Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 4, 1978

etwa den aus Linz kommenden Sonderzug eine Lokomotive mit dem Namen „Ried". Beim Fest seibst sprach der (liberale) Lan deshauptmann Moritz Eigner von der „Er neuerung des Gelöbnisses der unwandel baren Treue und Anhänglichkeit" und dem „unverfälschten Ausdruck der Gesinnung einer treuen, kerndeutschen Bevölkerung", weiche ,,auch fürder in guten wie in bösen Tagen mannhaft zu Kaiser und Reich zu stehen bereit ist". ,,Möge die Geschichte nach abermais hundert Jahren ein zweites ebenso einmüthiges wie herzlich gemeintes Erinnerungsfest zu verzeichnen haben." Der Landeshauptmann hob das Glas u. a. auch auf das Innviertel und die,,reichstreue, fortschrittsfreundliche Stadt Ried"L Läßt man das Pathetische bei den Reden und Adressen aus der Zeit vor hundert Jah ren beiseite; auch die Tatsache, daß sich unter den Festrednern weder ein Innviertier noch ein Oberösterreicher befand - Lan deshauptmann Eigner war gebürtiger Nie derösterreicher und der kaiseriiche Statthaiter Bohusiav Widmann ein Mährer, vermutiich tschechischer Abstammung, so steht die völlige und praktisch problemlose Ein gliederung des Innviertels nach einem Jahr hundert doch ganz außer Zweifel. Die Innviertier Bürgermeister kamen aiierdings bei den Trinksprüchen doch sichtbar zu Wort: Der Bürgermeister von Schärding gab den ,,loyalen Gefühlen der alten, treuen Grenzstadt am Inn beredten Ausdruck", der Bürgermeister von Mattighofen erkiärte, daß sich ,,Österreich in sich selbst sein Fleil su che und nicht über die Reichsgrenzen hin ausspähe". Der Bürgermeister von Mauer kirchen dankte im Namen der Marktgemein den des Innvierteis dem Kaiser für dessen väterliche Fürsorge für die Gemeinden. Der frühere Statthalter der Jahre 1848 bis 1851, Dr. Alois Fischer, telegraphierte aus Inns bruck (er war gebürtiger Tiroler): ,,Vor hun dert Jahren hatte das Innviertel das Glück, Glied des mächtigen Österreich zu werden, Österreich, aber, einen kräftigen deutschen Stamm zu erwerben." Dieses Hereinwachsen begünstigten viele Dinge: die dynastische Freundschafts- und Heiratspolitik zwischen Habsburgern und Witteisbachern; die größeren Aufstiegs chancen für den Staatsbürger eines größe ren Reiches - mag dies auch von den Innviertiern relativ wenig genutzt worden sein; die, wie schon erwähnt, von den Bayern an erkannte gute Verwaltung und anderes mehr^. Einen gewissen Wermutstropfen be deutete es, daß es 114 Jahre dauerte, bis für die sogenannten ,,Innviertier Schulden" gemeinsam mit den ,,Invasionskosten" die ,,Etappen- und Spitalsforderungen" eine Lösung gefunden werden konnte, wobei die Feiern zur jundertjährigen Zugehörigkeit des Innviertels zu Österreich dieses so schwierige Problem einer Endphase zuge führt hat. Aber auch dieses leidige Problem berührte im wesentlichen nur die Städte und Stifte, nicht aber die Bevölkerung^. Im Bereich der ,,politischen Verwaltung" wurde in den letzten mehr als 130 Jahren nie der Versuch unternommen, dieses für Österreich gewonnene Gebiet anderen alt österreichischen Verwaltungseinheiten zu zuordnen; sicherlich ein Zeichen für ein österreichisches Selbstbewußtsein und für den öptimismus, das Land rasch, organisch und unkompliziert zu integrieren. Auch die erwähnte Tatsache, daß das von Österreich gewonnene Gebiet als Einheit jetzt auch ei nen Namen, nämlich ,,lnvierter, erhält, un terstreicht diese Tatsache. Nach einem Experimentierstadium entsteht dann 1868 eine örganisation, die auch heute noch existiert und sich bewährt: die Gliederung nach politischen Bezirken. Bis 1848 bestanden in öberösterreich (ein schließlich des k. k. Salzburgkreisamtes) 5 Kreisämter, darunter das k. k. Innkreis amt, das allerdings nur 8 