Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 4, 1977

Wels — Wachstum und Wirtschaft Sepp Käfer Linz mag die Industriestadt und Steyr die Eisenstadt Oberösterreichs sein; Wels ist, wirtschaftlich gesehen, zweifel los die Stadt des Handels und Gewerbes; früher war es auch, als die Landwirt schaft im Gesamtgefüge der Wirtschaft noch höheren Kurswert hatte, eine Stadt der Bauern. Weis besitzt durch seine Struktur einen Vorteil; oder meint diesen Vorteil in Er innerung an die Wirtschaftslage in der Ersten Republik zu haben. Nach Bran chen gesehen, ist seine Wirtschaft über aus differenziert, daher nicht krisenanfäl lig wie in Städten, die wirtschaftlich gleichsam nur auf einem Bein stehen. Durch seine Messe, die 1978 seit hundert Jahren bestehen wird, behauptet Weis einen festen Platz im Wirtschaftsgesche hen der Republik Österreich. Dies bedeu tet aber, daß es auch Konkurrent ähnli cher Veranstaltungen ist. Durch die un geschriebene Abmachung, daß Ried seine Veranstaltungen in ungeraden Jahren hält, scheint der Konflikt in Richtung Innviertei bereinigt. Jüngste Bestrebungen von Linz, eine Ausstellung mit vielleicht messeähnlichem Charakter auf die Beine zu stellen, haben zu heftigen Reaktionen in Wels und Ried geführt. Die Konkurrenz der Welser Messe zeigt sich auch In den großen Nachbarstädten. Wien kann zwar Weis nicht behindern, da die Stadt die Million Besucher sozusagen für alle Zukunft sicher hat; Terminfragen bildeten jedoch recht oft den Stein des An stoßes. Auch hat die Wiener Messe-AG lange Zeit verhindert, daß Wels offiziell der Status einer internationalen Messe gegeben wurde. Der andere Kontrahent könnte Salzburg werden. Die an Zahl sehr reichen Aussteilungen an der Salz ach werden zwar von privater Hand durchgeführt; ihre Vermehrung gibt aber der Weiser Messe zumindestens zu den ken. Weichen effektiven Wert der Messeertrag für die Stadt hat, wird weiterhin ein Rät sel bleiben. Fixe Daten lassen sich nicht eruieren und damit nicht durch den Com puter treiben. Zweifellos ist die Messe von materieller Bedeutung für die mei sten der Welser Betriebe, profitleren mö gen vor allem die Gastwirtschaft und das Kaufmannswesen. Errechnen aber läßt sich präzise dieser Vorteil für die Stadt nicht. Die Schätzungen schwanken so weit, daß jegliche Angabe als unsinnige Daumenpellerei erscheint. In einem aber kann man die Messe konkret messen; es handelt sich um die Getränkeabgabe. Selbst diese Zahl ist jedoch von geringer Aussagekraft, in Messejahren liegt der Eingang an Getränkeabgabe in der Stadtkämmerei um etwa eine halbe Million höher als sonst. ideeil ist der Vorteil, eine Messe zu haben, spürbar. Die Welser selbst oder beson ders die zugewanderten Bewohner in den Vorstädten sind nicht nur häufige Messe besucher, die keinesfalls die Belustigun gen des Volksfestes vermissen wollen, sondern sie tragen als „Messestädter" auch einigen Stolz zur Schau. In Öster reich ist Wels weniger durch sein Wachs tum an Bevölkerung, weniger durch seine Kunstschätze und durch seine Betriebe bekannt als durch seine Landwirtschafts messen. Die Konstruktion der Messe ist einmalig, deshalb aber nicht vorbildlich für Öster reich. Vor hundert Jahren von Bürgern und Unternehmern gegründet, wurde sie nach dem zweiten Weltkrieg zwar über aus demokratisch, jedoch auch umständ lich verwaltet. Vor etwa 15 Jahren wurde die Messe ein gemeinderätlicher Aus schuß. Zum Unterschied zu anderen Aus schüssen besteht dieser aber nur aus drei Präsidenten. Sie gehören ex usu der VP und der SP an. Der Bürgermeister, in Wels BP, ist immer einer der