Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 4, 1977

Denkmalpflege Das Kleindenkmal in der Kulturlandschaft^ Dietmar Assmann Wer die schier unendlich vielen Kapeilen, Bildstöcke, Kreuzsäulen, Steinkreuze, Pranger usw., also jene kleinen, manch mal kunsthistorisch bedeutsamen, oft aber auch ungelenk und unscheinbar wir kenden Kleindenkmale in unserer Heimat betrachtet, wird sich wohl kaum bewußt, daß sie einen wesentlichen Bestandteil unserer Kulturlandschaft ausmachen. Als solche sind sie genauso bedeutend wie unsere Kirchen, Burgen und Schlösser, Bürgerhäuser und Bauernhöfe. Allein schon diese Tatsache rechtfertigt eine eingehendere Behandlung dieser Mate rie im Rahmen der Bestrebungen zum Schutz des kulturellen Erbes. Die landschaftsweise oft ziemlich unter schiedliche Häufigkeit und Ausgestaltung dieser Kleindenkmale, ihre meist nicht unbedeutende Funktion in der Volksfröm migkeit und die an sie gebundenen Sa gen lassen vermuten, daß sich zumindest die Volkskunde schon seit längerem da mit eingehender beschäftigt hat. Aber selbst diese Wissenschaft, die sich mit dem ,,Leben in überlieferten Ordnun gen"^ bzw. mit den ,,Äußerungen einer durch Raum und Geschichte gebildeten, natürlichen Gemeinschaft"^ befaßt, hat bislang nur gewisse Teilaspekte dieser Kleindenkmale behandelt, insbesondere soweit sie Anknüpfungspunkte an Sagen überlieferungen, an mythologische Vor stellungsweisen, an das Wallfahrts wesen u. ä. bieten. Andere Wissenschaften treffen hier zwangsläufig von vornherein eine be stimmte Auslese, so insbesondere die Kunstgeschichte, die nur jene Denkmale in ihre Betrachtung einbezieht, die der Stilkunst verbunden sind — etwa die großartigen Schöpfungen von Dreifaltig keitssäulen. Für die Geschichte, ins besondere die Landesgeschichte, sind nur solche Kleindenkmale relevant, die in Beziehung zu besonderen Ereignissen stehen. In erster Linie ist hierbei auf die vielfältigen Formen von Denkmälern und Gedenktafeln zu verweisen. Kunsthistorische Bedeutung Abgesehen von einigen wenigen Kapel len, die über volkskünstlerische Bedeu tung hinausgehen, sind es vor allem einige Bildstöcke und Bildsäulen, die das Interesse dieser Disziplin gefunden ha ben. Unter ,,Bildstock" werden im Real lexikon zur deutschen Kunstgeschichte die verschiedensten Formen subsumiert: ,,Der B. ist ein im Freien, vornehmlich an öffentlichen Wegen errichtetes religiöses Wahrzeichen; er besteht meistens aus einer Säule oder einem Pfeiler mit reli giösem Bildwerk in einer Nische oder als Bekrönung"". Stilistische und ikonographische Merk male stehen dabei im Vordergrund. Auch der Altmeister der Bildstockforschung in Österreich, F. Hula®, hält sich im wesent lichen an diese Kriterien, insbesondere bei seiner Einteilung der Bildstöcke und Totenleuchten. Letztere werden neben den zum Teil bereits sehr alten Stein kreuzen' als Vorläufer der Bildstöcke an gesehen. Die Bezeichnung ,,Kapelle" geht nach allgemeiner Ansicht auf jenen Raum zu rück, in dem die ,,capa" des hl. Bischofs Martin von Tours (gest. 397) — sein man telartiger Umhang, den er der Legende nach, als er noch Soldat war, mit einem Armen vor dem Stadttor von Amiens teilte — als fränkisches Nationalheiligtum auf bewahrt wurde. Nach F. Kluge' wird ,,seit etwa 800 ,capella' als Bezeichnung eines kleinen Gotteshauses allgemein". Volkskundliche Betrachtung Neben den schon erwähnten Sagen, die nicht selten mit verschiedensten Klein denkmalen oder auch mit der Stelle, an der solche errichtet wurden, verbunden sind, ist auch die