Landeskunde Sieben Jahrhunderte Kommunaiheraidik in Oberösterreich Vom sigillum civium zum Wappenrecht in der Oö. Gemeindeordnung Herbert Erich Baumert Seit den ältesten Zeiten verständigen sich die Menschen durch Zeichen und Sinnbilder, die als optische Kommunika tionsmittel Kurzinformationen vermitteln und Assoziationen ins Bewußtsein brin gen. Die Bilderwelt der das Wort und die Schrift vertretenden Symbole er streckt sich von den prähistorischen Höh lenzeichnungen und eingeritzten Felsbil dern bis zu den internationalen Verkehrs zeichen und Piktogrammen der Gegen wart. Nichts vermag einen Ort klarer zu symbo lisieren und der Erinnerung einprägsa mer zu erhalten als das Gemeindewap pen: Ein markantes Signum, das in sei ner betonten Farbig- und Flächigkeit und der sich daraus ergebenden plakathaf ten Wirkung dem visuell ausgerichteten Empfinden unserer Zeit besonders ent gegenkommt. Als schnell und leicht er faßbares Bild ist es — in seiner Aus drucksform und Werbewirksamkeit dem modernen Firmensignet gleich — heute vor allem ein repräsentatives Zeichen für alle Gelegenheiten des offiziellen und geselligen Lebens in der Gemeinde, aber auch, wie bereits vor siebenhundert Jah ren in den Siegeln der Städte, ein sicht bares Symbol der Autonomie kommuna ler Körperschaften. Die kommunale Heraldik entstand aus dem europäischen, spätmittelalterlichen Urkundenwesen: Bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts fand der Gebrauch von Siegeln zur Beglaubigung und Bekräftigung von Schriftstücken in den Kanzleien der städtisch organisier ten Bürgergemeinschaften des deut schen Sprachgebietes Eingang. — Im Räume des heutigen Landes Oberöster reich ist die Verwendung von Stadt siegeln erst ab der Mitte des 13. Jahr hunderts erwiesen: In einer am 1. März 1242 für das Kloster Wilhering ausgestell ten Schenkungsurkunde wird das an hangende — inzwischen jedoch abgefal lene und heute nicht mehr vorhandene — Siegel der Linzer Bürger mit der Lokution ,,cum appositione sigilli ciuium in Linzee" angezeigt- Ebenso ist uns die früheste Benützung eines Siegels der Bürger von Enns nur durch die Korroborationsformel als ,,sigillum Burgensium de Aneso" in einer Urkundenabschrift über einen Zehentverzicht des Klosters St. Florian vom 28. August 1242 bekannt. — Als ältestes im Original erhaltenes Stadtsiegel Oberösterreichs gilt das der Bürger von Linz an einer mit 14. Oktober 1272 datierten und für das Salzburger Domkapitel bestimmten Urkunde. Zehn Jahre später — und zwar an einer Sankt Florianer Urkunde vom 19. Juli 1282 - ist der früheste Abdruck des Stadtsiegels von Freistadt nachzuweisen. Die Mehrzahl der alten Stadtsiegel zeigte im Siegelfeld Innerhalb der den Siegel inhaber bezeichnenden lateinischen Um schrift zumeist das für die damalige Si tuation charakteristische Stadtbild mit Mauern, Tor- und Wehrbauten (Linz, Steyr, Vöcklabruck, Wels), jedoch ver einzelt auch schon das Wappenschild des Stadtherrn und Landesfürsten (Freistadt, Enns, Braunau) oder gewerbliche Sym bole (Gmunden, Schärding). Die erste effektive Erteilung des Siegel rechtes ist für das bis 1681 dem Hoch stift Bamberg gehörende Kirchdorf an der Krems urkundlich gesichert: Bischof Anton von Rotenhan ,,begnadet" den Markt mit Privileg vom 12. März 1437 ,,zu allen sachen und notdorfften ... eins bewärten Insigels zu geprauchen". — 1459 bekam der zur Vogteiherrschaft Steyr zählende Markt Hall von Herzog Albrecht VI. mit dem erweiterten Wo chen- und Jahrmarktsprivileg auch das Siegelrecht zugestanden. Das Siegeln in rotem Wachs — ein besonderes Vorrecht vor allem gegenüber den kleinen Städten und Märkten — wurde der Stadt Linz im Zusammenhang mit dem Zugeständnis der freien Bürgermeister- und Stadt richterwahl von Kaiser Friedrich III. im Jahre 1490 verliehen. 