Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 3, 1978

Heiligenbilder und Messingkerzenleuchter wieder hereinnahm, nicht mehr gelüftet. Voll vom Duft zum Trocknen aufgehangenen Thymians und anderer Kräuter. Unvergeß lich herrlich . . ." Das alles ist, wie gesagt, unvergessen, mehr noch, unvergeßbar, auch wenn man vergessen wollte. Aber will man überhaupt? Eine rhetorische Frage. Hier hängt jemand einer Zeit nach, die schön war, herrlich war, wieder Autor sagt, und die es nicht mehr gibt, schon damals, 1963, als diese Erinnerungen niedergeschrieben bzw. gedruckt wurden, nicht mehr gab. Die Erinnerung hat die Zeit vergoldet. Und es liegt eine leise Wehmut darin. Warum wir die Worte zitiert haben? Weil ich glaube, daß wir sie vielleicht mit unserem eigentlichen Text in Zusammenhang bringen dürfen, ja, viel leicht sogar legitimiert sind, ihn von daher aufschließen zu dürfen. (Das allerdings im mer mit dem Vorbehalt, den man einem Text gegenüber haben muß, der so wenig kon krete Handhabe bietet.) Hierwie dort ist, wie gesagt, von Bildern die Rede. Hier wie dort ist von ihnen nicht bloß als von einem Stil mittel der Sprache die Rede, sondern als von etwas von, wie wir fühlen, sehr persönli cher Relevanz für den Autor. Und schließlich spüren wir hier wie dort die gleiche Proble matik heraus: Es ist das Erleben einer Aus weglosigkeit, nicht so sehr im existentiellen Sinne, das vielleicht auch, mag mitgemeint sein, sondern in dem Sinne, daß es kein Ent rinnen von dem gibt, was sich einmal in ei nem Leben begab und unauslöschlich im Gedächtnis festgesetzt hat, denn alles, was einmal war, hört irgendwie nie auf, gewesen zu sein. Und hielt die sensible Figur des lyri schen Ich dort noch Ausschau nach einer Errettung aus diesem empfundenen Dilem ma, so hat da der Mensch Franz Pühringer, ,,gelähmt" von einem ,,fast bestürzenden Bewußtsein", eingesehen, einsehen ge lernt, mit den Bildern, mit allen Bildern zu le ben, leben zu müssen. So oder so ähnlich mag denn auch die Antwort, eine der Ant worten, auf die zweite Frage unseres Tex tes: ,,Wohin rette ich mich vor ihrem An sturm?" lauten. Sie liegt jedenfalls nicht in, kann nicht im Vergessen liegen, noch in ei nem fortgesetzten Blick zurück. Es wäre der Blick eines Kaninchens ins Auge einer Schlange. ,,Nein, so gejwinnt sich nichts, in leerem Tosen, / errettet ist nur, was sich deutlich singt. . .", spricht der Autor an ei ner anderen Stelle. Ist das vielleicht die Antwort auf den Text? Karl Kleinschmidt... Ein Gedicht von Franz Pühringer sollte man vor sich hinsprechen. Man sollte ihm nach lauschen. Man sollte es schmecken, rie chen, essen wie eine Frucht. - Nichts ist nichtig in seinem Kosmos und das Un scheinbare, Verborgene wird ihm groß. Die Schatten machen die Figur erst ganz. Das Ungesagte sagt erst alles, das Schweigen ist größer als alle Worte. Im Stein, in der Wolke, in einem Wimpernschlag kann alles gegenwärtig sein, das Unbegreifliche, das nur zu leben ist. Die Dinge selber werden mündig. Ihm genügt ein Hauch, der Tautropfen, der das Universum spiegelt, die Muschel, in der das Weltmeer tönt. Das Samenkorn, das kommende Wälder umschließt. Ein Spin nenfaden vor dem Nichts, das alles ist. - Unsterblichkeit O, ich Unsterblicher! Denn tot bin's ja schon nicht mehr ich! Stein, Grashalm, Vogel, Mücke Ist auch er selbst. Oder Schnee, der Im ersten Strahl wieder schwindet. Was für eine Gewißheit, jenseits der Schranken eines ,,lch", in aller kreatürllchen Verlorenheit als Teil des unendlichen Ganzen ,,unsterblich" zu sein. Ich hoffe, man versteht ihn: so darf nur sprechen, wer nicht sich selber meint, sondern Leben über allen Begriff hinaus, das auch in ihm und dem Seinigen Gestalt geworden ist. Erlauben Sie mir, vier ganze kurze Gedichte zusammenzufassen, als wären sie Stro phen eines einzigen. Sie scheinen mir die sem Anlaß besonders gemäß. Das letzte, das nur aus zwei Zeilen besteht, Ist vieldeu tig, doch jede Deutung schränkt auch ein. Hier sollte man nichts mehr berühren. Wer Ohren hat, der höre. Selbstbildnis Ich bin der Schnee, der noch nicht liegen bleibt. Geborgenheit Und wenn die Menschen meine Verse noch nach tausend Jahren liebten . . . der Mücke zählt es nicht. Ihr bin ich Futter. Frage Wenn ich erst einmal gestorben bin, war es dann jemals meine Hand, die diesen Vers auf dieses Blatt geworfen?

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