numinose' Bedeutung manch solcher Örtlichkeiten zu erwäh nen. Eigenartige Steinformen werden in solchen Sagen nicht selten als Teufels werk — vgl. die häufige Bezeichnung wie ,,Teufelsstein", ,,Teufelsschüssel", „Hei denstein" etc. — erläutert, sie waren aber auch gar nicht so selten der Anlaß für die Errichtung eines kleinen Heiligtums, zum Beispiel die „Falkensteinkapelle" bei St. Wolfgang oder die Waldkreuzkapelle ,,Maria Rast" bei Helfenberg. Neben Bild bäumen und Hellquellen sind gerade Spursteine ein häufiger Entstehungs grund für lokale, aber auch für verschie dene ganz bedeutende Wallfahrtsstät ten'. Auch von der Volkskunde her wird der Bildstock vorrangig behandelt'". Abgese hen von der Bindung an Sagen" und Legenden, an mythologische Vorstel lungsweisen und im Zusammenhang mit der Entstehung von Wallfahrten wurde aber den vielen Kapellen, Kapellenbild stöcken u. ä. nur sehr wenig Beachtung geschenkt. Für den Volkskundler ist nun jedoch nicht nur die Tatsache an sich bemerkenswert, daß ein gewisser Stein mit einer Sage oder Legende belegt wird, daß eine be stimmte Kapelle zu einer Wallfahrtsstätte wurde, daß in manchen Landschaften Bildzeugnisse der Volksfrömmigkeit be sonders häufig errichtet wurden, sondern auch der jeweilige Entstehungsgrund". Die Funktion dieser religiösen Kleindenk male — früher und heute — ist dabei ebenfalls zu berücksichtigen, genauso das Inventar, auch wenn dieses in den meisten Fällen nicht gerade zu künstle risch wertvollen öbjekten zu zählen ist. Für die Volksfrömmigkeitsforschung ist auch diese, oft als ,,religiöser Kitsch" abgetane Ausstattung relevant. Ihr immer häufigeres Auftreten als „Antiquitäten" macht allein schon ihre Dokumentation notwendig. Neben Momenten der Volksfrömmigkeit sind für die Errichtung von Bildstöcken, Kapellen usw. nicht selten lokalhistori sche Ereignisse der Anlaß gewesen. Be zeichnungen, wie „Pestsäule", „Schwe denkreuz" oder ,,Bauernkriegskapelle"" seien als Beispiele hiefür genannt. Die verschiedenen Rechtszeichen (z. B. Pran ger, „Galgen", Grenzzeichen) fallen eben falls in diese Kategorie. Der hauptsächlichste Errichtungsgrund ist aber sicher religiöser Art. Bezeichnen derweise fällt die Entstehung der meisten religiösen Kleindenkmale in jene Zeiten, die ganz allgemein eine besondere Blüte der Volksfrömmigkeit hervorbrachten. ,,Ex voto", also verlobte öbjekte, sind insbesondere wieder in den ersten Jah ren nach dem Zweiten Weltkrieg entstan den, zumeist aus schuldiger Dankbarkeit für glückliche Heimkehr aus dem Krieg. Ein gewisser Stolz, gepaart mit dem Wunsch, sein eigenes Privatheiligtum zu besitzen, mag ein weiterer Grund für die Errichtung so mancher Kapelle gewesen sein. Hinsichtlich der Funktion kann man sa gen, daß die bäuerlichen Privatkapellen in erster Linie intime Andachtsstätten sind, wobei zu berücksichtigen ist, daß die nächste Kirche oft kilometerweit vom betreffenden Hof entfernt Ist. Gemein same Andachten der Hofbewohner, bzw. bei örtskapellen der Bevölkerung des betreffenden Weilers, werden heute noch gelegentlich in der Fastenzeit und im Ma rienmonat Mai gehalten. Kapellen und andere religiöse Kleindenkmale sind wei ter in vielen Fällen eine „Segenstatt" bei der Fronleichnamsprozession oder das Ziel von Bittprozessionen. Bis nach dem Ersten Weltkrieg verrichtete man in vie len Kapellen oder vor so manchem Bild stock das Abschlußgebet beim „Kornfeld beten"; einige Bauten sind sogar eigens dafür errichtet worden. Einige der größe-

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