Präsidenten. Da die Messe ihr Geld zunächst von der Ge meinde ausleihen muß, wird sie von die ser dominiert. Änderungen, so erklären Vertreter der beiden Parteien, mögen sich in den nächsten Jahren ergeben. Der Gemeindeeinfiuß wird zwar nicht auszuschließen sein, doch wird eine be weglichere Struktur, wie sie andere Mes sen aufweisen, erwogen. Die Stadt Wels leidet an einer alten Le gende: sie sei reich, denn sie besitze die Messe. Das ist nur zum Teil richtig. Die Stadt besitzt die Hallen und die Areale, auf der die Messe abgehalten wird. Was immer die Messe baut, bleibt Besitz der Stadt Wels. Dadurch vergrößert der Ge winn der Messe die Messeanlagen. Bis her aber hat die Stadt wesentlich mehr in Ihre Wirtschaftsveranstaltung investieren müssen, als diese für sie abwarfen. Frei lich war das in den letzten Jahren da durch bedingt, daß die Trabrennbahn um teures Geld örtlich verschoben werden mußte, um der Messe die dringend not wendige Erweiterung zu ermöglichen, in jeder zweiten Rede wird die geogra phisch günstige Lage der Stadt Wels ge lobt. Dabei handelt es sich um ein ste hendes Schmuckwort, das nicht immer den Tatsachen entsprach. Die alte Kreis stadt Wels war freilich wirtschaftlicher Vorort Ihrer weiteren Umgebung, im ver gangenen Jahrhundert strahlte die Wirt schaftskraft der Stadt bis in die Täler der Alpen, bis an die Ufer der Donau und weit über den Hausruck aus. Ais aber die Bezirkshauptmannschaften Vöcklabruck, Grieskirchen und Eferding herausgelöst wurden, unterblieben auch viele Amts wege der Bewohner dieser Bereiche nach Wels. Mit dem Amtsweg ist immer auch Einkauf oder Verkauf verbunden. Diesen Verlust konnte Weis erfolgreich bekämpfen. Im Zeitalter der Eisenbahnen schufen seine Bürger teilweise aus eige ner initiative die sogenannten Flügelbah nen. Die eine erschloß das Almtal und stellte von Sattledt aus eine Verbindung nach Rohr und damit in Richtung Pyhrn her, die andere schloß das Eferdinger Becken auf und schuf die Verbindung zur Donau. Damit waren Märkte, die schon verloren schienen, wieder ge wonnen. Nach dem zweiten Weltkrieg haben diese Bahnen freilich weltgehend ihre Bedeu tung verloren. Das Zeitalter der kleinen Flügelbahnen war zu Ende. Die Motori sierung brachte den Aufbruch der Stra ßen. Die wichtigste Verkehrsader von Weis, die Bundesstraße 1, reichte nicht mehr. Sie glich einer vollgestopften Ader. Die Straße zum Pyhrn wurde zusehends schiechter; Wels begann das Alm- und das Kremstal zu verlieren. Die neue Bun desstraße nach Grieskirchen und ins Inn viertel konnte die Verluste nicht wett machen; zumal nach Eferding und Aschach auch heute noch keine günsti gen Straßen vorhanden sind. Vollends aber hat der durch lange Jahre hin spür bare Verlust eines Anschiusses zur Auto bahn nach Sattiedt Weis Nachteile ge bracht. Jetzt aber ändert sich die Situation. Der Anschluß zur Westautobahn nach Sattiedt wird schon 1978 vorhanden sein; das Land hat eine Autobahn von Linz-Haid nach Wels-Puchberg vorfinanziert und voilendet. Die Öst-Tangente berührt direkt das Industriegebiet. Die Innkreis-Autobahn soll aus der Gegend von Puchberg über Wels-West nach Sattiedt weitergeführt werden. Damit hat die Wirtschaft vorzüg liche Adern erhalten oder in Aussicht. Allerdings schnürt sich die Stadt Wels durch diese Aktion ,,Asphalt total" auch von der Heide und den Hügeln ab. Dafür werden die Autobahnen und Straßen bei anhaltender Konjunktur für neue Be triebsgründungen Chancen geben. Seit aus verständlichen hygienischen Gründen der ,,Standlmarkt" vom histo-

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