Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 2, 1978

Landeskunde Vor zweihundert Jahren; Der bayerische Löwe unter dem Doppeladler Rudolf Walter Litschel Am 30. Dezember 1777 meldete der öster reichische Gesandte in München nach Wien, daß ,,nachmittag um eineinhalb Uhr des Herrn Kurfürsten Maximilian Joseph in Bayern Durchlaucht an den Kinderpocken im einundfünfzigsten Jahr dero Alters in Gott seiig entschlafen sind. Gleich nach dessen Hinscheiden ist das hiesige Ministerio in kurpfäizische Pflichten genommen und um vier Uhr darauf unter Trompetenschaii vor erst vor der kurfürstlichen Residenz und so nach auf allen Hauptpiätzen hiesiger Stadt durch öffentlichen Ausruf kundgemacht worden, daß Seine Kurfürstliche Durch laucht zu Pfalz nach Maßgabe des Westfäli schen Friedens, dann der in den Jahren 1770 und 1774 errichtet und ermunterten Verträgen mutuae successionis als einziger rechtmäßiger Erbfolger durch das Abster ben weiland Herrn Max Joseph Kurfürsten in Bayern in die gesamt hiesige Kuriande ein getreten seien". Das Hinscheiden des bayerischen Kurfür sten, der von seinen Untertanen aufrichtig geschätzt und allerorts der ,,Vielgeliebte" genannt worden war, löste am Wiener Hof fieberhafte Aktivität aus. Kaiser Joseph II. sah sich nun endlich am Ziel seiner Wün sche, denn da Maximilian kinderlos starb, fiel sein Erbe an Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz, der an Bayern recht wenig Inter esse zeigte und durchaus bereit schien, zu mindest Niederbayern gegen habsburgische Besitzungen im Westen zu tauschen. Für den Kaiser bedeutete die Haltung des Pfälzers Entscheidendes: schon seit lan gem hatten er und Fürst Kaunitz versucht, mit Hinweisen auf zum Teil uralte Verträge die Herzogtümer Ober- und Niederbayern, die Herrschaft Mindelheim und die Land grafschaft Leuchtenberg als Reichslehen und oberpfälzisches Gebiet als Lehen der böhmischen Krone zu gewinnen. Joseph ging es dabei nicht so sehr darum, die Mo narchie zu vergrößern, sondern er wollte mit dem Erwerb Bayerns den Verlust des deutschsprachigen Schlesien an Preußen ausgleichen. Aber bereits nach relativ kurzer Zeit stellte es sich heraus, daß die Pläne des Kaisers nicht realisierbar waren und weitgehend auf Ablehnung stießen - vorwiegend in Bayern selbst. Joseph faßte daraufhin den Ent schluß, sich auf Niederbayern zu konzen trieren und begründete seinen Rechtsan spruch mit einer Belehnungsurkunde, das Straubinger Ländchen betreffend, die Kai ser Sigismund 1426 für Herzog Albrecht von Österreich ausgestellt hatte. Doch auch damit hatte er seine Schwierigkeiten. Sogar Maria Theresia fand das Vorgehen ihres Sohnes wenig sinnvoll und lediglich dazu angetan, außenpolitische Verwirrungen oder gar einen neuen Krieg heraufzube schwören. Aber der Kaiser- tatkräftig unterstützt durch Fürst Kaunitz - ließ nicht locker, und sofort nachdem die Nachricht vom Tode des baye rischen Kurfürsten bei ihm eingetroffen war, setzte er alles daran, daß die Besprechun gen mit Karl Theodor von der Pfalz schrift lich fixiert werden konnten. Mit welcher Eile das geschah, beweist die Tatsache, daß schon am 3. Jänner 1778 - vier Tage nach dem Ableben Maximilians - in Wien ein Ver trag unterschrieben wurde, mit dem Kurfürst Karl Theodor die österreichischen Ansprü che anerkannte und dafür die Zusicherung des Kaisers erhielt, daß Ober- und Nieder bayern unangetastet bleibe - ausgenom men natürlich jene Gebiete, die Joseph für sich geltend machte. Obwohl kaum ein bewaffneter Widerstand in Bayern zu erwarten war, befahl Kaiser Jo seph dennoch die militärische Besetzung. Dazu standen schon seit längerem drei Bri gaden (die Bezeichnung gab es zwar da mals nicht, aber der Truppengliederung nach ist sie anwendbar) bereit: die Brigade Feldzeugmeister Ried tilelt um Waldsee im Vorderösterreichischen, die Brigade Feldmarschalleutnant Langlois bei