Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 3, 1978

unter Angabe des Geburtsortes seines Au tors gezeichnet ist: Gesegnet Und heute ging ich traurig vom Altar: Ich sah, wie leer mein liebes Kirchlein war. Ein einzig Weiblein hob sich von den Knien Und mühte sich am Stock zum Weihbrunn hin. Was gehst Du so gebeugt, lieb' Mütteriein? Ich weiß, es ist das Alter nicht allein: So viele lud der Herr. Sie sind nicht hier So ruht ihr Segenanteil all auf dir. August Popp, Wscherau Dem harten Dienst als Volksmissionar blieb der junge Redemptoristenpater seiner schwächlichen Gesundheit wegen aber nicht lange gewachsen. Dieserhaib im No vember 1904 seiner Ordensgelübde ent bunden, wirkte er zunächst als Kaplan der Wiener Erzdiözese in Niederrußbach, dann in Hadres, wo heute am Pfarrhof eine Ge denktafel an seinen acht Monate währenden Aufenthalt erinnert. Der kunstsinnige junge Priester sah sich in Hadres nicht nur isoliert, sondern alsbald auch den Intrigen einer dörflichen Clique von Nörglern ausgesetzt, die schließlich im Juli 1906 seine Abberu fung erwirkte. Auf den Kaplanposten im steirischen Straden zog sich die Wartefrist auf Übernahme in die Grazer Diözese allzu lange hinaus und führte so zu einer seeli schen Krise des vom Vater her sensiblen und schwermütig Veranlagten. Einem überstürzten Abgang von Straden folgten schwere Krisenjahre für den in sei nem Beruf Gescheiterten. Als Beamter der Elbe-Dampfschiffahrt wie als freier Schrift steiler und Journalist lebte Heinrich Suso Waldeck zunächst in Dresden. Ein lang fristiger Krankenhausaufenthalt in der Folge seines nervlichen Zusammenbruchs be schloß dann jenen Lebensabschnitt, den Heinrich Suso Waldeck später als die ,,wir ren Jahre" bezeichnet hat. Dem Wunder der Gnade dankte der im Feuer vieler Drangsale geläuterte Dichter seinen Aufbruch aus der dunklen Nacht der Seele: Ein Flüchtling zu mir, mein eigener Gast, verdarb ich an zehrenden Träumen Und sah mich in mir, von Entsetzen gefaßt. Ein Gespenst in versinkenden Räumen. O Nacht, oh lange gereifte Zeit, Nun wirst Du ein Wunder vollenden: Schon sucht mich Gott in der Dunkelheit Mit sanften, geflügelten Händen. (Aus: Ein Spätabendiied) Sein Weg führte ihn schließlich nach Wien, wo er zunächst als Journalist tätig war, bis er im Jahre 1918 wieder in der Seeisorge und als Religionslehrer eingesetzt werden konnte. Am Wiener Gymnasium in der Jagdgasse entdeckte Prof. Dr. Fritz Michaelis in dem ernsten und wortkargen Priester August Popp einen Kollegen, der sich ihm als ,,ein echter, großer Dichter, von sofort deutlich werdender faszinierender Eigenart" offen barte. Es waren die Gedichte des Zyklus ,,Das böse Dorf", die der gesprächsscheue Kollege im ,,abgetragenen Priesterrocke" Dr. Michaelis zur Lektüre anvertraute. Auf dem Schulheft, in welchem er seine Verse gesammelt hatte, stand bereits sein Dichtername: Heinrich Suso Waideck. In Verehrung für einen seiner Verwandten aus der mütterlichen Linie, den Linzer Theolo gieprofessor Dr. Franz Borgias Waldeck, seinerzeit Sekretär des Linzer DiözesanKunstvereins und Redakteur der Christ lichen Kunstblätter, hatte August Popp als Schriftsteller-Pseudonym den Familienna men seiner Mutter gewählt, deren Vorfahren aus Oberösterreich stammten, und im Zei chen geistiger Wahlverwandtschaft des großen deutschen Mystikers den Namen Heinrich Suso hinzugefügt. Heinrich Suso Waldeck hatte in einer Zeitschrift ein Ge dicht von Fritz Michaelis entdeckt, das ihn ermutigte, sich dem Kollegen anzuvertrau