Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 3, 1977

Denkmalpflege Weigersdorf — Denkmalpflege in einer Landkirche Gerhard Sedlak Der vom Pfarrzentrum meist weit abgele gene Standort der Filialkirchen und die daraus resultierende geringe seelsorgiiche Bedeutung lassen oft nur die not dürftigsten Instandhaltungsmaßnahmen zu. Wenn auch drohende Verfallserschei nungen vielfach die Folge sind, ist es gerade diesem Umstand zu danken, daß diese vorwiegend aus der Gotik stam menden Landkirchen ihre ursprüngliche Architektur mit der ,,zweiten Ausstat tung" aus der Barockzeit bis heute er halten haben. So besitzen von den etwa 126 Filialkirchen der Diözese Linz rund 78 Prozent noch zumindest ins 18. Jahr hundert zurückreichende qualitätsvolle EinrichtungenL während von den Pfarr kirchen — Stifts- und ehemalige Stifts kirchen ausgenommen — höchstens 45 Prozent in diesem Sinne als gut aus gestattet anzusprechen sind. Einerseits der oft gefährdete Zustand von Bau und Einrichtung, andererseits die hohe künst lerische Qualität machen die Filialkirchen zum Sorgenkind, aber auch zum Liebkind der Denkmalpflege. Die zur Pfarre Ried im Traunkreis ge hörende Filialkirche Weigersdorf liegt etwa drei Kilometer westlich von Krems münster. Wie das ganze zusammenhän gende Gebiet im Süden und Westen des Klosters mit den vorwiegend auf „-dorf" endenden Ortsnamen, ist die Entstehung des Ortes „Weigantsdorf" in eine Periode der Binnenkoionisation um bzw. nach 1100 zu datieren^. Dem entspricht die Errichtung der ersten Kirche um 1162 unter Abt Martin I.; sie ist im Jahre 1170 von Bischof Konrad von Passau zu Ehren des hl. Jakobus geweiht worden^. Vom Presbyterium des heutigen Baues ist das Weihedatum durch Weihbischof Adalbert von Passau mit 21. August 1476 bekannt". Neben dem eigentlichen Ju biläumsbau zum 700jährigen Bestand des Stiftes Kremsmünster, der Filialkirche Oberrohr, ist wohl auch der Neubau von St. Jakob in Weigantsdorf unter Abt Ul rich IV. Schoppenzaun als Votivbau die ses Anlasses zu wertend Die in Stein gehauene Jahreszahl am Fronbogen da tiert die Vollendung der Kirche mit der Anfügung des Langhauses in das Jahr 1523. Der Westturm soll erst 1858 auf geführt worden sein'; zweifellos stammt das Zeltdach aus dieser Zeit. Eingebettet, aber weithin sichtbar in der lieblichen, sanft welligen, nur mit ver streuten Einzelgehöften besiedelten Kul turlandschaft zeigt das Äußere des Got teshauses von Weigersdorf wie die mei sten Kremsmünsterer Landkirchen einen schlichten Konglomeratsteinbau. Besten falls das reiche Fischbiasenmaßwerk, das sich an zwei Spitzbogenfenstern des Langhauses und im Chor erhalten hat, läßt die Pracht des Innenraumes er ahnen. Zwei schlanke Achteckpfeiler glie dern das Langhaus in zwei Schiffe und drei Joche, von denen das westliche die unterwölbte, vierachsige Empore auf nimmt. Die geschlungenen Zierrippen der zweimal gebrochenen Emporenbrüstung finden ihre Entsprechung in den sich durchdringenden Schlingrippen des ho hen und steilen Netzrippengewölbes, das sich im älteren Bauteil des zweijochigen Chores verdichtet und infolge der be ginnenden „gewundenen Reihung" mit den Schlingformen des Langhauses zur architektonischen Einheit fügtT Eine überaus wirkungsvolle Steigerung erfährt der geschlossene Raumeindruck durch die Ocker-Weiß-Bemalung der steinernen Pfeiler, Dienste und Rippen. Diese höchst eigenwillige, mit nichts vergleichbare Quader-, Perlstab- und Schablonen malerei mit geritzter Vorzeichnung könnte auf eine im Fronbogen mit 1658 bezeichnete Restaurierung unter Abt Plazidus Buechauer zurückgehen', in de ren Folge der Flochaltar, die Kanzel und die beiden