Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 2, 1977

liehen Menschen, Fortsetzung jener im Elternhaus, während dieser Handwerks lehre wie diese Lehre selbst, die im Grunde die Vorbereitung zu einer durch aus akademischen Laufbahn war, gingen schließlich in einer Stadt vor sich, die da mals noch als eine bedeutende Metro pole eines großen Reiches angesehen werden mußte, in Ausdehnung und Ein wohnerzahl abgestimmt auf den Vielvöl kerstaat Österreich-Ungarn. Sie ist für den aus einem Kleinhäuslermilieu stam menden Hans Gerstmayr signifikant ge worden. Anders hätte sich ihm kaum die bis heute bei ihm zu beobachtende An teilnahme an allen geistigen Bewegun gen, besonders in der Kunst, zugesellen können, das Streben, über jedes Lokale hinauszuwachsen, dabei aber dieses Lo kale doch nicht zu unterschätzen. So er kennt Gerstmayr die Vertrautheit mit der Landschaft seiner Herkunft und ihren Menschen als unverbrüchliche Leitlinie. Von ihr geht für ihn ein innerer Halt aus, der zu bestimmten Zielen führt, die ethi scher Natur sind. Man hat sie sich vor genommen und muß sie nun auch errei chen, man kann es aber nur, wenn man festen Boden unter den Füßen, einen si chern Stand hat. So wie Friedrich Schil ler die Treue keinen leeren Wahn gehei ßen hat, so ist auch die Heimat als über geordneter Begriff keine nostalgische Ge müts- und Gefühlsverfassung. Hierin liegt Aufbruch zu neuen umfassenden Ideen, die bis zur Avantgarde gehen können. Ein Beispiel dafür ist Michael Blümelhuber, der große Stahlbildhauer, wie er sich in seinen letzten Lebensjahren nannte, in dessen Atelier in Steyr Hans Gerstmayr 1907 eintrat. Vorher hatte sich Gerstmayr noch an der Fachschule für Graveure und Gold schmiede in Wien bei den Professoren Schwartz, Cizek, Hofner und Marschall sowie an der Wiener Staatsgewerbe schule bei Professor Trautzl in Modellie ren, Treiben und Ziselieren weitergebil det. Einige Jahre Praxis in einschlägigen Wiener Ateliers folgten. Im Verlauf sei ner dreijährigen Militärdienstpflicht (1903 bis 1906), die er bei der Artillerie absol vierte, wurde er nach Steyr versetzt, wo eine neue Kaserne auf der Hochfläche des Tabors, die auch den Friedhof der schönen alten Stadt trägt, gebaut wor den war. In dieser Zeit kam es zur ersten Begegnung mit Michael Blümelhuber, der damals noch sein Atelier in der Sierninger Straße hatte. Gern erzählt Hans Gerstmayr von die ser ersten Aussprache. Er hatte schon in Wien einige von den erstaunlichen Stahlschnittarbeiten Blümelhubers im Bild gesehen und von ihm und seinem Werdegang gelesen, der ja, wie bei so vielen Künstlern, eng mit einer Krankheit verbunden war. Durch eine Kie fersperre, Folge einer Typhuserkrankung, konnte der Mann, Sohn eines Säbel schmiedes in Unterhimmel bei Steyr, bis an sein 27. Lebensjahr nur flüssige Spei sen zu sich nehmen. Erst der berühmte Chirurg Theodor Billroth befreite ihn durch ein paar gewagte Operationen von dem Übel, das allerdings das eine nach sich gezogen hatte: eine Eingeschlossenheit in sich selbst, ein Nachdenken über Sinn des Lebens und der Kunst, die ihn bewegte, kurz: ein introvertiertes Dasein inmitten einer Welt, die sich durch große technische Erfindungen, die soziale Pro bleme aufwarfen, grundsätzlich, wenn auch nur allmählich, wandelte. Immerhin konnte Blümelhuber die damals entstan dene Versuchsanstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung in Steyr besuchen, aus der die heutige Höhere Technische Bun deslehranstalt hervorgegangen ist. Im Juli 1885 errichtete er im Hause Steyr, Sierninger Straße 14, eine Messer schmiedewerkstätte. Sein Gönner Franz Emmerich Graf Lamberg hatte sie ihm ermöglicht. Durch ihn wurde auch der Thronfolger