Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 3, 1978

Mit dem literarischen Oberösterreich ver band Heinrich Suso Waldeck bereits seit den zwanziger Jahren so manche persön liche Beziehung. Den jungen Billinger, wenn er in der Leo-Stube seine bäuerlichen Ge dichte vortrug, vergleicht Rudolf Henz mit einem Bären, ,,der ein Stück Zucker auf der Zunge zergehen läßt", und er fügt hinzu: ,,Diese Hände, dieser Corpus und alles noch echt Innviertel ohne Schwabinger Zu taten." In der Festschrift zu Alfred Kubins 50. Geburtstag ist Heinrich Suso Waldeck neben Richard Billinger, Felix Braun, Max Mell, Franz Theodor Csokor u. a. mit seiner ,,Hundeballade" vertreten. Die Festschrift erschien im Jahr 1927 gleich den ,,Antlitz gedichten" in der ,,Officina Vindobonensis" mit Bildern von Anton Hanak, Carry Hauser, Clemens Holzmeister, Anton Faistauer und Franz Zülow. Im Nachlaß des Dichters fin den sich so manche Briefe aus Oberöster reich, so die von Richard Billinger, Julius Zerzer, Enrica von Handel-Mazzetti, Josef Renhardt und Arthur Fischer-Colbrie, der jene Verbindung zu dem Arzt und Komponi sten Dr. Franz Schnopfhagen herstellte, die mitbestimmend für den Linzer Kreis wurde, der Heinrich Suso Waldeck während seiner im Kloster zu St. Veit i. M. verbrachten letz ten Lebensjahre freundschaftliche Verbun denheit erweisen sollte. Arthur FischerColbrie berichtete Heinrich Suso Waldeck von der Vertonung des Abendgedichtes ,,Die späte Grille", das ihn und seinen Freund Dr. Franz Schnopfhagen so tief be eindruckte. Fischer-Colbrie schreibt von ei ner Vertonung des Gedichtes, an der ,.selbst ein Dichter seine Freude haben müßte, der sonst Vertonungen seiner Ge dichte abhold ist." Die späte Grille Nun schlafen die Rosen ein, die wilden Rosen am Rain. Noch haucht das Gras mich an und süßer Thymian. Im Korn verlosch der Mohn, doch brennt das Würmchen schon. Die Grille, die will nicht Ruh', so gerne hört sie sich zu. Nun singt sie unbesiegt, da still die Motte fliegt, Die Hummel nimmer brummt, der Wind im Halm verstummt. Ein Liedchen aus Gras und Glas. Wie sanft verwundet mich das! Der immer gleiche Klang macht träumerisch und bang und müde aller Pracht und sehnlich nach der Nacht. Es läßt sich unschwer vermuten, daß Heinrich Suso Waldecks Strophen Arthur Fischer-Colbrie zu seiner ,,Grillenweise" inspiriert haben: Die Grillenwelse Noch einmal rufen die Dorfkirchenuhren Die Sonne an, deren purpurne Reise Den Hochwald begeistert zu glühendem Preise. Dann wird es still. Denn auf Schattenspuren Schreitet durchs Tal schon der Abend leise, Umklungen nur von der Feldgrillenweise, Dem innigen Heimlied der Sommerfluren. Gott hat in milder Stunde den Willen, Dem jagenden, fliehenden, kämpfenden Leben Die Melodie der Ruhe zu geben. So ersann er das tönende Wunder der Gril len Und hieß ihr Geläute aus Tiefen sich heben Und sanft sich dem Samte der Wiesen ver weben. Um alle Unruh der Welt zu stillen. O traulicher Urklang der Landabendfeier, Der immer noch schwingt, wann die Vögel schon schweigen! O Schlummergesang kreatürllcher Gelgen, O Traumglockensplel über helmlichen Stei gen, Dem die Herzen der Liebenden selig sich neigen! Süße Friedensmusik