Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 2, 1978

im Februar nach Bayern verlegte III. Batail lon des Infanterieregimentes Nr. 14, das sich aus Oberösterreich rekrutierte und bis heute als ,,Linzer Hessenregiment" unver gessen ist. Das Regiment, das 1778 auch noch einen Werberayon im niederrheini schen Kreis hatte, kommandierte Oberst Max Graf Baillet de Latour, dessen 1780 in Linz geborener Sohn 1848 von den Wiener Aufständischen gehenkt wurde. Die sechs kaiserlichen Bataillone reichten völlig aus, um die Präsenz Österreichs in den besetzten bayerischen Landesteilen sichtbar zu machen. Die Bevölkerung ver hielt sich auch während des bayerischen Erbfoigekrieges - obwohl es dabei in erster Linie um die Zukunft Bayerns ging - weitge hend passiv, und Feldmarschalleutnant Gemmingen fand keinen Grund, den,,Säbel zücken zu müssen". Trotzdem empfand man die Situation bedrückend, und als der bayerische Löwe in vielen Orten den habsburgischen Insignien zu welchen hatte, nahm man das zähneknirschend zur Kennt nis und verdammte die Kinderlosigkeit des ,.vielgeliebten Max", die letzten Endes Bay ern in diese Lage getrieben hatte. In Wirk lichkeit allerdings traf den verblichenen Kur fürsten keine Schuld: er unternahm bei Leb zeiten alles, um sich einen legitimen Nach folger zu sichern. Er schickte seine Gattin - Maria Anna Sophie, eine Tochter des Kö nigs August III. von Polen - zu den besten Ärzten und in die berühmtesten Bäder, doch die Hoffnung, daß ,,Gott aus den Lenden Eurer curfürstlichen Durchiaucht uns einen ailererwünschtesten Our- und Erbprinzen schenken wolle", ging nicht in Erfüllung. Kurfürstin Maria Anna legte übrigens nach dem Tode ihres Mannes keineswegs die Hände in den Schoß. Sie war rastlos tätig, um eine Bewegung zu organisieren, die Bayern die Einheit erhalten sollte. Sie stellte Verbindungen zu großen und kleinen Für stenhäusern her, appellierte an den Patrio tismus der bayerischen Bevölkerung, und als die preußischen Armeen im Sommer 1778 scheinbar einem Sieg zumarschierten, waren Maria Anna und ihre Parteigänger voll der Hoffnung auf eine Wiederherstellung der bayerischen Souveränität. Trotzdem: die Masse der Bayern blieb inak tiv. Dazu trugen zwei Gründe bei: den ersten lieferten die Österreicher, die viel unter nahmen, um sich ,,höchst lindig und duld sam" zu zeigen. Wie in jeder Besatzungs zeit fanden sich daher zahlreiche Menschen in Bayern, die bestrebt waren, mit der,,Be satzungsmacht" gut auszukommen und Geschäfte zu machen - letzteres war be sonders wichtig, denn Bayern befand sich 1778 in einer wirtschaftlichen Krise, und die Österreicher ließen den Taler ,,auf den Tisch hüpfen". Überdies lebten sie nicht aus dem Lande, sondern waren von allerhöch ster Stelle her angewiesen, für jede Leistung ordentlich zu bezahlen. Daß dieser Befehl gewissenhaft eingehalten wurde, bezeugen erhaltene Abrechnungen der kaiserlichen Intendanten. Die Mehrheit der ,,besetzten" Bayern hatte also keinen Grund, gegen die Österreicher aufzumucken oder sie gar zu bedrohen wie 1705/06 im Spanischen Erb folgekrieg. Dazu kam ein Zweites, und das wog unter Umständen noch schwerer: Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz wurde von den Bay ern weitgehend abgeiehnt. Der Pfälzer war hochgebildet, ein Freigeist und hatte Mann heim zu einem künstlerischen und wissen schaftlichen Zentrum geformt, das die Auf merksamkeit vieler großer Persönlichkeiten - zu ihnen gehörte der junge Goethe - er regte. Als