Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 3, 1978

Bildprobe aus dem Bild- und Letternband von Josef Bauer, Linz, ,,Zeiie für Zeiie". Schluß ist auch aus der bisherigen, Jahr hunderte zurückreichenden, verdeckten und überlagerten Tradition derartiger Litera tur abzuleiten. Wurde bisher, in diesem Aufsatz, überhaupt schon eine Definition von ,,konkreter Poe sie" versucht? Heimrad Bäcker meint: ,,Die Logik und Alogik des Sprechenden weicht der Logik und Alogik der Sprache, die freilich zuletzt wieder von einem Sprechenden ge sprochen werden will." Und er ergänzt: ,,Nicht inhaltliche, sondern sprachliche Be ziehungen werden gesucht, konkret ist, was in der Sprache selbst geschieht, ist die Selbstdarstellung der Sprache mit Hilfe ei nes Autors." Vielleicht wird aber auch dies angenommen: Der herkömmliche Bedeutungsmechanis mus von Sprache wird beim Konkretisieren bewußt vernachlässigt im Hinblick auf das ihn erst bewirkende Sprachmaterial. Vom Allgemeinen einer Mitteilung wurde der Rückzug angetreten in das Konkrete der vorgefundenen Einzelworte, Sprachfrag mente, Laute und Lettern. Es könnte dies mißverstanden werden als eine Art Rück schlag nach einer Zeit, die nur der Wirkung und nicht dem Ursprung von Sprache nach forschte, und die nur das Ziel des Verständ nisses, nicht aber das Vehikel, dahin zu ge langen, ins Auge faßte. Betrachtet man Syntax und Grammatik als Koordinatensystem einer in erster Linie nur dem Wortbedeutungswandel unterliegen den Sprache, dann zeigt nach Heissenbüttel dieses System ,,nun offenbar Verfallser scheinungen". In diesem nicht überall gleich stark wirksamen Beziehungs- und Bedeu tungsverfall hat Eugen Gomringer das ideale konkrete Gedicht als eine einzige Vo kabel postuliert. Er vervielfältigt ein solches Restwort allerdings zur gleichlautenden Wortreihe oder -kette in der typographi schen Konstellation. Das ungeteilte Wort wird zum ästhetischen Gebrauchsartikel. Die Atomisierung schreitet jedoch fort bis zum Buchstaben und Laut. Konkrete Welt kunst fächert sich aus, und zwar visuell In Schrift, Druck und dreidimensionales Ob jekt, akustisch in Ton und Geräusch und mo torisch in Ballett, Performance, Aktion. Er gebnis ist eine Art atomarer Sprach-Ontologismus. Aus konkreten Sprach-Atomen (darüber hinaus noch immer Worten und ganzen Sät zen) baut sich denn auch das konkrete Buch mit fingiertem Formulierungszusammen hang von der ersten bis zur letzten Seite auf. Es stammt von Franz Mon, umfaßt als flie ßendes Gewebe, ,,Fundstücke, Zitate, Ge brauchsmuster, lexikalische Felder und Redegebärden der heutigen Sprache" auf 162 Seiten, und trägt den Titel ,,Herzzero". Auf Unverständlichkeit hin geplant ist es ein strikte informeller, nonfigurativer und unge genständlicher Text, damit jedoch schon wieder auch Objekt der bildenden Kunst. Zumindest ein Teil der Bemühungen ,,kon kreter Poesie" ist damit bezeichnet. Es läuft auf einen Satz von Pierre Garnier hinaus, der da lautet: ,,Dle Wörter hören auf, zu be deuten, sie sind."

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