Franz Ferdinand auf den jun gen Meister aufmerksam. Für diesen Erz herzog hat Blümelhuber die großartige Schere mit den balzenden Auerhähnen auf einem dekorativen Griff geschaffen, ein Meisterwerk, das allgemein Aufsehen auslöste. (Eine Schere Blümelhubers mit zwei Gemsen für den Grafen Lamberg be findet sich im Besitz Hans Gerstmayrs). So traten sie einander gegen Abschluß der militärischen Ausbildung Gerstmayrs, die sich selbstverständlich auch aufs Rei ten ausgedehnt hatte, in der einfachen Werkstatt Blümelhubers im Hinterhof des Hauses in der Steyrdorfer Vorstadt zum erstenmal gegenüber, Blümelhuber, sieb zehn Jahre älter als Gerstmayr, am An fang seiner Berühmtheit stehend, Gerst mayr, abzurüstender Artillerist, aber ein hervorragend ausgebildeter Stahlschnei der, vor allem im Negativschnitt (Präge stempel) schon bewährt und mit anderen künstlerischen Disziplinen wohlvertraut, sogar mit der Arbeit am Stein, wie seine späteren Relieftafeln für das Blümelhuber'sche Meisteratelier an der Posthof straße in Steyr (heute Blümelhuberstraße) gezeigt haben. Beim Umbau dieses Ate liers zum Zweck der Unterbringung der Abteilung für Kunstgewerbe der schon genannten Höheren Technischen Bun deslehranstalt Steyr sind diese Tafeln genauso wie der Brunnen in der Stütz mauer zum Aufgang in das ehemalige Künstleratelier zerschlagen worden, einige der wenigen künstlerisch wertvol len Steinarbeiten Steyrs im Jugendstil, die noch dazu die bedeutendsten des Bildhauers Gerstmayr gewesen sind, ein unbegreiflicher Barbarismus. Michael Blümelhuber, ein Menschenken ner vom Gefühl her, aber auch durch seine Krankheit hellhörig geworden, frei lich nicht selten auf seinen Vorteil be dacht wie viele große Künstler, fand so gleich Gefallen an seinem jüngeren Kol legen, der erst vor seiner Karriere stand. In den folgenden Wochen und Monaten versuchte er, ihn zum Eintritt in sein Atelier zu bewegen. Gerstmayr war inzwi schen als Hospitant beim Stahlschneider Professor Leo Zimpel an der Versuchs anstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung eingetreten. Durch ein Stipendium kam er dann zu Blümelhuber, gerade in den Tagen, Wochen und Monaten, da die oberösterreichische Landesregierung für den zur Berühmtheit gelangten Meister das bereits erwähnte Meisteratelier auf dem Posthof in Steyr baute. Für Hans Gerstmayr waren diese Jahre 1907/08 eine schöne arbeitsreiche Zeit, er konnte seine Ideen beim Bau dieses Hauses ausleben, in die Tat umsetzen und dabei zeigen, daß allenfalls sogar ein Steinplastiker in ihm steckte. Natür lich war es auch eine Freude, nach Fer tigstellung des Ateliers darin zu arbeiten. Die Raumeinteilung war ganz nach den Plänen und Wünschen Blümelhubers er folgt, ein Umstand, der eine gedeihliche Arbeit für die Benützer des Hauses zwei fellos förderte. Eine Legende, wenn man so will, gilt es da aber richtigzustellen: niemals ist Hans Gerstmayr Schüler Michael Blümel hubers in dem Sinne gewesen, daß er von dem Älteren technisch noch etwas hätte lernen können. Auch manche Arbei ten, die später Blümelhuber zugeschrie ben wurden, so die Erstellung des so genannten „Steyrer Schmuckes", dieser Brustanhänger, Ringe, Armbänder (so das eine für die Kaiserin Zita), gehen auf Ideen Gerstmayrs zurück. Man begeht nachträglich auch keine Fälschung oder gar eine Blasphemie, wenn man sagt, daß Gerstmayr der besser ausgebildete Stahl schneider war. So ist Michael Blümel huber die Technik des Negativschnittes (Prägestempels), die Hans Gerstmayr sein Leben lang in so manchem Werkstück (Plakette Franz Schubert, Adalbert-Stifter-Medaille usw.) einzigartig beherrscht hat, ein spanisches Dorf ge-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2