Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 4, 1977

Linzer Fußgängerzonen Perotti + Greifeneder + Pariner und Dipl.-Ing. Schimek 1. Gründstrukturen Fußgängerzonen Fußgängerfreundliche Zonen Verkehrsberuhigte Zonen sind wesentliche Elemente der innenstadterneuerung. Maßnahmen dieser Art bilden eine entscheidende Grundlage für die Revitaiisierung jener Innenstadt bereiche, die in den vergangenen Jahr zehnten durch die stetige Zunahme des Verkehrs einer zunehmenden Verödung erlagen. Die Errichtung einer fußgänger freundlichen Zone zwischen Taubenmarkt und Mozartstraße ist nur ein erster Schritt zu einer großräumigen Innen stadterneuerung. 2. Vom Taubenmarkt zur Mozartkreuzung Das Planungsgebiet wird von folgenden Straßenzügen begrenzt: Promenade, Gra ben, Dametzstraße, Mozartstraße, Rudi gierstraße, Herrenstraße. Bei einer Ausstellung im September 1976 wurde an viele Linzer eine Bro schüre mit folgender Aufforderung ver teilt: „Wir wollen über unsere Vorschläge mit Ihnen diskutieren und ihre Probleme noch besser kennenlernen. Bei Ihrem Be such stehen Sie nicht vor vollendeten Tatsachen, sondern wir möchten das von Ihnen Vorgefundene gemeinsam mit Ih nen weiterentwickeln, z. B. die Fest legung der Ausstattung der Fußgänger stützpunkte usw. Die Kenntnis über ihre Ansichten und Probleme zu diesem für Linz so wichtigen Vorhaben ist uns eine wesentliche Entscheidungshilfe für den Abschluß unserer Planungstätigkeit. Wir planen und realisieren diese ersten Stadt erneuerungsmaßnahmen größeren Umfangs für alle Linzer und Oberösterrei cher. Wir erwarten daher, daß auch Sie sich Zeit nehmen, sich über unsere Stadt Gedanken zu machen und uns diese mit teilen." Die Agonie der alten Stadtzentren ist nicht nur eine Folge des überdimensio nalen Verkehrs, auch nicht allein der Zentralisierung von Kaufhäusern, Verwal tungen, Banken in den Stadtzentren zu zuschreiben, sie ist ebenso und mehr noch die Folge eines hohen und wach senden Lebensstandards im Anspruch an Wohnung und Freizeit und an eine um fassende Mobilität, die die Stadtkerne entleert. Die Erfahrungen in anderen Ländern, vor allem in Deutschland und der Schweiz, zeigen, daß die Errichtung von Fußgängerzonen ebenso den Erwar tungen eines hohen Lebensstandards und dem damit verbundenen Konsum folgt. Sie brachte aber in gleicher Weise Ansätze struktureller Verbesserungen und weckte damit Hoffnungen, daß ein Mittel zur Regeneration der Stadtzentren gefunden worden sei, und zwar durch Verdünnung und Entfernung des Kfz-Verkehrs. Aufwertung der Straßen und ihrer Be bauung zu qualitätsvolierer Nutzung auch wieder zum Wohnen, Erhaltung und Er neuerung von Stadtgestalt, Stadterschei nung und Stadtbild; Intensivierung von Stadtsanierung und Altbaumodernisie rung; Anreize für strukturelle Verbesse rungen in den angrenzenden Randgebie ten und für den gesamten Stadtorganismus! Die Stadtverwaltung kann bloß im öffentlichen Bereich Maßnahmen setzen. Nur eine gute Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten im Planungsgebiet, der Stadtverwaltung und den Planern ermög licht eine optimale Verwirklichung der Stadterneuerung — Fußgängerzone. Die Stadt kann mit einem Organismus ver glichen werden, bei dem alle Teile und Glieder eine Einheit bilden. Vollziehen sich in und an einem Teil Veränderun gen, sind Auswirkungen auf andere Teile unvermeidbar. Die Planung und Errich tung von verkehrsberuhigten Fußgänger bereichen kann daher nur im Gesamt zusammenhang der Stadtenwicklung ge sehen werden. Nach unserer Vorstellung