Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 1, 1979

Bayerisches und Barockes Benno Hubensteiner (Anm. d. Redaktion.) Gerade im innviertei-Jubiiäumsjahr erscheint es wichtig, geistige Verbin dungen und Bezüge zwischen Bayern und Ober österreich, die bisher in der Stilie bestanden, sich mehr im persönlichen Bereich abspielten, öffent lich deutlich zu machen. Deshalb freut es die Schriftleitung, daß einer der bedeutendsten bayerischen Geschichtsiehrer und Geschichts schreiber der Gegenwart, Benno Hübensteiner, Ordinarius für bayerische Kirchengeschichte an der Universität München, einen seiner vielen, sprachlich so exzellenten Essays zur Verfügung stellte. Als Verfasser der ,,Bayerischen Ge schichte", bereits in 6. Auflage (1977) erschie nen, und des beispielgebenden Werkes ,,Vom Geist des Barock, Kultur und Frömmigkeit im al ten Bayern" kann er sich auch die literarische Kurzform erlauben. Hier gibt er seiner Phantasie freien Raum. Hier kann er voll in seiner Liebe zur Heimat schwelgen, in diese Zuneigung hat er seit je Osterreich, vor allem das innviertel, einge schlossen. im privaten Gespräch drückte er oft aus, daß er gerne in dieser Landschaft einkehre, ja oft das Gefühl einer Heimkehr habe. Sein Aufsatz ist auf die bayerische Hoch- und Volkskunst bezogen. Die Darstellung gilt jedoch in vollem Umfang auch für unseren Bereich. Bild beispiele aus dem innviertel sollen diesen Bezug verdeutlichen. Bayern ist das größte Land der Bundesre publik Deutschland, mit der Donau als Mittelachse, immer offen für den österrei chischen Südosten. Hinter den Grenzen von heute verbirgt sich freilich ein alter gewach sener Staat, einer der ältesten in Europa: Herzogtum bis 1623, Kurfürstentum bis 1806, Königreich bis 1918. Aber gerade die ses lange Für-sich-Sein, der ungebrochene Wille zum eigenen Staat und der Mut zu ei ner eigengeprägten Kultur-sie machen die Besonderheit Bayerns aus, geben dem Land das Unverwechselbare, Warmherzige, Farbige. Natürlich kennt man auch ein baye risches Franken und ein bayerisches Schwaben, aber wer ,,Bayern" sagt, meint doch zunächst das alte Kerniand gleich vor den Bergen: auf- und abwogende Wälder, die sanfte Schönheit der Voraipenseen, eine Anmut des menschlichen Hausens im Hügeigeiände wie nur noch in deraiten Tos kana. Kirchtürme winken mit Zwiebeihauben voll krauser Heiterkeit; alte, gebreitete Klöster leuchten mit ihren weißen Gebäudefiügein; die Wirtshäuser schieben sich im mer gastlicher an den Straßenrand. Wer auch nur ein paar Tage bleibt, lernt bald die beiden Ingredienzien des Bayerischen ken nen: ein launisches Wetter mit dem typi schen weiß-blauen Föhnhimmei und einen großzügigen Menschenschlag mit der Be reitschaft zum barocken Temperament. Bis sich dann alles sammelt in der großen Stadt auf der weiten Ebene. München, wie es mit breiten Straßen ausfällt ins grüne Land, zum Himmel emporwächst mit immer neuen Kuppein, Giebeln und Häusertürmen. Über Fassaden und Plätzen der Schimmer des Südens, und alles voll Geleucht und heimli chem Jubel. Kelten und Römer Das älteste Volk, das wir im heutigen Bayern mit dem Namen fassen können, sind die Kelten. Dieselben Kelten wie in Frankreich oder der Schweiz, in England oder in weiten Teilen Spaniens. Erst mit dem Sommerfeld zug des Jahres 15 vor Christus wurde dann das Land bis zur Donau hin Provinz des rö mischen Weltreiches, und die Kelten gaben nach und nach ihre eigene Sprache auf und ließen sich samt und sonders romanisieren. Die frühen Städte in dieser fernen Provinz aber waren reine Römerstädte und Vorpo sten der Mittelmeerkultur: ein Augsburg, ein Regensburg, ein Passau. Römerstraßen durchzogen das Land; es gab römische Gutshöfe und römische Villen; man schlug Ziegelsteine und brannte das berühmte Terra-Sigillata-Geschlrr. Über die ganze Sie delflur hin verstreut aber lagen kleine und