Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 3, 1978

Dichters bleibt ohne Bühnenraum und ohne Interpreten ein zwar gedeckter, aber nicht eingelöster Scheck, also Papier. Rühringer verfügte über eine starke, im merwache und fruchtbare szenische Phan tasie. Er verfügte über eine Fülle von Moti ven, über einen erstaunlichen Reichtum an Charakteren. Auffallend waren mir seine Frauenfiguren, die ein weites Spektrum sei ner Menschenkenntnis und darüber hinaus seiner Intuition, seiner dichterischen Ent wurfskraft beschreiben. Rühringer verfügte über die leichte, sicher balancierende Hand des Komödienschreibers wie über den schweren, gleichsam skuiptierenden Griff des Tragöden. Sein Anspruch an szenische Verwandiungskünste ist nicht gering- (und hat vielleicht auch den weiteren Weg seiner Werke über die Bühne gebremst), dafür ist sein Angebot an Rollen überreich, ein Abel Hradscheck, ein Dr. Sommer (,,Ein Haus wie von Bonnart"), ein Freundinnenpärchen wie Sybill und Joschi aus ,,Flageolett" sind Kabinettstücke komödiantischer Möglich keiten. An Epischem hat uns Rühringer nur seine schöne dichte Sommererzählung ,,Das Nat ternhemd" hinterlassen. Umso reicher ist sein lyrisches Werk. Zu ihm werden drei Kol legen das Wort ergreifen. Ich möchte aber nicht darauf verzichten, zwei Proben zu zi tieren, die mir zwei äußerste Positionen in Pühringers Werk zu bezeichnen scheinen. Die erste: ,,Niemand hat uns aus dem Paradies vertrieben und wer hätte dies auch je vermocht? Gott, der dort, wo er sich nicht in ihm beschriehen, als ein Ungestalteter und Wüster kocht?" Links (S. 4): Franz Rühringer bei einem Ausflug mit seinen Enkelkindern. Aufnahme aus dem Jahr 1965. Hier ist das menschheitliche Anliegen des Expressionisten zur Sprache gekommen, das Ungebärdige und Rebeilische, hier ist eine durchaus aufgewühlte Weit zu Wort gekommen, ein schöpferisches Chaos, das auch noch in der Gottheit als ,,Ungestalte tes" wütet und sich künftigen Welten entge genmüht. Hier spricht Stolz, Aufruhr, Aufbruch, die breitausladende Sprachgebärde vor allem der letzten beiden Zeilen ist voll kreativen Selbstbewußtseins. Ganz anders, zurückgenommen, von au ßerordentlicher Zartheit - doch nicht weni ger expressionistisch - die Probe: Der Einsam-Schlafiose lauscht dem leise sten Flüstern und Seufzen des Seins, dem Faligeräusch von Blütenblättern. Mit höch ster Behutsamkeit tastet die Sprache die sem Erlebnis nach. An diesen beiden Pro ben wäre zu ermessen in weicher Polarität sich Franz Pühringers Dichtkunst entfaltete: zwischen Kühnheit und Zartheit, Entschie denheit und Hellhörigkeit, einen weiten Bo gen beschreitend. Juninacht Immer wieder Leises als tappe Weichpfotiges durchs Zimmer. Licht! - Was war es? Der Pfingstrosenstrauß hat seine schweren fleischigen Blütenblätter bis auf zwei verloren.

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