en. Michaelis war betroffen von der ,,un heimlichen Realistik", die sich in dem Zyklus kundtat, ,,unvergleichbar mit irgendeiner Dichtung, die mir bisher untergekommen war und in all ihrem Grauen bewältigt durch die Schönheit der Form" (F. Michaelis in der Festschrift der Bundesrealschule und des Bundesgymnasiums Wien X., 1952). Spät erst, im letzten Dritt-Teil der ihm zuge messenen Lebenszeit, war mit dem Er scheinen der,,Antlitzgedichte", seinem er sten Lyrikband, Heinrich Suso Waldecks Stern am Wiener literarischen Firmament aufgegangen. Robert Haas, sein Verleger, hatte, finanzieii unterstützt vom Wiener Arzt Dr. Franz Formanek, dessen Patient der Dichter gewesen war, damit eine bedeut same Tat gesetzt. Die,,Antlitzgedichte" wa ren nicht Erstlinge im üblichen Sinn, nicht von der Art jener literarischen Frühgebur ten, von denen Verleger oft bedrängt wer den. Heinrich Suso Waldeck trat als ein be reits Vollendeter an die literarische Öffent lichkeit. Vom unheimlichen Glanz des Dä monischen, wie er in dem Zyklus ,,Das böse Dorf" aufleuchtet, mag der Leser zunächst betroffen gewesen sein, zumal man bald in Erfahrung gebracht hatte, wer der Autor war. Dieser hatte die Tiefen des Lebens be reits durchmessen und war an der Kälte der Gottesferne erschauert: Vielleicht, daß ich mein eigenes Wesen hasse. Weil mir darin ein Letztes peinlich dunkelt: Geheimnis, das ich grübelnd nicht erfasse. Verstecktes Fenster, äugend nach der Gasse, Die fern und fremd von Stern und Engel fun kelt. Das Fenster, bangt mir, könnte einst ent brennen Und plötzlich Gott in dies mein Dunkel scheinen. (Aus: Lied des Erbärmlichsten) In diesen Versen dunkeln noch jene Nacht seiten des Daseins, die der Dichter nach seinem psychischen und physischen Zu sammenbruch durchlitten hatte. Alsbald begann sich der zunächst enge Wiener Freundeskreis um Heinrich Suso Waldeck zu weiten. Die ,,Leo-Stube", wie sich der Kreis von Dichtern, dessen Mittel punkt er bildete, nannte, war aus einer lite rarischen Sektion der Wiener,,Leo-Gesell schaft" entstanden, die in Wien einige Jahr zehnte hindurch das kulturelle Leben mitge prägt hat. Namhafte Künstler sowohl wie auch junge Talente scharten sich allwö chentlich im Cafe Fichtehof um Heinrich Suso Waideck. Es waren Dichter und Schriftsteller, Musi ker, Bildhauer, Maier, Literaten und Kunst freunde, die im Cafe Fichtehof oft bis in die tiefe Nacht hinein diskutierten und sich bei ,,Suso", wie er kurz genannt wurde, Rat und gelegentlich auch vermittelnde Hilfe holten. Aus seinem Mund erfuhren sie ebenso strenge Kritik wie auch ermutigenden Zu spruch, nicht zuletzt jedoch fruchtbare An regungen und maßgebliche Förderung. Von den Dichterfreunden und Literaten aus der Leo-Stube seien u. a. Paula von Preradovic, Richard Billinger, Ernst Scheibelreiter, Friedrich Schreyvogel, Rudolf List, Siegfried Freiberg, Fritz Michaelis, Erika Mitterer, Robert Haas, Oskar Katann und Herta Staub, von den bildenden Künstlern Carry Hauser und Andre Roder erwähnt, aus dessen Hand die Büste von Heinrich Suso Waideck (Besitz der Wiener Städti schen Sammlungen) stammt, die in dem vom Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege eingerichteten Gedenkraum der Gemeinde St. Veit im Mühlkreis aufge stellt ist. Andre Roder schuf auch das Relief des Dichters, das die Außenseite der Wiener Redemptoristenkirche Maria am Gestade schmückt. Josef Lechthaler und Franz Krieg vertraten im Freundeskreis die Tonkunst.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2