unterm Sternbild der Leier! Zu Anfang der dreißiger Jahre war Heinrich Suso Waideck Sprecher der ,,Geistlichen Stunde" im Radio Wien geworden, gestal tete aber auch eine Reihe anderer Sendun gen. Die dunkel getönte weiche Stimme des Priester-Dichters sprach in diesen Jahren vielen vom Leid heimgesuchten Menschen über den Äther Trost zu. Aber es blieb nicht nur bei tröstlichem Zuspruch. Wo immer Heinrich Suso Waldeck in den Jahren der Wirtschaftskrise helfen konnte, folgte sei nem Wort die Tat. Er besaß als Frühpensio nist zwar selbst kaum das Nötigste zum Le ben, behielt aber auch nichts für sich, wenn Freunde ihn unterstützt hatten, sondern wußte immer noch Ärmere, denen zu helfen es Ihn drängte. So mußte auch seine Schreibmaschine mehrmals den Weg ins Versatzamt nehmen, wenn er keine andere Möglichkeit mehr sah, helfen zu können. Begabte Künstler suchte er, kraft seines hohen Änsehens, das er genoß, zu fördern. Das läßt sich am Beispiel Josef Weinhebers aufzeigen. Weinheber widmete im Herbst des Jahres 1934 Heinrich Suso Waldeck ein Exemplar von ,,Ädel und Untergang" mit dem Bemerken: ,,Ein so großer Dichter wie Sie wird mein Werk auch dort verstehen, wo er nicht dazu ja sagen kann. Diese Voraus setzung gibt mir den Mut, auf Ihre Änteilnahme zu rechnen und Sie um jene Förde rung zu bitten, die Sie im Hinblick auf den Wert, der sich Ihnen in dem Werk darstellt, für angenommen erachten." Weinheber erbat sich wenige Tage darauf von Heinrich Suso Waldeck-als ,,von einer so maßgebenden Stimme Österreichs" - in Deutschland eingeführt zu werden. Äus bei der leidenschaftlichen Liebe zur deutschen Sprache erwuchs alsbald eine Freund schaft, ungeachtet der weltanschaulichen Gegensätze. Äls Priester sah sich Heinrich Suso Waldeck In der Spitalseelsorge bei den unheilbar Er krankten den Schattenseiten menschlichen Daseins und dem Mysterium des Todes ge genübergestellt. Die Dämonie der Sünde hat Heinrich Suso Waldeck als Priester und Dichter zu ebenso gedankentlefen wie auch sprachlich fesselnden Äussagen gedrängt. In dem Zyklus ,,Das böse Dorf" aus den Äntlitzgedichten tritt seine Äuseinandersetzung mit der Tragik menschlicher Schuld deutlich zutage. So u. a. in der folgenden Ballade: Begräbnistag Dies Ist Martins Haus, der nicht ackern wollte, Zehn Jahre in der großen Stadt vertollte. So stand es hohl dahin und ungeliebt Und wie ein Bettler am Weg, dem niemand gibt. Der endlich heimkam, ging so scheuen Schritt. Seine heimliche Seuche brachte Martin mit. Blumen stehen rot und gelb ums Haus Sehen wie Brocken Bluts und Eiters aus. Dies ist Martins Haus, dessen Weib sich er tränkte. Eh Scham und Schweigen die welkende Brust zersprengte. Der Kater hockt am trockenen Brunnenrand, Elmer und Stange faulen dahin im Sand. Der sich lange nicht töten wollte, hat's doch getan. Ihm fraß der Tod schon Lenden und Gurgel an. Die Rüster am Schweinstall senkt den schwarzen Äst, Äls trüge der noch immer die ekle Last. Dies ist Martins Haus, den sie heute ver scharren. Dumpf ins Hoftor rumpelt der schwarze Kar ren. Zwei blöde kleine Mädchen kauern am Zaun, Die starr wie ausgestopfte Vögelchen schaun.

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