1512 erhielt Steyr, 1519 Wels von Kaiser Maximilian I. eben falls die Erlaubnis, mit rotem Wachs zu siegeln. 1564 gestattete Kaiser Ferdi nand I. der Stadt Enns den Gebrauch des roten Wachses, 1593 wird schließ lich von Kaiser Rudolf II- den Bürgern von Gimunden zugleich mit der ,,Vermeh rung und Verbesserung" des Stadtwap pens das ,,Rott-Wachß"-Recht ein geräumt. Im 15. Jahrhundert begann man für die Verleihung von Wappen eigene Urkun den auszustellen; diese auf Pergament geschriebenen und mit der Zeit kalli graphisch immer reicher ausgestalteten kaiserlichen „Wappenbriefe" enthalten in der Regel neben der genauen Beschrei bung sowie farbigen Wiedergabe des verliehenen Wappens eine Aufzählung der aus der Wappenführung für die pri vilegierte Bürgergemeinde erwachsenden Rechte und Pflichten sowie Strafandro hung für den widerrechtlichen Gebrauch des Wappens durch Unbefugte. Den ältesten Wappenbrief in Oberöster reich — allerdings baierischer Herkunft — besitzt Ried im Innkreis: Der Wittels bacher Herzog Heinrich IV. beurkundete am 5. Mai 1435 zu Burghausen dem Markte Ried mit ,,wolbedachtem mute, gutem zeitigem Rate und mit rechter wis sen" die Verleihung eines Wappens. Auf die erste Wappenbegabung österreichi scher Provenienz in unserem Lande kann Grein mit dem Wappenbrief des damali gen Inhabers der Herrschaft Werfenstein, Herzog Sigismund von Tirol, verweisen: Der von den Habsburgern schon früh mit Ladstatt- und Schiffahrtsrechten aus gestattete Markt an der Donau erhielt mit der am 2. Jänner 1468 zu Innsbruck aus gestellten Urkunde ,,in crafft diss brieves" ein Wappen, das er „hinfur zu Inn sigeln, petschaften und anndern red lichen Sachen haben und brauchen muge, wie dann annder unnser Stet und Margkte". Das Privileg zur Wappen- und Siegel rechtsverleihung an die Städte und Märkte blieb dem Landesfürsten vorbe halten. Für Oberösterreich sind dies: die österreichischen, sowie (bis 1779 bezie hungsweise von 1809 bis 1816 für das Innviertel) die baierischen Herzoge; fer ner jene geistlichen Reichsfürsten, die im Lande ob der Enns als Grundherren erscheinen: die Bischöfe von Passau (für die Märkte Ebelsberg, Neufelden, Obern berg am Inn), Bamberg (für Kirchdorf an der Krems) und Regensburg (für Zell bei Zellhof), sowie der Erzbischof von Salzburg (für das von 1506 bis 1565 an ihn verpfändete Mondsee). Den von den Schaunbergern verliehenen Privile gien, wie z. B. der Wappenverleihung an Neumarkt a. H. 1553, kommt ein ähn licher Rang zu. Die Grundherrschaften, die einen maß geblichen Einfluß auf die Ausübung der Niederen Gerichtsbarkeit und die damit verbundene Selbstverwaltung der Städte und Märkte hatten, erneuerten mitunter aus eigener Machtvollkommenheit das bürgerliche Wesen des von ihnen oft ziemlich weitgehend abhängigen Ortes durch das Ausstellen von Stadt- und Marktordnungen, in denen zuweilen auch das Siegelrecht der Bürgergemeinden aufgenommen wurde, z. B. 1571 Star hemberg für den Markt Schwans, 1623 Polheim für Grieskirchen, 1695 Strattmann für Peuerbach. Eine grundherr schaftliche Wappenänderung ist in der Marktordnung für Klam aus dem Jahre 1636 nachweisbar, während uns die ver mutlich 1708 durch den Schlägler Abt Siard vorgenommene Veränderung des Marktwappens von Aigen im Mühlkreis
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