liegt das Schwergewicht der heute er forderlichen Stadterneuerung nicht in der Veränderung oder Bearbeitung der Bau massen allein, sondern in der Neugestal tung und Neuorganisation der Freiräume (Straßen, Parks, Passagen, Hinterhofflä chen usw.). Das hiefür nötige Potential an Flächen ist vorhanden, es ist bisher nur nicht entsprechend genutzt worden. Die Errichtung von Fußgängerzonen soll der Anfang einer Reihe von Stadterneue rungsmaßnahmen im Linzer Innenstadt bereich sein. Als Innenstadtbereich be zeichnen wir das Gebiet zwischen Donau und Westbahniinie bzw. Gruberstraße und Westaufschließung, sowie Bereiche um den Brückenkopf Urfahr. Stadtstruk tur wird durch das Verkehrsnetz, die Ver bindungen und Verknüpfungen der Stadt teile und Stadtelemente untereinander sichtbar. Einen Teil dieser Verkehrsver knüpfungen für den Fahrverkehr aufzulö sen und diese Freiflächen dem Fußgän ger vorzubehalten, schafft Veränderun gen, die nur ein umfassendes Verkehrs konzept neu ordnen kann. Aufgabe der Verkehrsplanung ist die Regelung des Ineinandergreifens von verkehrsfreien Bereichen, verkehrsberuhigten Zonen und Bereichen, in denen der Verkehr un gehindert fließen kann. Mensch, Verkehr und Straße gehören in einem sinnvollen Nebeneinander zusammen. Konfrontation und Miteinander von Mensch und Ver kehr machen erst die Stadt aus. Es ist daher undenkbar, daß eines Tages das gesamte Linzer Innenstadtgebiet ein zu sammenhängendes, autofreies Fußgän gerparadies sein wird. Es gilt vielmehr, Ansatzpunkte für kleine, verkehrsfreie Zonen im Innenstadtbereich festzule gen, die sich in ein Netz von verkehrs beruhigten und vom Verkehr ungehindert durchfluteten Straßenzügen einordnen lassen. Ein Stadtteil reagiert ähnlich einem Organismus, der abstirbt, wenn er nicht mehr ausreichend durchblutet wird. Beispiele für mögliche verkehrsfreie Ge biete sind: der Bereich um den Schiller platz, das Gebiet Stadtmuseum, Prunnerstift, der Platz vor der evangelischen Kir che, der Bereich um das alte Urfahrer Rathaus usw. Bevor wir näher auf die Probleme des Planungsgebietes einge hen, einige Ausführungen zur Spezies ,,Fußgänger": Bei konsequenter Betrach tungsweise stellt man fest, daß es ,,den Fußgänger" schlechthin nicht gibt, son dern nur Personen, die zeitweilig diese Rolle übernehmen und dann ein charak teristisches Verhalten zeigen, im übrigen aber auch mit der Bahn reisen, Auto fah ren, sitzen, schlafen, baden usw. Wenn sie marschleren, ist damit ein bestimmter Zweck verbunden; sie gehen zur Arbeit, zur Post, zur Bahn, ins Kino oder ins Lebensmittelgeschäft, und zwar auf mög lichst direktem Weg und relativ schnell. Sie können aber auch einen Einkaufs bummel machen oder einen Sonntags spaziergang. Dann werden sie sich lang samer fortbewegen und mitunter auch Umwege einschalten. Als Touristen fla nieren sie durch eine fremde Stadt, be trachten die Sehenswürdigkeiten, unter brechen die Wanderung bei einem Cafe und bewegen sich in der Regel noch langsamer. Die Fußgängerzone appelliert an die zweite und dritte Passantenkategorie. Den Begriff „Fußgängerzone", wie wir ihn verstanden haben wollen, werden wir später noch definieren. Deren Vertreter sollen sich auf den Straßen und Plätzen wohl fühlen, abgeschirmt sein von Ver kehrsgefahren und Hindernissen (zum Beispiel durch Warenumschlag auf dem Gehsteig). Anders der zielstrebige, schnell marschierende Mensch. Er ist re lativ indifferent gegenüber der Umge bung, beispielsweise auf seinem Weg zur

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