In memoriam Franz Pühringer Gedanken und Interpretationen Gertrud Fussenegger.. . Am 30. August 1977 ist der Dichter Franz Pühringer in Linz gestorben. Ich erfuhr durch Zufall von seinem Tod. Keine Zeitung brachte eine Notiz. Ein Vereinsamter, wohl auch Vergessener hatte die kulturelle Szene unseres Landes verlassen, auf der er noch vor zwanzig Jahren eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Wer war Franz Pühringer ge wesen? Er ist 1906 im steirischen Pernegg als Sohn eines Lehrers geboren worden und ver brachte seine Kinderjahre in St. Stefan über Leoben. Als der erste Weltkrieg zu Ende ging, war er gerade In das Alter gekommen, eine Berufswahl zu treffen, in jener Zeit chaotischer Zustände und allgemeiner Hoffnungslosigkeit eine schwere Entschei dung. Aber der junge Pühringer entschied nicht nach dem Gesichtspunkt materieller Abdeckung und Sicherheit. Ihn zog es zu den Künsten. Er wollte Maler werden, Zeichner, er wollte sich die Welt durch das Auge einverleiben; doch da dieser Wunsch keinesfalls nur romantisch motiviert, son dern auch von einem guten Quantum Sach lichkeit bestimmt war, wandte er sich der Technik zu. Gerade in einem technischen Kurs erfuhr er seine endgüitige Zuwendung zur Kunst, freilich nicht zur bildenden. Als Li teraturlehrer wirkte in der Technischen Lehranstalt ein Dichter, Dr. Otto Strigl, ein Expressionist von hohen Graden. Die Be gegnung zwischen Lehrer und Schüler ver lief beispieihaft: der Schüler schwenkte In die Lebens- und Gesinnungsiinie des Leh rers ein und erfuhr sich dabei seibst als schöpferische Potenz. Von nun an war Franz Pühringer der Literatur gewonnen. Doch keinesfalls wollte sich Pühringer als Heimchen am Herd zum dichterischen Wort meiden. Seine geräumige Natur zog es in die Ferne und in das vom Expressionismus vorgesehene, ja geforderte Abenteuer der Entgrenzung. Er ging nach Paris - wie fern lag das damals? - und er ging nicht dahin als wohlbestallter Reisender und Vergnü gungstourist, sondern im existenzielien Wagnis der Armut und Ausgesetztheit. Es ist hier vielleicht am Platz, einige Worte über den Expressionismus zu sagen. Wie sein Name verrät, entstand er in Gegen bewegung zum Impressionismus, der auf die Formel zu bringen Ist: der Mensch nimmt die Welt an, wie sie ist, wie sie ihm durch das Medium seiner Sinne zuströmt, er tue nichts hinzu, er tue nichts weg, die Welt der Sinne ist das Seiende. Und das Individuum ist nur Insofern, als es von dieser Welt impressioniert ist. Doch diese Welt bot keineswegs mehr das Franz Pühringer, geboren am 27. 12. 1906 in Pernegg in der Steiermark, gestorben am 30. August 1977 in Linz, 1951 Verleihung des österreichischen Staatspreises und des Adalbert-Stifter-Preises des Landes Oberöster reich, 1953 erster Preis des Dramatiker-Wett bewerbes des Landes Oberösterreich, 1959 Professortitel. Porträtfoto aus dem Jahre 1959. sonnig-farbige Augenfest, wie es sich im klassischen Impressionismus darstellte. Je Weiterdas 19. Jahrhundert fortschritt, desto deutlicher zeigte es sich von der Technik geprägt. Zum erstenmal erlebte der Mensch sich selbst als einen, der die Erde umgestal tet und auch zerstört. Das Werksgelände wurde zur Werklandschaft, Planlandschaft, Industrielandschaft. Die rasch wachsenden Städte überzogen die Erde mit einer Kruste aus Stein und Asphalt. Technisches und kommerzielles Denken drohten den Men schen total zu rationalisieren. Die Reaktion konnte nicht ausbleiben. Es bildete sich eine neue Bewegung. Der Mensch revoitierte gegen seine jüngsten Machwerke. Er wollte nicht erstarren, sich der ratio nicht unterwerfen lassen, wollte nicht als vermasstes Individuum in die ver steinerte Kruste der Zivilisation eingehen, er wollte selbst flammen, selbst vulkanisch, selbst in Bewegung bleiben. So besann er sich wieder auf Empfindung, Gefühl, Rausch, Emphase, auf Wagnis einerseits, auf feinste Sensibiiität anderer seits. Diese Bewegung, der Expressionismus, beherrschte Europas Künste vor und nach dem ersten und in Ausiäufern auch nach dem zweiten Weltkrieg. Vor diesem geistigen Hintergrund ist auch eine Gestalt wie Franz Pühringer zu verste hen. Im Vertrauen auf die eigene Kraft und die eigene unerschöpfliche Begeisterungsfä higkeit setzte er sich nach Paris ab. In der Tat gelang es ihm dort, als freier Schriftstei ler Fuß zu fassen und als Korrespondent und Mitarbeiter so wichtiger Zeitschriften wie ,,Simplizissimus", ,,Querschnitt" und ,,Weltbühne" hervorzutreten. Diese Mit arbeit brachte ihm einen geschärften Blick und eine kritische Distanz zur zeitgeschichtiichen Situation ein, und so wagte er es, nach seiner Rückkehr nach Linz das erste literarische Kabarett in Österreich zu grün den. Es befand sich im Hotel Wolfinger am Linzer Hauptpiatz. Sein Name ,,Thermopylen" ließ darauf schließen, daß sich Pührin ger der Kühnheit dieses Unternehmens voil und ganz bewußt war. Im Jahr 1933 gab die seit Anfang der Repu blik kränkelnde Demokratie in Österreich ih ren Geist auf. Totalitäre Systeme sind aber Menschen wie Pühringer nicht gewogen. So zog er sich aus dem literarischen Leben zu rück. Das heißt nicht, daß er nicht weiter ar beitete, nicht weiter reifte. Die Katastrophe in der Außenwelt wurde durch subtile Ausiäuterung im Inneren so weit wie möglich kompensiert. Pühringer hatte sich von jeher auf die sprö desten Formen der Dichtung konzentriert: auf Lyrik und Drama. Nach dem Krieg, in den fünfziger Jahren, schien ihm endlich der Durchbruch auch in der engeren Heimat zu glücken. Es erschie nen einige Gedichtbände ,,Die Wiesen festung", ,,Das Paradies" und ,,Das Winter haus" (später zusammengefaßt in den drei Bändchen ,,An den Quellen der Neben flüsse", ,,Letzter Duft der Gartenfrühe" und im ,,Compendium für Freunde"); sein Schauspiel ,,Der König von Torelore" wurde 1951 in Linz, ,,Fanal um 1912" Im Akademietheater in Wien und in Öberhausen, ,,Abel Hradscheck und sein Weib" am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und Linz und seine Komödie,,Flageolett" in Linz und Hamm aufgeführt. Franz Pühringer war auf der österreichischen Literaturszene so etwas wie ein Geheimtip geworden; er galt als ein sich stürmisch entwickelndes, weit ausgreifendes, starkes Talent. Aber die Zeit lief an ihm vorüber. Er ver schmähte es, seinen Weg zu verlassen und, wie so viele andere, schnell und behende mit aufzuspringen. Das Land öberöster-
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