem Pen sionsgesuch rollt die ganze dramatische Lebensgeschichte Michael Wenings wieder auf-in ihrer offiziellen, pragmatischen Fas sung. Michael Wening erblickte 1645 in der freien Reichsstadt Nürnberg das Licht der Welt als elftes lebend geborenes Kind des Schweinmetzgers Balthasar Wening und seiner Frau Catharina, Tochter des Schiotfegers Johann Löffier. Ais seine Mutter nach der dreizehnten Entbindung starb, war er gerade fünf Jahre alt. Die Stiefmutter Chri stine Vogel, Tochter eines Goldscheiders, brachte noch einmal drei Kinder zur Weit, von denen ein Sohn und eine Tochter groß wurden. Aus der ersten Ehe scheint nur Mi chael übrig geblieben zu sein. Seit Generationen waren die Wenings Metzger, Michael schlug aus der Art. Auch sein Taufpate Michael Hagendorn, der Ihm offenbar nahestand, dessen Porträt er in ei nem sehr schönen, ausdrucksvollen Stich mit einem warmherzigen Widmungsgedicht hinterließ, gehörte als Rindmetzger zur an gestammten Zunft. Warum der junge We ning das Schiachtmesser mit dem Grabsti chel vertauschte, entzieht sich unserer Kenntnis. Ganz sicher genoß er Schuibiidung, einschließlich Lateinunterricht. Er hatte eine ausgesprochen schöne Schrift, wie gestochen, und führte eine sehr ge wandte und gewitzte, ja geistreiche Feder. Michael Wening begegnet als Zwanzigjähri ger mit einem graphischen Werk, das von einem Handwerker stammt, der seine Mate rie beherrscht; er muß das Zeichnen und Zi selieren also wohl gelernt haben. Die Folge von kleinformatigen südosteuropäischen Typen vor dem Hintergrund eines passen den Ortsbiides, betitelt: ,,Mancher Flgurn: Ungarn. Türcken, Hussarn. Heyducken. Wallachen. Und Armänier", ist zwar offen sichtlich nicht seine Erfindung, doch er hat sie mit Akribie in die Kupferplatte geritzt und mit,,Michael Wening fecit 1665" signiert. Es ist somit sein erstes persönlich veröffent lichtes Werk, das sich in zwei (bekannten) Exemplaren erhalten hat. Eines besitzt die Berliner Kunstbibliothek, das andere die Universitätsbibliothek in Wien. Vorlagen zu einem Teil der Figuren fand ich in einem großen Buch: ,,Türckische und Ungarische Chronica", das über alle Länder und Völker einschließlich ihrer Geschichte, Orte und Heiden Aufschluß gibt, die durch die Tür kenkriege in den Mittelpunkt des Interesses gerückt waren. Die Chronik erschien 1663 im renommierten Nürnberger Kunstverlag von Paulus Fürst. Er verlegte Flugblätter, wie sie damals eine Tageszeitung Im Stil unserer Boulevard presse ersetzten, Porträts, religiöse Dar stellungen, Sittenbilder, Satiren, Fabein und schließlich, um 1665/67, eine Serie europä ischer Stadtansichten, größtenteils Nach stiche der Merian'schen. Diese Serie weist Michael Wening als Mitarbeiter aus. Einige Blätter- Ingolstadt, Danzig, München-sind gezeichnet mit seinem Namen oder M. W. Noch häufiger erscheint diese Signatur auf Produkten aus dem Johann-Hoffmann-Veriag in Nürnberg, hauptsächlich auf Bibeiszenen mit besinnlichen Sprüchen in Vers form. Solche Kunstverlage unterhielten gewöhn lich so etwas wie eine Lehrwerkstatt. Es ist aber auch denkbar, daß Michael Wening zunächst das feinmechanische Handwerk eines Büchsenmachers gelernt hatte, da er

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