Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 3, 1978

Links unten: „Text und Raum", Ausstellung In der Galerle der Künstlerverelnigung MAERZ In Linz Im Spätherbst 1972. Foto: H. Zauner, Linz Unten: ,,Kunst aus Sprache", Ausstellung Im Museum des 20. Jahrhunderts In Wien Im Jahr 1975, die anschließend In Linz, Graz und Innsbruck gezeigt wurde, Buch-Staben und Ecken-A von Josef Bauer. Aus einer wahren Fülle von überregional anklingenden Namen konnte man damals subjektiv für sich selbst festhalten: Felix Weber und Gerhard Kofier, auch die Nord deutsche Marianne Wex und Dieter Rüh mann. Gerade bei ihnen war die neue Zu satzentwicklung - Miteinbezug der Photographie, der druckgraphischen Manipula tion, Collage, Montage von Inschriften, Sehausschnitten und schließlich plastische Assemblage und Arrangement von Ensem bles mit neu geordneter, ungewohnter Be deutung - sehr deutlich erkennbar. Heimrad Bäcker war bereits früher von sei ner Position als Theoretiker In die praktische Ausübung als konkreter Autor zeitweise übergewechselt. Zu Anfang der siebziger Jahre konnte er immerhin - die ,,neuen texte" hatten ihr Publikum gefunden! - auf ein schon ziemlich dicht geknüpftes Netz an internationalen Verbindungen hinweisen: Michel Seuphor, Pierre Garnier, Raoul Hausmann, Josef Hirsal, Karel Trinkewitz, Timm Ulrichs, Siegfried J. Schmidt und Marc Adrian waren Beiträger seiner Publikation geworden und korrespondierten mit ihm. Im Inland sind seit dieser Zeit die Aktivitäten der Gruppe ,,neue texte" kaum geringer zu veranschlagen, denn deren Autoren konn ten sich in die Grazer Autorenversammlung, den sezessionistischen österreichischen PEN, integrieren, sie bilden eine Achse über Jandi, Mayröcker, Achleitner nach Wien, über Gappmayr-Welermeier nach Inns bruck und ins westliche Österreich. Aus dem Selbstverständnis der sich damit abzeich nenden überregionalen Gruppierung muß man auch sämtliche in den siebziger Jahren für Linz organisierten literarischen Veran staltungen ableiten, die durch die BäckerGruppe (die vollzählig auch in der literari schen Sektion des MAERZ vertreten ist) an gerissen wurden. Die solchermaßen eingeleitete Entwicklung verläuft wiederum selbständig welter in par allelen Schüben. Unter der Direktion Peter Baums in der Neuen Galerie kam es 1975 zur Präsentation der großangelegten Selbstdarstellung einer ganzen Literaturund Kunstgattung oder -disziplin,,Kunst aus Sprache", die, von Bäcker für das Wiener Museum des 20. Jahrhunderts mit gleichgesinnten Kollegen zusammengetragen, auch nach Linz, Graz und Innsbruck weiterge reicht wurde. Das im Zusammenhang damit geschaffene Katalogwerk ist eine wissen schaftliche Quelle ersten Ranges zu einem Zeitpunkt, da konkrete Poesie bereits Ein gang in Reclams Universalbibliothek und - in Selb/Bayern - in ein eigenes Museum ge funden hat. Freilich sind mit diesem kursorischen Über blick noch keine Rückschlüsse und Progno sen mitgeliefert worden, die das Verhältnis dieser besonderen Art von Literatur zu dem sie umgebenden oder begleitenden literari schen Leben in Oberösterreich ausdrücken. Doch zumindest angedeutet werden sollte der Stellenwert der konkreten Poesie im Rahmen dessen, was derzeit überhaupt sich als oberösterreichische Literatur be deutsam oder peripher behauptet. Es kann dies allerdings hier nur hypothe tisch, in Form von Fragen, geschehen, die sich der Leser selber beantworten muß. Etwa so: Wo steht, an Substanz und Bedeutung ge messen, ein so wesentlicher Prosaist wie der Staatspreisträger Franz Rieger, der sich sehr wohl auch mit den anregenden Mög lichkelten der konkreten Poesie in seinem Werk, allerdings auf erzählerischer Ebene, auseinandergesetzt hat? Wer repräsentiert heute in Oberösterreich das Lager einer ungeschwächt und unbeirrt konservativen Autorschaft? Kann man, der art verallgemeinernd, dieses Attribut der klugen grande dame des oberösterreichi schen PEN, Gertrud Fussenegger, zuer kennen? Oder wie heißt denn nun eigentich der große alte Mann der oberösterreichi schen Literatur? Ist es Franz Tumler, der einmal vor langer Zeit hier Beheimatete und nun schon so lange in Berlin Entfernte? Und auch Persönlichkeiten, wie die beiden ge nannten, bezeichnen noch immer einen Rangabstand zum düster sich abseits hal tenden Aristokratismus eines Thomas Bernhard, der mit dem längsten Atem die wohl neueste, aber auch finsterste Literatur Oberösterreichs schreibt? Wie neu ist, damitverglichen, die neue konkrete Poesieder ,,neuen texte"? Entschieden leben konser vative Tendenzen in der gegenwärtigen Prosa auch eines Herbert Eisenreich oder Alois Brandstetter fort, in verständlichen, syntaktisch und grammatisch durchtrainier ten Sätzen kann wie früher auch komplizier teste existentielle, persönliche und gesell schaftskritische Problematik transportiert werden. Bezeichnenderweise stirbt aber gerade in solch einer Zeit die von früher ge wohnte Lyrik, und man entdeckt, wie sie sich im konkretvisuellen Sprach- und Letternbad wieder verjüngt. Gerade bei den bedeutendsten konkreten Poeten (etwa Heissenbüttel, Jandi, Mayrökker) ist dafür wieder die Hinwendung zum längeren, erzählerisch mitteilsamen Prosa text und zum unvermeidlichen, Selbsterfah rung und Wissenschaftlichkeit klar und übersichtlich ordnenden Essay zu beobach ten. Konkrete Poesie befindet sich nach Heimrad Bäcker gerade wieder in einer rückläufigen Phase. Man könne das beson ders im Ausland an den Beispielen einer immer problematischeren, flacheren Nach ahmung, einem Ausschlachten für die Wer bung und Absinken in den Trivialbereich nachweisen. Konkrete Poesie ist jedoch, wiederum sinngemäß nach Bäcker, etwas, das bleibt, indem es wiederkehrt. Der

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