Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 4, 1977

Aufgabe der Landschaftsplanung im Rahmen der Landschaftspflege Heinz-Peter Türk Vortrag im Rahmen des Symposiums ,,Ver armung der Tier- und Pflanzenwelt - eine Gefährdung unserer Lebensgrundlagen" In Altmünster am 22, September 1977. 1. Einleitung Im Rahmen der industriellen Revolution, die in England etwa vor 200 Jahren und in Mitteleuropa regional differenziert vor etwa 100 bis 150 Jahren begann, wurde die zu diesem Zeitpunkt bestehende ,,Agrargeseilschaft" von der ,,Industrie geseilschaft" abgelöst. In einer relativ kurzen Zeitepoche trat eine Phase des ökonomischen, gesellschaftlichen und geistig-kulturellen Wandels ein. Im Zuge dieser Vorgänge stehen wir der Land schaftspflege in einer völlig andersarti gen Situation gegenüber. Eine zuneh mende Bevölkerung mit steigenden sozio-ökonomischen Bedürfnissen sowie die Expansion von Wirtschaft, Siedlung und Verkehr bewirken einen einschnei denden Wandel unserer natürlichen und gebauten Umwelt. Verantwortungsvolle Wissenschafter und Fachexperten betä tigten sich vorerst als mahnende Rufer und machten auf die zunehmende iebensgefährdende und lebensfeindliche Situa tion in humanökologisch-medizinischer, psychologischer und sozialer Hinsicht aufmerksam. Ebenso nahm sich die ,,Hohe Politik" um den Umweltschutz an und der Öffentlichkeit wurde ein gewis ses Maß an ,,Umweltbewußtsein" injiziert. Auf vielen Ebenen wurde nun begonnen, planerisch zu arbeiten, um einen koordi nierten Ablauf des Geschehens zu si chern. Bundes- und Landesgesetze wur den beschlossen. Die Raumordnung und Landesplanung sind dabei, Maßstäbe zu setzen, und die Gemeinden müssen ihr Gemeindegebiet vorbereitend und ver bindlich planen. Trotz allem muß erwähnt werden, daß gerade im Umgang mit lebenswichtigen landschaftlichen Elementen eine gewisse Leichtfertigkeit besteht und sehr häufig biologische Grundwerte einer Nichtach tung unterliegen. Aus der Sicht des Land schaftsarchitekten besteht nun in der Landschaftsplanung ein Instrumentarium, das — voll ausgenützt — eine wertvolle und notwendige Grundlage darsteilen kann. 2. Definition Die Begriffe Landschaftspflege, Land schaftsplanung, Grünordnung usw. sind in Österreich in keinem Gesetzeswerk definiert oder festgelegt, obwohl in vielen Gesetzen und Verordnungen die Beach tung der landschaftspflegerischen Pro bleme gefordert wird, jedoch die Verbind lichkeit fehlt. Der Gebrauch dieser Be griffe in planerischer oder wissenschaft licher Praxis wird — wenn überhaupt — im Hinblick auf die in der Bundesrepublik Deutschland gebräuchlichen Definitionen bzw. Begriffsinhalte verwendet. Von der wissenschaftlichen Seite entwickelt sich in Österreich eine eigene Nomenklatur bzw. werden die Begriffe in Anlehnung an die Usancen in der Praxis verwendet. Derzeit werden koordinierte Definitionen von den fachbezogenen tragenden Hochschul-lnstituten, dem ,,Institut für Grün raumgestaltung" an der Universität für Bodenkultur und dem ,,Institut für Land schaftspflege, Landschaftsgestaltung und Gartenkunst" an der Technischen Uni versität Wien ausgearbeitet. 