Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 3, 1978

ein Knabenleben, eine Botschaft, die Sonne Homers, eine Liebeserklärung, ein Vers, das Paradies, Unsterblichkeit und und . . . Die Reihe ließe sich fortsetzen. Schöne Bilder, alles andere als bedrohlich, nicht solche, vor denen, sondern eher/n die man sich, wenn schon, retten möchte. Aber da gibt es noch andere Bilder, Bilder von Riesenstädten z. B., von Kumpelstädten, Geschoßbahnen von Revoiverkugeln in Chikago, Bilder von Panzern und Flugzeu gen, Bilder eines Aufschreckens, Bilder der Müdigkeit, Bilder eines Erlöschens und Bil der des Todes. Bilder über Bilder. Auch diese Reihe ließe sich verlängern. Aber keine schönen Bilder. Bilder, die im Gegen satz zu den anderen Bildern stehen, und es wäre schon verständlich, wenn man die Au gen davor verschließen möchte. Und so ge sehen, könnte der erste Satz soviel heißen: Wie voll ist die Weit von häßlichen Bildern?! Aber gehen wir der Sache näher nach. Bei eingehenderer Betrachtung des lyrischen Werks unseres Autors fällt auf, daß der Be griff BILD sehr häufig anzutreffen ist. Da er gibt z. B. ein flatternder Falter das BILD ,.fröhlich Beifall klatschender Hände"; ein Gewitter wird als BILD eines Kampfes ge schildert; ein Autobus auf einer staubigen Landstraße wird zum BILD eines schnüf felnden Schweinerüssels; BILD ist einfach Erscheinung (Hecht im Wasser); Schwal benbrüste nehmen die Konturen eines BIL DES an; zum BILD verbrennt auch der ,,rohe Stoff" in den Händen eines Bildhauers; ein Winterwaid ist das sozusagen festgefrorene BILD eines einst rauschenden Sommerwai des; BILDER sind auch ganz konkret BIL DER mit,,Heiligen" oder von ,.großen Ma iern"; BILD ist aber auch ,,Biid der Welt", das z. B. im Wein ,,ioht" oder ,,wie ein Totenantiitz" als Dämmerung ,,einbricht" oder im Tode gänzlich ,,erlischt". BILD ist ,,Gleichnis", ,.Geheimnis", ,.Zeichen" und Zeichen wiederum BILD (z. B. in der,.Spra che" des Schwänzchens einer Katze). Nun ist es allerdings so, daß BILD hier vor allem ein Stiimittei der Sprache meint und in dieser Bedeutung für unseren interpretationsansatz vorläufig nicht mehr herzugeben scheint, interessanter und sicherlich auch relevanter in bezug auf eine mögliche Sinnaufschiießung unseres Textes könnte da schon der Umstand sein, daß in der Lyrik Franz Pühringers der Biidgegenstand sehr häufig in Bewegung ist, manchmal sogar überaus emphatisch, ja, das Bild kommt oft sogar direkt auf den Bildbetrachter zu, und während dem Bild selbst eine überaus ak tive Rolle zukommt, erlebt sich der Be schauer selbst passiv. So kommt z. B. das Weiß (Wände, Schnee) auf einen ,.zugeflo gen"; die Steine eines Schlosses,,bäumen" sich vor einem ,,ais eine Woge hoch" (,,wie gepeitscht von einem einzgen Geistesstur me"); und das Meer,.fällt noch im Blau des Himmels über einen her"; der Wald ,.springt" an einem ..hoch"; der Sommer ,,brandet" an ein Dorf; der Sommer kommt ,,stürmisch"; und auch ..der Himmel stürmt an"; und ein Sonnenbiumenfeid ,,stürmt" einem ,.entgegen"; und schließlich erschei nen die goldenen Kronen von Herbstbäu men wie der ,.Ansturm eines Heers". Und hier treffen wir zu unserer Überraschung wieder auf das Vokabel ,,Ansturm" und seine Entsprechungen, und immer ist von der Natur die Rede, von Naturerfahrungen und ihrem bildhaften Ausdruck. Es liegt nun die Frage nahe, ob wir auch unseren Text hier einreihen dürfen. Es deutet bis auf die eine Vokabel nichts weiter darauf hin. Es gibt keine Anspielung auf Ort. Zeit oder kon kreten Umstand. Wir müssen uns ganz an die Sprache halten, und da fällt einem auf, daß in der Naturlyrik Franz Pühringers (auch) ein gewisses aggressives Moment, das sich In einem Vokabular, das der Kriegssprache entlehnt zu sein scheint, ausdrückt, eine auffallend bedeutsame bild liche Rolle spielt. Da Ist z. B. vom Himmel als einem,,Späher" die Rede; er ist ein ,,Be lagerer"; er ist eine ,,Pranke"; er ,.führt Streich um Streich"; auch ein Gewitter führt ,.Streiche"; und ein Teich ist, in die Verteidi gung gedrängt, ein ,.blanker Schild"; ein Wetterleuchten erscheint wie eine ,,nacht stille Kanonade"; und scheckige Kühe am Waldrand ergeben das Bild von ,,Panzer(n) in ihren Tarnanstrichen"; und die Türme eines südlichen Städtchens sind ver gleichsweise ,.