kleinste Heiligtümer, und der Kult der ge weihten Quellen und Bäume muß bereits damals angeklungen sein. Die kelto-romanischen ürbewohner des Landes sind näm lich ,,sehr Fromme" gewesen - ,,Plentissimi", wie ein alter Grabstein zu Rotthof an der Rott meint. Schon früh kam mit den römi schen Kaufleuten und Soldaten auch das Christentum ins Land, und einheimische Martyrer-Namen aus der Zeit der großen Verfolgung unter Kaiser Diokletian stehen heute noch in Verehrung: der heilige Florian mit der Sturmfahne, der Römerrüstung und dem großen Wasserkübel oder die heilige Afra mit ihrer Grablege im alten Augsburg, ünd noch im üntergang des römischen Rei ches trat eine Persönlichkeit voll Tatkraft und Würde den eindringenden Barbaren furchtlos entgegen: der heilige Severin, einst hoher römischer Beamter, jetzt schlichter Mönch. Die Baiwaren Als 488, mit dem Abzug der letzten regulä ren Truppen, die Römerherrschaft endgültig zusammenbrach, kam von Osten her ein neues Volk und gab dem Land den endgülti gen Namen. Es waren die Bayern. Oder wie sie in den alten lateinischen Quellen heißen: die ,,Baivari" oder ,,Bajuwari". Wir wissen nicht, ob sie in einem einzigen großen Stoß gekommen sind oder in einzelnen Schüben. Vielleicht sind sie überhaupt ein Volk von Völkern gewesen und erst im Land zwischen Donau und Alpen zu einem festen Stamm zusammengewachsen. Aber Germanen waren sie auf jeden Fall, ünd Bauern, gut mütig, jähzornig, sinnenfroh, aufwenderisch und abergläubisch wie noch heute. Dabei schoben sie sich überall zwischen die sit zengebliebenen Kelto-Romanen hinein und nahmen das fremde Wesen in sich auf. Zwar nicht die strengen Historiker, aber dafür die scharfäugigen Essayisten haben schon im mer den keltischen Einschlag im bayeri schen Stammescharakter gesehen: die Phantasie, die Formenfreude, die Lust am Auftrumpfen, Rankein und Raufen, die Nar retei für schöne Pferde. Die lateinische Kirche Hatten einzelne Romanen ihre Religion her übergerettet, war das Herzogshaus der Agi lolfinger schon von Anfang an katholisch gewesen - mit der Zeit um 700 brach dann das Christentum überall mit Macht hervor. Die eigentlichen Glaubensboten waren da bei jene drei ,,Apostel der Bayern", deren Gedächtnis die alten Bischofsstädte durch die Jahrhunderte hochgehalten haben: Emmeram, Rupert, Korbinian. Alle drei ka men sie aus dem gallischen Westen, alle drei hatten sie in Lebensart und Gehabe noch viel von irischen Wanderbischöfen an sich, und zweifellos stand hinter ihnen das Frankenreich mit seiner Verquickung von religiösem und politischem Ausdehnungs streben. Bis dann der heilige Bonifatius als römischer Legat 739, zusammen mit dem Herzog, eine eigene bayerische Kirchen provinz einrichten konnte, mit Regensburg, Freising, Passau und dem heute österrei chischen Salzburg als festen Sprengein. Bald folgten auch die ersten Benediktiner klöster draußen im Land, und ganz Bayern tat den großen Schritt hinein in die lateini sche Kirche und hinein in das Erbe der anti ken Kultur. Den Bischöfssitzen der Frühzeit und den ,,ürklöstern" des 8. Jahrhunderts antworte ten dann die vielen Gründungen des hohen Mittelalters, die Bayern zu einem der klö sterreichsten Länder des alten Reiches machten: nochmals Benediktiner, dann die Augustinerchorherren, die Zisterzienser und die Prämonstratenser. Zuletzt redete man nur noch von den vier,,Prälatenorden", die mit ihren mächtigen Kirchen, dem Kom plex Ihrer Klostergebäude und Wirtschafts höfe, nicht zuletzt mit ihren ausgedehnten Grundherrschaften das Herzogtum Bayern mindestens ebenso bestimmten wie die Bürger mit Ihren Städten, die Edelleute mit ihren Schlössern, der Landesherr mit seinen Residenzen. Der Südwestwinkel um Staf felsee, Peißenberg und oberen Lech hieß zuletzt nur noch der ,,Pfaffenwinkel", weil

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