Herrscher jedoch zeigte Karl Theodor wenig Oualitäten: selbst korrupt und zu jedem Kuhhandel, von dem er sich Vorteile erhoffte, bereit, förderte er die Kor ruption, vor allem bei den damals dafür leicht anfälligen Beamten. Darüber hinaus hielt er sich Mätressen wie eine Schauspie lerin namens Seyfert - später Gräfin von Heideck -, die ihm etliche Kinder gebar, für die Karl Theodor unbedingt vom Kaiser den Fürstentitel erwirken wollte. Das war übri gens mit ein Grund, daß sich der Kurfürst Josephs Wünschen auf das bayerische Erbe gefügig zeigte. Die Verlegung des Hofes von Mannheim nach München schuf neuen Ärger. Der Kur fürst fühlte sich in der bayerischen Metro pole eingeengt, gelangweilt, die Münchener hingegen schimpften auf die Fremdlinge aus Mannheim, die Karl Theodor in großer Zahl mitbrachte und denen er den Vorrang ein räumte. Ail das schürte den ,,bayerischen Zorn", zumal man den Pfälzer und seinen Regierungs- wie Lebensstil oft mit dem Maximiiian Josephs verglich, der sich in sämtli chen Lagen als gütig, korrekt und väterlich im besten Sinn erwiesen hatte. So iieß man die Österreicher in Frieden und wollte sich nicht noch mehr Sorgen und Unannehm lichkeiten aufhalsen. Das war für die Österreicher ein Glück, denn wenn die Bayern gegen sie losgeschlagen hätten, wäre ein Debakel kaum zu vermei den gewesen. Die sechs Besatzungsbatail lone bestanden nämlich vorwiegend aus Rekruten und ihre öffiziere waren zum größ ten Teil ,,alte Diener" und nahezu pensions reif. So heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, daß ,,es niemalen zu gelingen schien, eine gleichmäßige Salve abzufeu ern, well die k. k. Soldaten nur Löcher in die Luft zu schießen verstanden und mit ihren Gewehren herumfuchtelten, als hätten sie Mistgabeln in ihren Pratzen". Diese Fest stellung mag ein wenig übertrieben worden sein, aber wenn man bedenkt, daß eine Truppe im 18. Jahrhundert nur durch ei serne Diszipiin und Drill geführt werden konnte, dann fällt es leicht, den Wert des österreichischen Besatzungskorps in Bay ern richtig einzuschätzen. Mit dem Frieden von Teschen - beschlos sen am 13. Mai 1779 - endete der bayeri sche Erbfolgekrieg, der im böhmischen, sächsischen und mährisch-schlesischen Grenzgebiet beträchtliche Schäden verur sacht hatte und durch den rund 30.000 Men schen ihr Leben oder ihre Gesundheit ein büßen mußten. Die oft zitierten abfäliigen Bezeichnungen für diesen Feldzug, der überdies von den Armeen beider Seiten Strapazen bis zur Erschöpfung forderte, entsprechen daher keineswegs den Tatsa chen und sind nur aus dem damaligen mili tärischen Denken verständiich, das einen Krieg ohne Schlacht eben als,,Zwetschken rummel" oder,,Kartoffelkrieg" empfand. Am treffendsten charakterisierte vielleicht Feldmarschall Laudon die Situation, der von einem ,,politischen Hundekrieg" sprach. Der Teschener Friede trug Österreich und seinem maßlos enttäuschten Kaiser iediglich die bayerischen Gebiete östlich des Inn ein, die nun als,, Innviertel" bezeichnet wur den. Den Abmachungen entsprechend, zo gen am 2. Juni 1779 die österreichischen Einheiten aus Bayern ab, womit das Land seine volle Freiheit wiedererlangte. Trotz dem hatten die Bayern keinen Grund zur Freude, denn Kurfürst Karl Theodor regierte nach gewohnter Manier weiter und richtete noch manchen Schaden an. Sein plötzlicher Tod im Februar 1799 wurde deshalb - vor allem in München - nahezu als Erlösung begrüßt.

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