landesfürstliche Pfiegegerichte umfaßte, während die ande ren Kreisämter 32 bis 36 Distriktskommissa riate, das Salzburgkreisamt 22 landesfürst liche Pfiegegerichte umfaßte. Sitz des Inn kreisamtes blieb —schon von Kaiser Joseph fixiert - Ried. 1848, mit der Aufhebung der Grundobrig keit, mußte ein neues Verwaltungsnetz ent stehen. In den einzlenen Kronländern wur den Landeschefs, Statthalter (in den kleine ren: Regierungspräsidenten) ernannt und unter dem Statthalter in öberösterreich vor erst 12 Bezirkshauptmannschaften, unter ihnen 3 im Innviertel, nämlich in Braunau, Ried und Schärding, errichtet. Diese Verwaltungseinteilung blieb nur vier Jahre, zwischen 1849 und 1854, bestehen. Vor allem trennte man nun die politische von der Finanzverwaltung und von den Gerich ten; man schuf Bezirksämter, deren Berei che etwa dem heutigen Bezirksgerichts sprengel entsprachen", öberösterreich er hielt 46 solcher gemischter Bezirksämter; der ,,lnn- und Nieder-Krels", auch ,,Rieder Kreis" genannt, 9, nämiich Braunau (XVI) mit 10 Gemeinden, Engelhartszell (XVII) mit 7, Mattighofen (XVIII) mit 12, Mauerkirchen (XIX) mit 13, öbernberg (XX) mit 12, Raab (XXI) mit 12, Ried (XXI) mit 15, Schärding (XXIII) mit 14 und Wildshut (XXIV) mit 10, insgesamt also mit 93 Gemeinden. 1868 wurden dann neue, größere Bezirke geschaffen, und anstelle der 46 Bezirks ämter traten 12 Bezirkshauptmannschaften. Drei dieser Bezirke mit Bezirkshauptmann schaften in Ried, Schärding und Braunau bildeten jetzt das Gebiet des Innviertels. Diese Bezirke, auch ,,politische Bezirke" genannt, wurden in drei bis vier Gerichts bezirke und ebenso viele Finanzbezirke ge gliedert. So gehören zu Ried Haag, öbern berg und Ried; zu Schärding Engelhartszell, Beuerbach, Raab und Schärding; zu Braun au Mattighofen, Mauerkirchen, Wildshut und Braunau. Der Flächeninhalt dieser neuen oberöster reichischen Verwaltungsbezirke schwankt zwischen 13 und 25 Ouadratmeilen, klein ster Bezirk öberösterreichs wurde Ried mit 12,9 Quadratmeilen. Später entstanden dann weitere Bezirke, so Urfahr (1903), Eferding (1907), Grieskir chen (vorher bei Wels), Haag am Hausruck (vorher Ried) und Beuerbach (vorher Schärding). Übrigens war es die Verwaltungsmaxime jener Jahre, daß die Verwaltung keineswegs zu voiksverbunden sein und Distanz wahren solie. So war etwa kein einziger der kaiser lichen Statthalter öberösterreichs der Jahre 1848 bis 1918 gebürtiger öberösterreicher. Ähnlich war es mit den Bezirkshauptleuten, auch wurden fast Immer Gendarmen aus anderen, meist anderssprachigen Kronlän dern zugeteilt. Fast könnte man als Verwal tungsmaxime herausstellen: ,,Distanz Ist Korrektheit" oder ,,Korrektheit durch Di stanz." Es ist demnach umso bemerkens werter, daß die anfänglich auch in anderen Landesteilen nicht gerade beliebte neue Verwaltung im Innviertei und in Bayern an erkannt und positiv gewertet wurde. Übrigens erst in österreichischer Zeit, 1857, wurde der Vorort des Innviertels, Ried, bis dahin Markt, landesfürstliche Stadt, nach dem Braunau und Schärding schon seit vie len Jahrhunderten (1260, 1384) das Stadt recht hatten. Ein „Wahlkreis Innviertel" bis zum heutigen Tag Im politischen Bereich war, ähnlich wie bei der Verwaltung, nicht nur keine Diffamie rung des Innviertels sichtbar; man zerriß auch hier das von Bayern übernommene Gebiet keineswegs, legte es auch nicht mit anderen oberösterreichischen Gebieten zu sammen. Gerade bei dem bis heute bestehenden ,,Wahlkreis Innviertel" ist diese Einheit noch stärker und ausgeprägter sichtbar als in der politischen bzw. Verwaltungsgiiederung, wo eben die drei politischen Bezirke Ried, Schärding und Braunau das Innviertel bil den.

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