Taus in Süd west-Böhmen und die Brigade Generalma jor Kinsky zwischen Eferding und Wels. Diese Brigade umfaßte die InfanteriereglmenterStain Nr. 50 und Langlois Nr. 59. Das Infanterieregiment Staln verfügte über ei nen Werberayon im oberrheinischen Kreis, ab 1781 rekrutierte es sich ausschließlich aus Oberösterreich; 1807 wurde es mit der Ergänzung nach Galizien verwiesen und 1810 aufgelöst. Beim Einmarsch in Bayern kommandierte Oberst Georg Graf Waldeck das Regiment. Das Infanterieregiment Langlois hatte 1778 seine Stabsstation in Enns bzw. Wels und setzte sich durchwegs aus Oberösterreichern zusammen. Erst 1817 erhielt es als Ergänzungsbezirk Salz burg, einschließlich des Innviertels. 1852 wurde sein Inhaber Erzherzog Rainer, und als ,,Rainer"-lnfanterle vollbrachte das Re giment legendäre Leistungen, vor allem 1914/18.1778 war Oberst Johann Schindler Regimentskommandant, der sich Im bayeri schen Erbfolgekrieg auszeichnete. Die Brigade Langlois bestand aus dem In fanterieregiment Olivier Wallis Nr. 35 und dem Dragonerregiment Coburg. Die WallisInfanterie ergänzte sich aus dem Kreis Pil sen und wurde von Oberst Leopold Graf Strassoldo befehligt; die Dragoner waren ebenfalls vorwiegend Westböhmen. In bei den Regimentern überwog das deutsche Element. Die Brigade Ried wurde aus dem Infanterieregiment Lattermann Nr. 45 und einigen Kompanien aus der Garnison Frei burg im Breisgau gebildet. Bei den Infanteri sten handelte es sich um Schwaben, ihr Kommandant war Oberst Joseph Freiherr von Wenckheim - ebenfalls aus Schwaben gebürtig. Für den Einmarsch in die von Kaiser Jo seph II. vorgesehenen Gebiete standen demnach vier Infanterieregimenter und ein Kavallerieregiment oder 16 Bataillone und zehn Eskadronen - insgesamt rund 15.000 Mann-zur Verfügung; dazu kamen noch 80 Gechütze. Diese Einheiten überschritten am 12. Jänner 1778 die Grenzen. Schon am 14. Jänner traf die Brigade Kinsky in Schär ding ein und die Brigade Langlois erreichte - von Taus über Fürth im Walde und Cham marschierend, wo sie sich teilte - den Raum Regensburg und Straubing, das bereits vom Infanterieregiment Stain besetzt war. Auch die Brigade Ried gelangte planmäßig zu ih ren Zielen in der Grafschaft Mindelheim südwestlich von Augsburg. Beim feierlichen Staatsakt am 21. Jänner 1778 in Straubing, mit dem von Niederbayern ,,Besitz ergrif fen" wurde, hatte die Stain-Infanterle auf zumarschieren. Straubing zählte um 1778 rund 7500 Einwohner und wird in einer zeit genössischen Darstellung als eine Stadt beschrieben, die ,,niedlich und ganz von Steinen gebaut ist. Ihre Form ist beynahe rund. Die Gassen sind breit, mit großen Bruchsteinen gepflastert, die Häuser hoch und meistens weiß übertüncht". Die kurbayerische Armee widersetzte sich der Okkupation nirgends. Im Gegenteil: sie folgte willig den Anordnungen und Wün schen der Kaiserlichen - ganz Im Sinne der an sie ergangenen Befehle. Allerdings wäre es auch schwierig gewesen, sich gegen die Österreicher zu wehren, denn die bayeri schen Truppen zählten nur etwa 10.000 Mann, Ihre Ausrüstung entsprach nicht den Erfordernissen der Zeit und in der Ausbil dung zeigten sich gleichfalls Mängel. Kur fürst Maximilian Joseph hatte sich eben In erster Linie um die Wirtschaft seines Landes kümmern müssen, die vor allem nach dem Katastrophenjahr 1770 dermaßen darnie derlag, daß sich der Herrscher sogar genö tigt sah, mit Juwelen seines Kronschatzes für die Bevölkerung Getreide zu kaufen. Das Kommando über die österreichische ,,Besatzungsmacht" in Bayern erhielt Feldmarschalleutnant Siegmund Freiherr von Gemmingen auf Hornberg und Treschkllngen. Er wurde 1724 geboren und stammte aus einer Offiziersfamilie. Mit zwanzig Jah ren war Gemmingen bereits Major, mit vie runddreißig Oberst. In diesem Rang erwarb er für das Treffen bei Maxen im Siebenjährl-

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