übrig gebliebene Pfeile im Köcher"; und die Sprossen von Leitern In herbstlichen Gärten erwecken den Ein druck, ,,als würden hier von jemand tausend Pfeile abgeschossen". Die Bilder haben, wie wir sehen, tatsächlich beinahe militan ten Charakter, aber es sind, wie gesagt, Bil der, und es ist nicht die Natur selbst; zu ihr hat der Autor, wie ich sehe, kein gestörtes Verhältnis. Er mag in ihr vielleicht so etwas wie den Kampf des Daseins In Irgendeiner Art wiedergespiegelt sehen. Aber führt von da ein Weg zu unserem Text? ich glaube, wir sollten vielleicht den Begriff,, Bild" weiter fassen, ja, vielleicht sogar alles Geschaute, das irgendwie Kontur annimmt, miteinbeziehen. Da kann alles Gewicht bekommen, was die Optik erfaßt, und alles von Bedeu tung werden, was schließlich erfahren und erlebt wird. Die Weit als Stoff für das rezep tive ich, wenn man so will. Das findet seinen Niederschlag - beispielsweise auch in ei nem Gedicht. Bei Franz Pühringer ist das sehr augenfällig. In seiner Lyrik findet man vielfach Momente seines Lebens festgehalten. Wo er war, was er sah, erfuhr, erlebte: Beobachtungen, Stimmungen, Reflexionen. Und was sich zu Bildern formte, in diesem Zusammenhang sollten wir vielleicht auch einmal auf den Puppenspieler Pühringer zu sprechen kommen. Ich glaube, das ist nicht einmal so sehr weit hergeholt, wie es auf den ersten Bück scheinen mag, denn wenn man sich beispielsweise Pühringers Erinnerungen ,.Wieso Puppentheater?" vornimmt, dann wird man vollends ermessen können, wei che Rolle und Bedeutung bei Pühringer den Bildern zukommen kann: ,,Einmal gerieten wir in einer Burg an der oberen Donau mitten In einen eben ausgebrochenen Aufruhr. Der Lagerleiter hatte einige Minuten zuvor sein Heil in der Flucht gesucht. Und wohl auch gefunden. Bilder, Bilder, Bilder ohne Ende . . ." Es ist, wie schon gesagt, vor al lem von Erinnerungen die Rede. Aber Erin nerungen - das ist so eine Sache: ,,Bilder und Erinnerungen, die einem jeden Ausweg verstellen, den man allerdings sowieso nicht mehr sucht, gelähmt von dem fast bestür zenden Bewußtsein, einer solch unüber sehbaren Zahl von Kindern für ihr ganzes Leben unvergeßliche Höhepunkte ge schenkt zu haben . . . Bilder, Bilder, Bilder." Hier fallen, wie ich meine, aufschlußreiche Worte: Bilder und Erinnerungen - und beide sind hierfürSynonyme zu nehmen-verstel len den Weg. Sie sind ein Hindernis, eine Last. Warum? Weichen Weg verstellen sie? Ist es der Weg in die Gegenwart? Oder der Weg in die Zukunft? Wohl beides. Hier ist sogar von Ausweg die Rede, das verschärft die Situation noch, aber der wird hier so wieso nicht gesucht, d. h. nicht mehr, viel leicht sind frühere Versuche fehlgeschla gen, und vieiieicht will der Sprecher auch gar nicht mehr, hat resigniert, aus weichen Gründen auch immer, vielleicht aus dem Blickwinkel eines Alternden, wer weiß, der einer Zeit nachhängt, die vorbei ist, Vergan genheit ist, Erinnerung, eben Bild, Albumbiid, so möchte man hinzufügen, eines Pup penspielers: ,,Blühende Sommerwiesen, wogende Getreidefelder, Himmel, Wälder, bald fern, bald über einem zusammenschla gend. immer wieder überraschend ins Blick feld: Kirchturm mit seiner Ortschaft. Und je des Dorf damals noch sauber in die Land schaft geschnitten. Scharf umgrenzt. Nicht in Dutzenden, färb- und formloser Neubau ten auseinanderlaufend und das Land ver unreinigend. Und in den Orten: Weiche Sauberkeit! Eine Kost, wie sie die Hausieute bekamen, den Fremden gab es nicht. Das einzige stets zu kurze freie Bett in einer rie sigen quadratischen Stube im ersten Stock. Diese jeweils seit Fronleichnam, da man die

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