Kunst der Gegenwart Hans Gerstmayr, Künstler und Lehrer Carl Hans Watzinger ,w ii' . i ■ ^ Porträtfoto von H. Gerstmayr aus jüngster Zeit Die Gerstmayr stammen aus Tirol. Im Jahre 1403 wird Mathias Gerstmayr als Schiffmeister in Kufstein genannt. Um das Jahr 1600 sind die Gerstmayr im niederbayerischen Straubing ansässig. Ein Jakob Gerstmayr wurde 1783 mit dem Prädikat „von Koiinsfeid" geadelt. So ist in einer Beschreibung des Wappens der Gerstmayr zu lesen. Seinen Vater schildert der mit 14. April 1977 95jährige Hans Gerstmayr als gro ßen Denker, der sich für Kunst interes sierte; von Berufs wegen war er Baupoiier, Stuckarbeiter und Ofensetzer. Als einer der ersten dieses letzten Faches richtete er in den Bauernhäusern rund um Enns Sparherdküchen ein, eine Ar beit — nämlich den Rauchküchen den Garaus zu machen —, die nicht nur hand werkliches Können verlangte, sondern auch eine eiserne Gesundheit. Bei der Staubentwicklung, die so ein Ofensetzer auf sich nehmen mußte, konnte sich nur allzu leicht eine Tuberkulose einschlei chen, zur damaligen Zeit, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, eine Krank heit, die kaum zu heilen war. Zuhause bei Hans Gerstmayr war bei al lem Fleiß des Famiiienerhalters und sei ner Frau Schmalhans Küchenmeister. Meist ging der Vater am frühen Morgen von dem niederösterreichischen Rubring an der Enns, wo er ein kleines Haus mit Landwirtschaft besaß, nach Enns in die Arbeit und kehrte auf demselben Weg, immer zu Fuß, am späten Abend, oft auch erst in der Nacht, wieder heim. Samstag war auch ein Arbeitstag. Die Mutter von Hans Gerstmayr war eine geborene Stef felbauer aus Pyburg, Tochter eines Großbauern, wie sie um St. Valentin herum ganz so wie die Bauern um Sankt Florian und Enns als wahre Fürsten auf prächtigen Höfen saßen. Der niederöster reichische Grenzstreifen gegen Ober österreich, dessen Bewohner auch mehr nach der alten Eisenstadt Steyr aus gerichtet waren, weniger nach der Stadt Haag oder Amstetten, hat ja auch diese mächtige Bauernhofform aufgegriffen, ge nauso wie beispielsweise der Hausruck an seiner Grenze gegen das Salzburger Land die Form des Saizburger Einhauses. Gleichsam ergeben sich in solchen Gegenden stets wie bei Flüssen, die in nere Ländergrenzen, oft sogar wie beim Inn Staatsgrenzen sind, Übergänge ver schiedenster Art und beeinflussen auch die dort wohnenden Menschen hüben wie drüben. Sie lassen sie das räumlich Nä here wählen, nicht immer das eigentlich Heimische, weil sich das Fremde oder weniger Angestammte stärker anbietet. Auch dem jungen Hans Gerstmayr wurde da Steyr zu einem Mittelpunkt seiner Sehnsüchte und Bestrebungen, und so kam er, der bald zu zeichnen angefan gen hatte und dabei außerordentliches Talent bewies, zu einem Steyrer Maler und Anstreicher in die Lehre. An ein Studium war bei der mageren finanziel len Basis im Elternhaus nicht zu denken. Staatliche Stipendien waren Ausnahmen, die ans Wunder grenzten. Der Maier und Anstreicher hieß Ferdinand Bittner, einer jener alten Meister, die wir aus den Er zählungen wandernder Handwerksbur schen zur Genüge kennen; wohl befähigt in ihrem Fach, aber kaum mit pädagogi scher Begabung gesegnet, die einen Menschen erst zu einem Lehrer fürs Le ben macht, es sei, daß ein paar Ohrfei gen oder das ewige Schimpfen der Frau Meisterin genügten, dem Lehrling zu zei gen, wo der BartI den Most zu holen habe. Oft herrschte allein die Frau Mei sterin über Haus und Werkstatt. Ferdinand Bittner war in seinem Metier geschickt, aber der junge Hans Gerst mayr war noch geschickter oder würde es in kürzester Zeit werden; das sah der Meister sogleich. Er überließ ihm bald, Zimmerwände und -decken nicht nur nach Schabionen, sondern frei zu malen, natürlich mit Blumengirlanden, die um die Jahrhundertwende beliebt waren, Kompositionen auf der Decke, vornehm ausgedrückt auf dem Piafond, wo früher Stuckarbeiten angebracht waren und so die Räume verschönten. Gerstmayr malte da nahezu Fresken, vereinfacht und mög lichst bunt, Sträuße und Bukette, die im Licht der herabhängenden Petroleum lampe wie Blumen aus dem Orient wun derbar leuchteten und nicht zuletzt die Bewunderung staunender Kinder und zu Besuch einkehrender Leute vom Land er regten. Aber das war keine Arbeit für den Sohn des so denkbeflissenen Baupoliers und Ofensetzers. Nur sieben Wochen blieb er bei Ferdinand Bittner. Ein Maier wollte er werden, ja, aber kein Zimmermaler. Als ob er es dem um dreißig Jahre älteren Schweizer Karl Stauffer-Bern nach machen wollte, der zur Lehrzeit Gerstmayrs freilich nicht mehr unter den Le benden war, Opfer seiner großen Liebe zu einer Frau aus reichem Haus, die ihn hinterging, die er aber nicht vergessen konnte und Selbstmord verübte, als ihn die Umweit, die ihn nicht verstand, als einen Unwürdigen von ihrer Gemein schaft ausschloß. Für Hans Gerstmayr trat jetzt sein Kate chet ein, ein Mann, der den Buben längst beobachtet und sein Talent erspürt hatte. Er brachte ihn auf einen Freipiatz im In stitut der Kaiasantiner in Wien unter, nachdem sich der Vater außerstande er klärt hatte, finanzieii etwas zur geistigen Förderung seines Sohnes tun zu können; im Hinblick auf seine Vermögenslage durchaus keine billige Ausrede. Hans Gerstmayr wuchs nun, so kann man sa gen, im Schatten von Klostermauern auf, ein Weg, der, wie davon unter dem Volk gesprochen wird, kein unebener ist; denn an eine Kiostermauer könne man sich ge trost anlehnen, sie falle nicht so leicht um. Eine neue Lehre begann für ihn, bei dem Graveur Joseph Stepan. Von ihm, der ein von illustren Kunden stark frequen tiertes Atelier betrieb, lernte er gravieren und stempeischneiden. Der spätere Stahischnittkünstier bildete sich also von der Pike auf bei einem Meister, der einen vortrefflichen Namen in seinem Hand werk (Kunsthandwerk) hatte. Aber er fand auch Anschluß in der Familie seines Lehrherrn, dessen Sohn dann der be kannte Generaldirektor des Grazer Styria-Verlages und steirischer Landes hauptmann war. Eine buchstäblich le benslange Freundschaft hat die beiden miteinander verbunden, weil sie ja auch bis zum Tod des in Politik und Wirt schaft (er war auch ein Manager der Presse) so hoch gestiegenen Mannes an dauerte. Die Erziehung zu einem sitt-
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