Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 3, 1978

„Der Drache und der Phönix", Glasätzung, 70 X 140 cm, Privatbesitz. denen wir alle ausgesetzt sind, und sie ver sucht ihnen Gestalt entgegenzusetzen. Ge stalt, als das gerade noch Mögliche, an der Grenze des Zerfalls, Gestalt, die nicht aus schließt und erstarrt, sondern das Werden einbezieht, das Chaos als Urmöglichkeit versteht und umschließt. Dieses sanfte Trotz-Allem Ist härter als man ahnt, und je derzeit bereit, das Ich, das freilich erst ge worden ist, auch preiszugeben um des Gan zen willen, dem es dient, um eines größeren Lebens willen; das aber nie bereit ist, sich dem Anspruch der feilen Horde auszulie fern, die immer darauf aus ist, es zu schän den oder zu vernichten. Sie weiß freilich auch, daß alles wahrhaft Menschliche aus diesem Kampf erst hervorgeht. Dies mußte ich - ein bißchen umwegig - an deuten, um Helga Aichingers Rang zu be zeichnen, wie er sich etwa in ihrem jüngsten Werk, 150 Seiten Kalligraphie, die nicht als Prunkgewand, sondern als Ausdrucksstei gerung gemeint ist, und besonders den 16 Farbkreidemaiereien zu dem ungewöhnli chen Band ,,Der andere Tierkreis" von Behram Cheir kundtut, ebenso wie in manchen ihrer freien Bilder, die noch der Entdeckung harren, d. h. die sie bisher noch in keiner Ausstellung gezeigt hat. Ihre Zukunftspläne umfassen übrigens auch einige kleine Juwelen der Weltliteratur, die sie in ihre Bilderwelt zu ,,übersetzen" ge denkt. Sie entwickelt sich die ,,Instrumente", die sie braucht, um das Ihre zu sagen. So hat sie der Technik mit Wachskreiden Möglichkei ten abgewonnen, die man bisher nicht ge ahnt hatte. So entwickelt sie das ,,Verfah ren" ihrer Glasätzungen, Ihrer Applikatio nen, aus dem Material und aus einem For menvorrat, der ihrem Wesensgesetz ent spricht. Helga Aichingers Bilder entstehen selten aus einem vorgefaßten Konzept. Sie reifen meist langsam heran In einem Prozeß der Verdichtung und treten dann rasch und ent schieden ans Licht. Eher wird ein Im ersten Anlauf mißglückter Versuch verworfen, als wiederholt. Retouchen und Zweitfassungen sind sehr selten. Die klare Gliederung und die sparsamen, aber starken Akzente ver bergen zuweilen die Spannung und die in nere Dynamik, die ihren Bildern Innewohnt. So klar gefügt ein solches Bild erscheint, da ist nichts starr und eingefroren, die wenigen Knotenpunkte seiner Energien fördern seine Strahlkraft, verführen aber auch dazu, die Bedeutung der Konzeption und des Gefüges zu überschätzen. Man muß sich die sen Bildern aussetzen, man muß sich von ihnen ergreifen lassen, sonst wird man ih nen nicht gerecht. '*1 .c.L'.'.WJiT is'«'-' Um 'j •\. •ff.-:

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2