Das Leopold-von-Buch-Denkmal im Pechgraben — ein Denkmal der geologischen Forschung in Oberösterreich Wilhelm Freh Der Pechgraben bei Großraming, eine klei ne, von Norden her in das Ennstal einmün dende Talschlucht, zählt zu jenen Gegen den, deren von Technik und Verkehr noch wenig in Mitleidenschaft gezogene Natur auch heute noch Möglichkeiten besinnlicher und erkenntnisreicher Wanderungen bietet. Ihre Reize, die manchmal an Bilder der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts erinnern, erfreuen nicht nur Auge und Herz; diese Landschaft birgt auch eine in den Al pen einzigartige naturkundliche Kostbar keit: Einen kleinen Fleck Boden, der aus seiner Umgebung nicht nur äußerlich her vorsticht, sondern auch durch seine Eigen art in krassem Widerspruch zu seiner Um gebung steht und dadurch seit mehr als ei nem Jahrhundert innerhalb der Wissen schaft immer wieder aufs neue fachliche Diskussionen auslöste, die sogar aner kannte Lehrmeinungen beeinflußten und damit der Entwicklung der geologischen Forschung neue Impulse gaben - das in Fachkreisen wohlbekannte, seit dem Jahre 1856 untrennbar mit dem Namen des gro ßen Geologen Leopold von Buch verbun dene Granitvorkommen im Pechgraben. Inmitten des teils freundlich offenen, teils durch die Erosion eines Baches schluchtar tig geformten Tälchens, das an Hand etli cher natürlicher Aufschlüsse in die dort in rascher Folge wechselnden Bodenschich ten gute Einblicke gewährt, begegnet man etwa 4 km nördlich von Großraming in einer muidenartigen Weitung des Taigrundes lin ker Hand des Baches einem kleinen bewal deten Hügel, der seiner ganzen Erschei nung nach eher in eine Gegend des Mühl viertels als in die Voraipen passen würde: Auf moosigem, steinigem Waldboden ein massiger Granitblock von der Größe eines kleinen Hauses, umgeben von zahlreichen ähnlich geformten granitischen Felsbrocken und Bruchsteinen; das Ganze überschattet von einem kleinen Fichtenbestand - insge samt ein Anblick, der unwillkürlich Erinne rungen auslöst an jene Blockwerk-Halden, wie sie uns nördlich der Donau von den Steilhängen der Donaudurchbrüche bis zu den Hängen der Berge des Böhmerwaldes mannigfach entgegengetreten. Dieses örtli che Vorkommen von Urgestein - offensicht lich ein Fremdkörper in der durch mesozoi sche Kalke, Dolomite, Mergel und Sand steine bestimmten Voralpenlandschaft - hatte bereits frühzeitig die Aufmerksamkeit der ,,Geognosten", wie die Pioniere der geologischen Forschung seinerzeit genannt wurden, auf sich gezogen. Schon als man erstmals daranging, in einer Art überschlä giger Bestandsaufnahme einen Überblick zu gewinnen über die Vielzahl der geoiogij. / ^ ~ - Leopold von Buch, gestorben 1853, Xylogra phie von Adolf Neumann nach einem Stich von C. Schnetzer. Aufnahme: Bildarchiv der österreichischen Nationalbibliothek sehen Formationen, ihre Eigenart, ihre Ent stehung und ihren Bauplan, wurde die emi nente Bedeutung dieser Felsgruppe er kannt; auf sie fiel daher auch die Wahl, als man daranging, eine Gedenkstätte zu schaffen an Leopold von BuchL Hielt man diese Gesteinsgruppe anfangs für ,,erratische Blöcke", für ,,Fündlinge", die aus der ferneren Umgebung durch außenbürtige Naturkräfte herangeschleppt wor den waren - man dachte vor allem an eine Verfrachtung durch Gletschereis, ähnlich den Zeugen der Inlandsvereisung in den Ebenen Norddeutschlands, so sah bereits im Jahre 1847 Adolf von Moriot^, der Bahn brecher der geologischen Forschung in Oberösterreich, daß es sich hiebei keines wegs um erratisches, also oberflächig um gelagertes Material handle, sondern daß hier aus dem Untergrund stammende, durch Auswitterung und Abtrag von den sie ur sprünglich umhüllenden und bedeckenden Sandsteinschichten freigelegte Gesteins blöcke vorliegen; der Gelehrte prägte für sie die Bezeichnung ,,exotische" Gesteine, ein Begriff, der sich, wenn auch in etwas geän derter Bedeutung, bis heute erhalten hat. Carl Ehrlich^, seinerzeit Kustos der Samm lungen des Oberösterreichischen Museal vereines, stellte 1850 fest, daß das Urge steinsblockwerk des Pechgrabens den dor tigen Schichten der,,Wiener Sandsteinfor mation" entstamme und aus einem ,,fremd artigen roten Granit" bestünde; mit der Frage nach dessen Herkunft schnitt er ein Problem an, dessen Lösung auch unsere Zeit noch beschäftigt. Franz von Hauer, der erste Direktor der 1849 gegründeten K. K. Geologischen Reichsanstalt, und der Mine raloge Ferdinand Hochstetter äußerten die Meinung, die ,,exotischen" Gesteine des Pechgrabens einschließlich jener, die sich in benachbarten Kohlenbergbauen gefun den hatten, wären wohl den Gesteinen des Böhmischen Massivs vergleichbar, ein Zu sammenhang mit den Graniten derZentralaipen sei hingegen nicht gegeben (eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung der Urgesteine des Mühl- und Waldviertels lag damals noch nicht vor). Diese Auffas sung blieb Jahrzehnte hindurch unange fochten. Im Jahre 1893 brachte der durch seine For schungen in den Bergen des Salzkammer gutes bereits bekanntgewordene Geologe Edmund von Mojsisovics die Diskussion um die bis dahin als ,,Exoten" geltenden grani tischen Gesteine des Pechgrabens neuer lich in Fluß und erklärte die Anhäufung von Granitbiöcken um das Leopold-von-BuchDenkmal als eine ,,anstehende, an der Oberfläche in Blöcke zerfallende Granitpar tie", also als einen aus dem Urgesteinsun tergrund emporragenden Felssporn, heute gewissermaßen eine Urgesteinsinsei im Meer der triadischen, jurassischen und krei dezeitlichen Ablagerungen. Georg Geyer, der das Blatt Weyer des den Raum der österreichischen Reichshälfte umfassen den geologischen Kartenwerkes bearbeiten sollte, griff diesen Gedanken auf und prüfte gemeinsam mit Emil Tietze, dem Direktor der Geologischen Reichsanstait, und dem Geologen Othenio Abel, der damals für das benachbarte Kartenblatt Enns - Steyr Kartierungsarbeiten durchführte (und später als Paläozoologe zu Weltberühmtheit aufstei gen sollte), den Sachverhalt. Die Herren be stätigten die bereits von Mojsisovics vertre tene Aufassung, daß hier eine im Uferbe reich des Liasmeeres aufragende, von koh leführenden Strandbildungen umhüllte Gra nitklippe vorliege, deren subterraner Zu sammenhang mit dem nicht mehr als 30 km entfernten kristallinen Grundgebirge des Böhmischen Massivs schon bei der Be trachtung einer geologischen Übersichts karte in die Augen springe (Geyer, 1904).
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2