Seitenaltäre des Sebastian Gründier von 1666 zur Aufstellung ge langt sind'. Die erwähnte Ausstattung zeigt an den Aufbauten hervorragenden und überaus reichen Dekor in ausgepräg tem Knorpelwerkstii — weiß, türkis, rot und gold auf schwarzem Grund — sowie sehr gute Qualität der Figuren'". Die am Pfeiier vor der Westempore situierte go tische Steinfigur des Kirchenpatrons — eine besonders bedeutende Arbeit um 1490 (Steinguß?) — sowie ein spätgoti sches Flolzkruzifix aus der Zeit um 1520 bis 1530 komplettieren die kostbare Aus stattung. Die von stiller Feierlichkeit und ausgewogener Harmonie getragene Raumwirkung ist jedoch vor allem auf den unverfälschten und unverändert er halten gebliebenen Zustand aus der Zeit von 1658 bis 1666 zurückzuführen. So unglaublich es klingen mag: Weder der Kirchenraum noch die Einrichtung haben seither eine Restaurierung erfahren. Eine vergessene Kirche! Als sich in den Nachkriegsjahren bauliche Schäden in der Dach- und Fundamentzone sowie an den Fenstern bemerkbar machten und die Kirche ohnehin ,,für die Pfarre nicht unbedingt notwendig" schien, war der lokale Wunsch, die Altäre in die Pfarr kirche von Ried zu übertragen, fast ver ständlich. Dem damaligen Landeskonser vator ist es zu danken, daß die Einheit von Raum und Ausstattung nicht zerstört wurde. Es konnten sogar beim Stift, als Patronatsherrn der Kirche, in der Pfarre, bei Bund und Land Mittel aufgebracht werden, um in den Jahren 1953 bis 1955 die vordringlichsten Sanierungsmaßnah men durchzuführen. Mit rund 80.000 Schil ling war es möglich, den Haupt- und Turmdachstuhl zu sanieren, die südlichen Ziegeldachflächen neu, die nördlichen umzudecken, das Turmdach zu streichen, Fundamentsicherungen an der Nord- und Westseite vorzunehmen und die Fensterverglasung instand zu setzen. Bei letz terer wurden die alten Butzenscheiben in die Chorfenster eingebaut, während die Langhausfenster die heutige Wabenverglasung erhielten. Das Bauwerk war vorerst gesichert; in der Folge mußte an die Restaurierung der vom Holzwurm befallenen Ausstattung gedacht werden. Anregungen und Ansätze dazu kamen vom Patronat, von privater Seite, von der Förderungsstelle des Bundes für Er wachsenenbildung in Oberösterreich, von der Diözese Linz und vom Bundesdenkmalamt. Sie erschöpften sich in einer ,,musikalischen Feierstunde" in der Kir che, einem Maßnahmenkatalog für die bauliche Sanierung, einem solchen für die Restaurierung der Ausstattung so wie in der Musterrestaurierung der Figur des hl. Pantaleon vom linken Seiten altar in den Werkstätten des Bundesdenkmalamtes. Der frische Anobienbefall hatte inzwischen starken Fassungsverlust an Figuren und Ornamenten verursacht, so daß die Rettung der Altäre und der Kanzel zum Gebot der Stunde wurde. In dieser Situation hatte sich der Kiwanis-Glub Linz in Verfolgung seiner hu manen und kulturellen Ziele in dankens werter Weise entschlossen, im Jahr 1975, dem Jahr des Denkmalschutzes, durch Bereitstellung eines Betrages von 100.000 Schilling die Innenrestaurierung der Filialkirche in Weigersdorf zu initi ieren. Es war dem Club möglich, gleich hohe Beiträge von der Diözese Linz, der Pfarre, von Bund und Land zu erwirken und damit vorerst die Mittel für die Re staurierung der Altäre und Kanzel sicher zustellen. Die Aktionen des Linzer Kiwanis-Clubs — ein Konzert im Stift Kremsmünster, eine Ausstellung ,,Wei gersdorf" im Linzer Stadtmuseum Nordico, die Prägung einer Silbergedenk münze ,,500 Jahre Weigersdorf, 1476 bis 1976" und vor allem der Kirtag vor der Kirche — dienten der Mittelbeschaffung ebenso wie der Bewußtseinsbildung der

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