2.1 Landschaftspflege Die vorliegende Definition orientiert sich an einem Muster aus der Bundesrepublik Deutschland. ,,Landschaftspflege erstrebt den Schutz, die Pflege und die Entwicklung der Natur ausstattung von Landschaften mit dem Ziel optimaler und nachhaltiger Leistun gen für die Gesellschaft. Die Arbeit der Landschaftspflege setzt Grundlagen untersuchungen vorwiegend landschaftsgeschichtiicher, biologischer und ökolo gischer, gesellschaftlicher und wirtschaft licher Art voraus. Sie umfaßt die Land schaftsplanung auf Grundlage der Land schaftsanalyse und -diagnose, den Land schaftsbau und die pflegliche Nutzung des Naturpotentials (Natürliche Lei stungsfähigkeit der LandschaftjL" Aus dieser Definition geht hervor, daß die Landschaftspflege eine zentrale Stel lung einnimmt und nur unter Kontaktnahme mit forschenden, planenden und gestaltenden Disziplinen zu entsprechen den Ergebnissen gelangen kann. Zuge wandte Wissenschaften sind demnach die Geographie als Landschaftsforschung inkl. Hydrologie, Meteorologie, Boden kunde, Geologie usw., weiters Tier- und Pflanzensoziologie, Floristik und Faunistik, Landschaftsökologie und vieles mehr. Im weiteren hat sich die Landschafts pflege mit Disziplinen zu befassen, die sich mit den Menschen und der mensch lichen Gesellschaft sowie dem mensch lichen Tätigkeitsbereich auseinanderset zen, so etwa Anthropologie, Sozialpsychoiogie, Sozialmedizin, Soziologie oder mit den anthropogen beeinflußten Nut zungsformen der Landschaft, wie Landund Forstwirtschaft, Fremdenverkehr, Städtebau, Verkehr etc. In diesem Zusammenhang muß betont werden, daß gerade die Grundlagenfor schung im Rahmen einschlägiger natur wissenschaftlicher Fachgebiete nur teil weise bzw. dürftig durchgeführt ist. Wäh rend Landesteile, die im unmittelbaren Bereich von fachtragenden Universitäten liegen, gut durchforscht sind, weisen sol che, die sich in größerer Entfernung von Hochschulstädten befinden, nur lokal be schränkte Bearbeitungen auf. So fehlen insbesondere geschlossene — minde stens ein Bundesland erfassende und etwas in das Detail gehende — Karten werke über Vegetation, Geologie, Boden kunde, Verbreitung von Fauna und wei teres. Die Kenntnis über diese Wissen schaftszweige für ein Landesgebiet ist jedoch nicht nur eine grundlegende Vor aussetzung für verschiedene Grundlagen wissenschaften, sondern auch für eine zeitgemäße Planung im Rahmen der Landund Forstwirtschaft, des Naturschutzes, kuiturtechnischer Maßnahmen, für Pla nungen von Erholungsgebieten usw. Selbstverständlich sind derartige Grund lagenuntersuchungen mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Bei spielsweise betragen die Kosten einer pflanzensoziologischen Kartierung für das Land öberösterreich mit Karten der aktuellen Vegetation für Schwerpunkts gebiete im Maßstab 1 :25.000 oder 1 :50.000 und Karten der potentiellen Ve getation über größere Räume im Maß stab 1 :200.000 für eine angenommene Arbeitsdauer von 5 Jahren ca. 4 Millio nen Schilling. Von welchen Stellen (Ministerien, Län dern, Kammern oder ähnl.) Grundlagen forschungen in diesem Umfang in Auf trag gegeben und finanziert werden kön nen, ist schwierig zu beantworten. Auf jeden Fall sollten Wissenschaft und For schung mit öffentlichen Stellen und um gekehrt in verstärktem Maße in Kontakt treten, um zumindest zu brauchbaren Teilerfolgen zu kommen. Derartige An sätze bestehen seit einiger Zeit beim Amte der oö. Landesregierung, wobei versucht worden ist, durch Beistellung von Planunterlagen und finanziellen Bei trägen Diplomarbeiten und Dissertatio nen zu fördern. In Absprache mit dem jeweiligen Institutsvorstand, dem Diplo manden oder dem Dissertierenden und der interessierten Abteilung konnten für alle Teile brauchbare Ergebnisse erzielt werden. Die diversen Landesplanungsstellen und

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